Dass das Jahresergebnis der Credit Suisse (CS) schlecht werden würde, wusste man schon im Voraus. Einerseits, weil die Bank bereits im alten Jahr eine Gewinnwarnung herausgab. Anderseits, weil zuletzt schon so einiges kolportiert wurde.
Und so war der heute verkündigte Ganzjahresverlust von 7,3 Milliarden Franken bloss noch eine Bestätigung des Erwarteten. Die Bank schreibt das schlechteste Ergebnis seit 2008.
An der Börse kommt das Ergebnis gar nicht gut an. Der Aktienkurs der Grossbank rauschte am Dienstag bis zum Handelsschluss um fast 15 Prozent in die Tiefe. Damit kostet das Papier wieder weniger als 3 Franken. Der Aktienkurs der Konkurrentin UBS legte um rund 1 Prozent zu, während der Leitindex SMI rund 0,5 Prozent nachgab.
Dennoch gab es bei den CS-Zahlen Überraschungen. So kehrten der Credit Suisse im vierten Quartal deutlich mehr Kundinnen und Kunden den Rücken, als bisher vermutet. Nicht weniger als 110 Milliarden Franken an Kunden-Assets flossen der Bank im vierten Quartal ab, womit die Abflüsse für das ganze Jahr auf 123 Milliarden Franken zu stehen kommen.
Kombiniert mit dem schlechten Anlagejahr bedeutet das, dass das Anlagegeschäft der Credit Suisse 2022 massiv schrumpfte. Und das wiederum wirkt sich auf die Erträge quer durch die Bank aus. Auch das bislang immer rentable Vermögensverwaltungsgeschäft schrieb im letzten Quartal einen Vorsteuerverlust von 155 Millionen Franken.
Kleiner Silberstreif am Horizont: Immerhin die Abflüsse konnten gestoppt werden, wie die Bank festhält. So seien im Wealth Management und der Schweizer Einheit im Januar wieder Zuflüsse registriert worden. Allerdings bislang vor allem in Form von Bargeldeinlagen und noch nicht als investierte Assets.
Doch da die Abflüsse grösser als erwartet waren, fehlen quasi in den Schätzungen rund 40 Milliarden Franken Kundengelder. Trotz der geringeren Ertragsbasis will Bank-Chef Ulrich Körner aber nicht zusätzlich die Kosten in der Vermögensverwaltung drücken. Also fallen die Erträge in der Kernsparte tiefer aus als erwartet. Und das hat den Aktienkurs der CS im Verlauf des Morgens tiefer ins Minus gedrückt.
Für das Gesamtjahr schreibt die Bank einen Vorsteuerverlust von 3,3 Milliarden Franken. Die grosse Differenz zum Reinverlust von 7,3 Milliarden Franken ist durch Steueraufwände zu erklären. Offenbar sind bei der Credit Suisse Verlustvorträge aus den Vorjahren, die steuerlich geltend gemacht werden könnten, wertlos geworden.
Fortschritte machte die Bank beim Rückbau der Investment-Banking-Sparte. So macht sie erstmals konkrete Meldungen zum sogenannten Apollo-Deal, zu welchem im Februar Verträge unterschrieben wurden. Demnach verkauft die Bank Teile ihrer Securitized Products Group, was einen Vorsteuergewinn von 800 Millionen Dollar mit sich zieht. Dieser Verkauf werde voraussichtlich im ersten Halbjahr unterschrieben.
Das stützt die Eigenmittel-Ausstattung der Bank. Diese ist einer der wenigen erfreulichen Punkte im Zahlenkranz. Die harte Eigenkapitalquote, genannt CET1, lag Ende 2022 bei 14,1 Prozent. Für den gesamten Umbauprozess, der bis 2025 dauern wird, soll die Kapitalquote nicht unter 13 Prozent fallen. Damit bekräftigt das Management ihre alte Prognose.
Zudem kündigte die CS heute – wie erwartet – den Kauf von Michael Kleins The Klein Group an. Klein soll die neu auferstandene Investment Bank CS First Boston übernehmen und nimmt damit auch in der Konzernleitung der CS Einsitz. Im Gegenzug wird sein heutiges Unternehmen in die CSFB einfusioniert.
Keinen Bonus für die Geschäftsleitung
Die CS reduziert den Bonus-Pool für ihre Beschäftigen radikal: Insgesamt stehen 50 Prozent weniger Mittel zur Verfügung. Dabei gilt: Je weiter oben in der Hierarchie, desto stärker wird der Bonus gekürzt. Gar keinen Bonus soll die Geschäftsführung erhalten. Das geht aus dem Quartalsbericht hervor. Zudem sollen Boni nachträglich gekürzt werden können, wenn Mitarbeitende das Unternehmen während der nächsten drei Jahre freiwillig verlassen.
Die Credit Suisse bezahlt Klein ein grosszügiges Willkommensgeld, indem sie die Klein Group für einen Gesamtwert von 210 Millionen Dollar übernimmt, wie heute bekannt wurde. Konkret bekommt Klein eine Wandelanleihe, die einmal in Aktien der neuen CS First Boston getauscht wird. Neben dem Wert der Anleihe erhält er Zinszahlungen von 35 Millionen Dollar. Den Unternehmenswert von seiner Boutique gibt die CS mit 175 Millionen Dollar an.
Viel Geld für ein Unternehmen mit 40 Menschen. Die CS betont, dass die Boutique stets profitabel war und seit 2010 Deals im Wert von 1,5 Billionen Dollar beraten hat. Dennoch hat das Unternehmen letztlich keine andere Substanz als die Kontakte und das Wissen seiner Gründer und Angestellten.
Klein wird in Zukunft gleich drei Hüte bei der CS aufhaben: Er wird Chef der CS First Boston, zieht in die CS-Geschäftsleitung ein und wird zudem Chef des US-Geschäfts der Grossbank. Wenn er für alle Jobs ein Gehalt bezieht, dürfte er der bestbezahlte Angestellte der CS werden.
In einer Telefon-Konferenz bekräftigte CS-Chef Körner, dass die Grossbank Interessen von Investoren hätte, die sich an der CS First Boston beteiligen wollen. Konkreter wurde er nicht, das ganze sei Teil einer «langen Reise». Trotz der Abspaltung der US-Investmentbank wolle die CS aber «enge Verbindungen» zur CS First Boston erhalten.
Was das genau heisst, bleibt unklar. Analysten befürchten, dass die CS First Boston unter Kleins Führung sich primär auf die USA fokussieren könnte. Dabei sei das Angebot der Investmentbank besonders wichtig für die superreichen asiatischen Firmenkunden, die Kunde der CS Vermögensverwaltung sind.
Unklar ist ferner, wie lange die CS ihre Ausgründung noch mit Refinanzierungen ausstatten muss. Solange die Bank an der Einheit die Mehrheit hält, dürfte dies notwendig sein.
Auch im laufenden Jahr 2023 werden Verluste erwartet
Die Verluste dürften für die CS vorerst weitergehen, wie die Bank in ihrer Mitteilung schreibt. So erwartet sie zumindest in den Bereichen Wealth Management und Investment Bank auch im ersten Quartal einen Verlust. Für das Gesamtjahr 2023 stellt die CS einen «erheblichen Vorsteuerverlust» in Aussicht, allein deshalb, weil Umbaukosten von 1,6 Milliarden Dollar anfallen werden.
Als Zeichen der Zuversicht sollen die gebeutelten CS-Aktionäre in diesem Jahr eine Dividende von 0,05 Rappen erhalten. Dabei hatte die Bank erst im November 4 Milliarden Franken frisches Geld von den Aktionären eingesammelt.