Momentan laufen Pilotprojekte rund um den digitalen Franken. Mirjam Eggen, Professorin der Uni Bern, ist Co-Leiterin eines interdisziplinären Forschungsprojekts zu CBDC (Zentralbankwährungen). In ihrem Gastbeitrag erstellt sie einen rechtlichen Kompass für gesellschaftliche Fragen rund um digitales Zentralbankgeld in der Schweiz:
Bargeld verliert an Bedeutung
Die Bezahlung mit Bargeld verliert zunehmend an Bedeutung. Diese Entwicklung ist verbraucher- wie anbieterseitig getrieben. So ist der Griff zur Karte oder der Klick auf die App schlicht bequemer als der Gang zum Bankomaten. Die elektronische Abwicklung von Zahlungen an Weihnachtsmärkten, Parkuhren oder in Restaurants bringt für Geschäfte und Finanzdienstleister logistische Erleichterung und verbesserte Sicherheit.
Es muss nicht mit Bargeld bezahlt werden
Aus einer privatrechtlichen Perspektive ist dieser Entwicklung wenig entgegenzusetzen. Zwar bezeichnet das Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel neben Sichtguthaben bei der Nationalbank auch Münzen und Banknoten als gesetzliche Zahlungsmittel, und gemäss Obligationenrecht sind Schulden in gesetzlichen Zahlungsmitteln zu bezahlen. Gestützt auf die Privatautonomie der Parteien ist es aber grundsätzlich jedem Dienstleister möglich, eine Zahlung in Bargeld zu verweigern, solange er dies vor dem Vertragsschluss ausreichend klar kommuniziert. Dafür reicht bereits das Aufhängen eines gut sichtbaren Schildes am Geschäftslokal.
Digitalgeld ist bereits im Alltag angekommen
Digitales Buchgeld hat somit längst Eingang in unseren Alltag gefunden. Wird dadurch die Diskussion rund um die Einführung eines digitalen Frankens überflüssig? Die unterschiedliche Ausprägung von Buch- und Zentralbankengeld dürfte zunächst das Gegenteil vermuten lassen. Während die Nutzer von Buchgeld lediglich eine Forderung der Auszahlung oder Überweisung des Betrages gegenüber der kontoführenden Bank haben, verfügen die Inhaberinnen von Banknoten über «echtes» Geld, das direkt von der Zentralbank ausgegeben wird.
Es wäre aber falsch, aus dieser grundlegenden rechtlichen Unterscheidung den Schluss zu ziehen, dass die Nationalbank allen Bürgerinnen und Bürgern digitales Zentralbankengeld zur Verfügung stellen muss. Zum einen werden Bankkundinnen und -kunden durch den bankengesetzlichen Einlegerschutz bis zur Höhe von 100’000 Franken vor einer Insolvenz ihrer Bank geschützt. Zum anderen dürfte die Einführung von digitalem Zentralbankengeld auch in der Schweiz mit einer Höchstgrenze verbunden sein, wie sie etwa für den digitalen Euro geplant ist.
Instant Payment in der Schweiz ab 2024
Digitales Zentralbankengeld kann von den Nutzerinnen und Nutzern somit nur eingeschränkt als Wertaufbewahrungsmittel eingesetzt werden. Schliesslich dürften Instant Payments ab 2024 auch in der Schweiz allmählich zu einem flächendeckenden Modell werden und das Gegenparteirisiko ausstehender Zahlungen zusätzlich verkleinern. Allein mit seiner Rechtsnatur lässt sich die Einführung des digitalen Frankens deshalb nicht begründen.
Privatsphäre sicherstellen, Wettbewerb fördern
Aus einer staatsrechtlichen Perspektive lassen sich jedoch verschiedene andere Gründe für die Einführung eines digitalen Frankens anführen. Zu denken ist zunächst an das verfassungsmässig garantierte Recht auf Privatsphäre oder auch an den im Verfassungs- und Zivilrecht verankerten Persönlichkeitsschutz. Weiter hat der Bundesrat die finanzielle Inklusion von Menschen ohne Bankkonto in seinem Bericht zur Akzeptanz von Bargeld zu einer zentralen Zielsetzung erklärt. Zusätzlich kann die Schaffung eines digitalen Schweizer Frankens ausserhalb der herkömmlichen Zahlungssysteme zur Finanzstabilität beitragen und den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Angeboten fördern.
Bedarf an Digitalgeld ist ausgewiesen
In einer digitalisierten Wirtschaft sind diese Argumente ernst zu nehmen. Die schwindende Bedeutung von Bargeld und der Bedarf an digitalen Bezahllösungen haben sich spätestens in den Pandemiejahren in aller Deutlichkeit bemerkbar gemacht. Entsprechend hat die Eidgenössische Finanzverwaltung gemeinsam mit der Nationalbank im Oktober 2023 zum ersten runden Tisch zum Thema Bargeld eingeladen.
Die Aufrechterhaltung von Bargeld als gängigem Zahlungsmittel entspricht einem Bedürfnis insbesondere in jener Teile der Bevölkerung, welche ihren Alltag auch sonst noch zu grossen Teilen ohne digitale Hilfsmittel gestalten. Diesem Anliegen ist Rechnung zu tragen. Zugleich dürfen Finanzdienstleister und Behörden aber nicht aus den Augen verlieren, dass gerade die jüngeren Generationen eine Mehrzahl ihrer Zahlungen bereits heute bargeldlos vornehmen.
Dieser Trend wird sich voraussichtlich weiter fortsetzen. Für einen nachhaltigen Digital Payment Detox mit fortschreitendem Alter bestehen jedenfalls keine Anzeichen. Mit der Förderung von Bargeldzugang und -akzeptanz allein können somit die Herausforderungen, die mit der schwindenden Bedeutung von Bargeld verbunden sind, nicht bewältigt werden.
Nicht ob, sondern wann ist die Frage
Auch die Schweiz wird sich deshalb besser früh als spät nicht nur der Frage stellen müssen, ob wir einen digitalen Franken brauchen, sondern auch, wie wir ihn ausgestalten wollen. Die Voraussetzungen, um diese Debatte an die Hand zu nehmen, sind gegeben. So testet die Nationalbank bereits seit längerem gemeinsam mit verschiedenen Finanzdienstleistern den Einsatz von digitalem Zentralbankengeld unter Banken. Mit der SDX verfügt sie über einen Partner mit einer weit entwickelten DLT-basierten Infrastruktur.
Die Bankiervereinigung als zuständiger Branchenverband hat zudem ein Projekt zur Einführung eines digitalen Frankens auf tokenisiertem Buchgeld lanciert. Auch die Postfinance befasst sich mit der Schaffung eines digitalen Frankens. Sowohl private wie auch staatliche oder sogar hybride Lösungen sind somit denkbar.
Zurzeit sind die Beteiligten zurückhaltend, ihre Projekte in der Nähe zum Bargeld zu positionieren. Das ist verständlich. Die Nationalbank muss bei der Einführung eines digitalen Frankens als Zentralbankengeld mit Veränderungen in ihrer Geldpolitik rechnen. Mit einem Vorpreschen würde sie sich möglicherweise dem Vorwurf aussetzen, gläserne Bürgerinnen und Bürger schaffen zu wollen.
Die Finanzdienstleister wiederum müssen sich jedenfalls mit einem voll unterlegten Buchgeld-Token die berechtigte Frage stellen, ob sich die Ausgabe eines digitalen Frankens als Geschäftsmodell rechnet. Zusätzlich bestehen regulatorische Hürden, die in Absprache mit den Behörden zu bewältigen sind.
Vorbehalte gegen digitalen Franken entkräften
Die Debatte um die Ausgestaltung eines digitalen Frankens soll deshalb unter Einbezug von Politik und Öffentlichkeit stattfinden. Dabei ist mit Gegenwind zu rechnen. Die Behörden haben aber mit ihrem zweiten Anlauf zur E-ID gezeigt, dass sie aus dem Dialog mit der Öffentlichkeit über die Digitalisierung lernen können. Die Banken wiederum haben bereits bei der Umstellung vom Zahlungsverkehr am Schalter auf das Online-Banking bewiesen, dass sie Digitalisierung können. Damals wie heute jubeln nicht alle Kundinnen und Kunden, wenn sie einer neuen Realität gegenüberstehen. Mit der Bereitschaft für eine offene Diskussion und überzeugenden Argumenten – und vor allem: mit genügend Zeit für die Einführung dieser zusätzlichen digitalen Zahlungsvariante – können aber viele Ängste genommen und Vorbehalte entkräftet werden. Vertrauen braucht auch in der digitalen Welt eine Basis. Schaffen wir diese.