Wüste, Steine, Berge und auf einmal taucht sie am Horizont auf: die bald grösste Batteriefabrik der Welt. Das Werk, mit dem Tesla-Gründer Elon Musk die Autobranche aus den Angeln heben will. Und vor allem: Die Menschheit weniger abhängig von fossilen Brennstoffen machen will.
In der Electric Avenue nahe Reno im US-Bundesstaat Nevada steht sie, die schon heute mächtige Gigafactory des Elektroautoherstellers. Dabei ist das Firmengelände noch nicht einmal zu einem Siebtel fertig.
Zweifel passen nicht zum Plan
Die Pläne indes sind riesig: Tesla will die Jahresproduktion innert 36 Monaten auf 500'000 Fahrzeuge verfünffachen. Dafür braucht es Milliarden von Batteriezellen, die in der Gigafabrik hergestellt werden sollen, wie CEO Musk und CTO JB Straubel am Freitag in dem Werk erläuterten. Ist das zu schaffen?
Architekten, Produktionsplaner und Schichtarbeiter gaben sich Mühe, etwaige Zweifel zu zerstreuen. Die Mitarbeitenden präsentierten sich motiviert und gaben den eingeladenen Besuchern detailliert Auskunft. Es sei denn, man wollte einige Insights erfahren – etwa zum Akku des neuen Model 3, das schon bald kommen soll.
Vervierfachung der Kapazität
Mittlerweile zählt Teslas Belegschaft über 13'000 Mitarbeitende. Zum Vergleich: 2010 waren es noch weniger als 900. Dazu gesellen sich rund 1000 Roboter-Kollegen von Kuka und Fanuk, autonom arbeitende Transport-Vehikel und mehrgeschossige, automatisierte Pressen, Öfen und gigantische Hochregale. Die Zutaten zu einem Massenhersteller sind also vorhanden. Das Ausmass von Teslas Unterfangens erschliesst sich aber erst, sieht man es vor Ort.
Heute liegt die weltweite Produktionskapazität von Lithium-Ionen-Batterien bei etwa 35 Gigawatt pro Stunde (Gwh). Mit der Gigafabrik will Tesla bis 2018 in Reno selber diesen Umfang erreichen. Mit späteren Erweiterungen soll die Jahreskapazität auf 150 Gwh ausgebaut werden. Zusätzliche Gigafabriken, verteilt auf andere Kontinente, sind angedacht. Sie würden Auto- und Batterieproduktion unter einem Dach vereinen.
Mehr Geld für den Ausbau
Der wichtigste Partner von Tesla bei diesem Unterfangen ist Panasonic. Die Japaner haben über 1 Milliarde Dollar in die Gigafabrik investiert und bauen die Batteriezellen für Teslas Autos und Energiespeicherlösungen. Sichtbar vor Ort ist das in Form von Produktionsanlagen und eigenem Personal. Zudem nimmt Panasonic gerade eine Anleihe über 3 Milliarden Dollar auf, um die Ausrüstung der Gigafabrik weiter auszubauen.
Besonders beeindruckend bei meiner Tour durch die Gigafabrik: Der Prozess, wie die Aluminiumrollen abgerollt werden, das Material mit einer leitfähigen Paste beschichtet, eingedampft, flach gedrückt und wieder aufgerollt wird.
Die delikate, brüchige Trägersubstanz wird sorgfältig in runde Batteriezellen eingeführt. Deren Form ist ungefähr so, wie man sie aus der Unterhaltungselektronik kennt, allerdings hat Tesla ein etwas grösseres Format eingeführt mit einer Zylinderbreite von 20 Millimetern und einer Höhe von 70 Millimetern.
Optimierung denkbar
In diese Zellen wird Elektrolyt hinzugefügt, und schliesslich werden die Batterien 24 bis 36 Stunden mit Strom «gealtert», damit sich ein Schutzfilm bildet. Im gegenwärtigen Produktionsprozess findet dann die Übergabe der Zellen an Tesla zum Einbau in die Akkus statt.
Im zukünftigen, noch weiter optimierten Prozess ist denkbar, dass Tesla die Alterung der Batterien direkt in den Model-3-Akkus vornimmt. Das könnte zusätzliche Kosten sparen. Doch dazu hat sich Tesla hat noch nicht verbindlich geäussert.
Kosten als Knackpunkt
Panasonic und Tesla haben die Batteriekosten bis anhin auf etwa 190 Dollar pro Kilowattstunde gesenkt. Das ist niedriger als der Branchenschnitt. Wie weit der US-Konzern heute schon ist, zeigt der Blick auf die Konkurrenz: Daimler etwa kündigte vor wenigen Tagen einen Elektro-Lastwagen für das Jahr 2020 an, der mit einer 220-KWh-Batterie angetrieben werden soll. Das erklärte Ziel ist, die eigenen Batteriekosten bis zum Jahr 2025 auf 200 Euro zu senken. Das ist mehr, als es Tesla heute kostet und mehr als doppelt so teuer, wie Tesla bereits im Jahr 2020 kosten soll.
Batteriekosten könnten also zu einem Wettbewerbsnachteil bei Daimler führen im zukünftigen Geschäft für innerstädtische elektrifizierte Lieferfahrzeuge. Tesla kündigte vergangene Woche an, in diesen Markt eintreten zu wollen. Das ist keine leere Drohung. Denn an der Spitze dieser Entwicklung steht bei Tesla die Person, die vor vier Jahren das Produkt Model S eingeführt hat, und vor zehn Jahren bei Freightliner (ausgerechnet ein Daimler-Unternehmen) Lastwagen gebaut hat.
Second-secondhand Fabrik
Wird die Gigafabrik ganz neu aufgebaut, werden in einem ebenfalls riesigen Werk im kalifornischen Fremont Tesla-Komponenten produziert und die Autos fertigmontiert. Die Fremont-Fabrik befindet sich nun übrigens schon in ihrem dritten Leben: General Motors (GM) betrieb sie von 1962 bis 1982. Durch eine Partnerschaft mit Toyota ab 1984 revitalisiert, wurde die Anlage 2010 erneut geschlossen.
Tesla hat das Werk gekauft und neu ausgestattet. Einige der Maschinen von GM und Toyota wurden wiederverwendet, darunter eine Stanzpresse von Schuler, die als grösste in den USA gilt. Im Vergleich zu vielen Fabriken in Detroit, die inzwischen geschlossen sind, ist das Fremont-Werk offenbar ein Überlebenskünstler – und das im Silicon Valley, wo die Land- und Lohnkosten sehr teuer sind.
Nischenplayer mit Wirkung
Wenn Tesla bis Mitte 2018 in Summe wohl etwa eine halbe Million seiner Autos auf die Strasse gestellt haben wird, ist das immer noch nur etwa 0,1 Prozent der rund 500 Millionen in USA und der EU betriebenen Fahrzeuge. Daran sieht man, wie wenig das doch ist und wie lange die Transformation in Richtung Elektrofahrzeuge noch dauern kann.
Die grössere Wirkung von Tesla ist kultureller Natur. Tesla zeigt, dass Elektrofahrzeuge schön gestaltet, performant und auch für die Langstrecke tauglich sein können. In der Oberklasse ist man in den Marktführer (und war das zeitweise auch schon in der Schweiz).
Tesla gilt es ernst zu nehmen
Dadurch übt Tesla mächtig Druck auf andere Autohersteller aus. Hersteller, die bis anhin – mit Ausnahme von Nissan/Renault und Toyota – beim Bau von Elektro- oder Hybridfahrzeugen eher zögerlich agierten. In diesem Sinn treibt Elon Musk andere Autobauer vor sich her.
Man kann Teslas Elektroautos als Durchbruch sehen. Die meisten Durchbrüche brauchten aber Jahre inkrementeller Verbesserungen. So wird es auch beim Elektroauto sein. Die Transformation findet nur allmählich statt. Sich auf den Weg zu machen, ist allerdings wichtig. Nur wenige Beobachter glaubten Elon Musks ursprünglichem Masterplan, doch er hat seine Kritiker eines Besseren belehrt. Spätestens jetzt ist an der Zeit, dass andere Automobilhersteller Tesla ernst nehmen – falls sie es bis heute noch nicht getan haben.
* Bea Knecht ist begeisterte Tesla-Fahrerin und verfolgt schon lange die Karriere von Elon Musk. Die Schweizerin weiss, wie man ein Produkt erfolgreich auf den Markt bringt: Die Internetpionierin hat 2005 den Web-TV-Dienst Zattoo gegründet, war bis 2012 CEO und seit 2009 Präsidentin.