Ein gutes halbes Jahr vor den Parlaments- und Regierungswahlen in Liechtenstein steht der Beitritt zum Internationalen Währungsfonds, kurz IWF, zur Debatte. Fast kein Staat ist mittlerweile noch nicht Mitglied in der Sonderorganisation der Vereinten Nationen, bei welchen Liechtenstein wiederum bereits seit 1990 Mitglied ist. Lediglich Monaco, Nordkorea, Kuba und eben Liechtenstein fehlen im IWF.
Der IWF-Beitritt wird in der Liechtensteinischen Politik schon länger diskutiert und mit 19 von 25 Stimmen im Liechtensteinischen Parlament, dem Landtag, schien die Debatte über den Beitritt noch im Mai dieses Jahres eine klare Mehrheit zu finden. Zumal sich auch fast alle Liechtensteinischen Persönlichkeiten und Institutionen für den Beitritt aussprachen. Regierungschef Daniel Risch wandte sich kürzlich in einem offenen Brief an eine Kritikerin des Beitritts und versuchte, ihre Vorwürfe zu entkräften. Selbst Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein warb bereits am Staatsfeiertag 2022 dafür und stellte auch dieses Jahr im Staatsfeiertag-Interview mit der lokalen Zeitung «Liechtensteiner Vaterland» klar: «Es gibt kein stichhaltiges Argument gegen den IWF-Beitritt».
Nach dem Landtagsbeschluss bildete sich allerdings ein Referendumskomitee, das mit der nötigen Unterstützung eine Volksabstimmung am 22. September erwirkte. Das Thema IWF ist kein sehr fassbares und im Kontext der politischen Diskussionen, die Liechtenstein beschäftigen – wie etwa der Bau eines Spitals und die Zukunft des Rundfunks – auch eines, das weit weg zu sein scheint. Die nötige Aufmerksamkeit für das Thema in der Öffentlichkeit zu erreichen, ist daher anspruchsvoll.
Die Regierung des Landes versucht es dennoch mit Argumenten, die für einen Beitritt sprechen: «Durch verschiedene Mechanismen bietet der IWF Schutz in Krisensituationen. Ein schneller Zugang zu Finanzmitteln wäre für Liechtenstein beispielsweise bei einer grossen Naturkatastrophe oder auch in einer Finanzkrise sehr wichtig. Der schnelle Zugang zu liquiden Mitteln ist in einer Krise entscheidend, um den Finanzsektor und letztlich die Realwirtschaft vor grösseren Schäden zu bewahren», stellt die Landesregierung in ihren Publikationen zur Abstimmung fest.
Die Schadenshöhe beläuft sich laut der Regierung Liechtensteins dabei auf 15,6 Milliarden Franken bei einem Erdbeben und auf 8,1 Milliarden bei einem Hochwasser – bei liquiden Staatsreserven von 2,5 Milliarden. Im Falle einer Bankenkrise schätzt die Regierung gar, dass «die Aktiven des Bankensektors» diese Reserven «um einen Faktor von etwa 40 überschreiten».
Auch Bankenverband positioniert sich
Wenig überraschend setzt sich auch der Liechtensteinische Bankenverband für den IWF-Beitritt ein. So schreibt dessen Geschäftsführer Simon Tribelhorn auf Anfrage von HZ Banking: «Liechtensteins Wirtschaft ist stark exportorientiert und damit ist sowohl die Industrie als auch der Finanzplatz global ausgerichtet und abhängig. Die Mitgliedschaft stärkt unsere Position in der globalen Wirtschaft, was Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Wohlstand schafft.»
Das Krisen-Argument ist für Tribelhorn ebenfalls essenziell, da auch Liechtenstein von Krisen betroffen sein könne, seien es Naturkatastrophen oder Finanzkrisen. Tribelhorn argumentiert: «Alle diese Krisen haben aber eines gemeinsam: die Notwendigkeit eines raschen und umfassenden Zugangs zu Liquidität. Der IWF nimmt genau diese Funktion wahr und würde dafür sorgen, dass Liechtenstein in einem Krisenfall diese Liquidität sofort abrufen und somit Schlimmeres verhindern könnte.»
Grundsätzlich geht es bei der IWF-Abstimmung also darum, bereit zu sein für Notfälle und das Ansehen des Liechtensteinischen Finanzplatzes zu sichern. Denn die jährlich wiederkehrenden Kosten von 500’000 Franken sind für den Kleinstaat offenbar vernachlässigbar, wie ein greifbares Beispiel der Regierung klarmacht: «Auf einen Privathaushalt mit einem Jahreseinkommen von CHF 85’000 übertragen, wären das Kosten von weniger als 50 Franken pro Jahr.»
Notfälle und Ansehen – zwei Argumente, welche das Nein-Komitee in ihrer Argumentation zu widerlegen versucht. In Sachen Ansehen heisst es vonseiten des Komitees auf Nachfrage von HZ Banking im Kern: Liechtenstein habe andere Möglichkeiten, die Souveränität zu stärken und das Ansehen in der Welt hochzuhalten. Und konkreter argumentiert das Nein-Komitee, dass die Machtblöcke der Welt im Umbruch seien. Zudem verweist die Antwort auf die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika). Weshalb internationale Zusammenschlüsse der BRICS-Staaten nun attraktiver für Liechtenstein seien als jene der UNO bleibt allerdings offen.
In Sachen Krisenmanagement ist die Antwort des Nein-Komitees spezifischer, wobei ein zentraler Satz lautet: «Nein, wir sind nicht genug gegen Krisen versichert und wir plädieren nicht für den Status quo. Wir sehen konkreten Handlungsbedarf in der Bankengesetzgebung.» Die Argumentation der Gegner verweist auf mehr Eigenverantwortung der Banken, sei es in der Liquidität oder den Eigenmitteln. Bei Erdbeben und Überschwemmungen spricht das Nein-Komitee davon «mit Baumassnahmen aktiv zu werden, um Schaden an Menschen und Infrastruktur abzuwenden».
Blick über die Grenze lohnt sich
Ein Blick über die Grenze, in die Schweiz, relativiert diese Argumentationen aber: Schliesslich war auch eine Credit Suisse auf staatliche Hilfen angewiesen – trotz aller Eigenmittelvorschriften.
So sagt Roman Eggenberger, Liechtensteiner, Kenner des dortigen Finanzplatzes und ehemaliger CS-Banker, der sich für den Beitritt einsetzt: «Wenn eine in Liechtenstein systemrelevante Bank Probleme hat, ist es aktuell fraglich, inwiefern der Staat der Bevölkerung versprechen kann, sie müsse sich keine Sorgen machen.» Durch den IWF hätte das Land Zugang zu mehr Mitteln, was dazu beitragen könnte, einen Bank-Run zu verhindern.
Um Argumente allein wird es bei der Abstimmung am 22. September aber kaum gehen, wie Eggenberger behauptet: «Der Beschluss des IWF-Beitritts hätte vor fünf Jahren wohl kaum jemanden gestört, schliesslich sind alle wichtigen Institutionen dafür, der Erbprinz, die Regierung, das Parlament.»
Zudem sei, sagt Eggenberger, Liechtenstein bereits Mitglied in zahlreichen internationalen Organisationen, und der IWF wäre eine weitere Mitgliedschaft gewesen. Eggenberger glaubt, dass es den Gegnern nicht per se um den IWF ginge, sondern dass auch ein Misstrauen gegenüber dem Staat, der Regierung und dem Parlament mitschwinge: «Seit der Corona-Pandemie gibt es einige, die nicht mehr der Überzeugung sind, dass die Regierung und der Landtag wissen, was gut für Liechtenstein ist. Die IWF-Gegner stehen den Institutionen und dem Finanzsystem kritisch gegenüber.»
Dazu passt auch die Antwort des Nein-Komitees, die auf ein Zitat des UNO-Generalsekretärs António Guterres verweist, in dem von einer «dysfunktionalen sowie ungerechten globalen Finanzstruktur» die Rede ist.
So entsteht tatsächlich der Eindruck, dass es in Liechtenstein am 22. September nicht nur um die Frage einer IWF-Mitgliedschaft geht, sondern auch um das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen des Landes.