Im Februar 1990 führte die Reserve Bank of New Zealand (RBNZ) eine bahnbrechende Strategie zur Inflationssteuerung ein, die zwischen einer Obergrenze von 2 Prozent und einer Untergrenze von 0 Prozent gehalten werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt lag die neuseeländische Inflationsrate bei 7,6 Prozent und hatte zwischen 1970 und 1990 im Jahresdurchschnitt über 10 Prozent betragen. Die darauffolgende Desinflation verlieh diesem innovativen Ansatz Glaubwürdigkeit. Das ging so weit, dass die meisten grossen Zentralbanken später ihre eigenen quantitativen Inflationsziele einführten. Die Europäische Zentralbank (EZB) legte ihr Ziel nach der Währungsunion (1999) fest, während die Federal Reserve (Fed) 2012 das Targeting offiziell einführte. Interessanterweise scheint die 2-Prozent-Grenze nicht das Ergebnis einer akademischen Studie zu sein, sondern ergab sich aus einer Antwort der RBNZ-Führungskräfte auf eine Frage in einem Fernsehinterview.

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In Richtung erneuter Volatilität und steigender Inflation

In den letzten Jahrzehnten hat das Fortbestehen tiefgreifender desinflationärer Kräfte wie des E-Commerce und der Globalisierung, in Verbindung mit dem Ausbleiben grösserer externer Schocks, eine orthodoxe Wirtschaftspolitik gestützt. Die Kalibrierung der Inflation durch die Zentralbanken blieb dadurch unverändert, sodass sie zu einem regelrechten Dogma wurde. Eine Überprüfung dieser 2-Prozent-Schwelle wird sogar als Abkehr von der Inflationskontrolle oder als Verzicht auf die Unabhängigkeit der Zentralbanken betrachtet. Die meisten Investoren, Investorinnen und Institutionen für makroökonomische Prognosen beziehen dies mit ein. 

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet beispielsweise, dass sich die weltweiten Inflationsraten bis 2025 auf 2 Prozent annähern werden, auch in Japan. Dies geschieht mit der Begründung, dass sich die Rückstellkräfte («reversion to the mean») durchsetzen würden, je weiter der Schock der Pandemie zurückliegt. Diese Erwartung scheint jedoch die enorme Verschuldung, die beispiellosen Haushaltsdefizite, die Geopolitik (Krieg ist von Natur aus inflationär), den grünen Übergang, den Klimawandel oder die strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt (hybrides Arbeiten) nicht ausreichend zu berücksichtigen.

Über den Autor

Jean-Christophe Rochat ist Chief Investment Officer, Head of Asset Management und Mitglied der Geschäftsleitung der Banque Heritage.
 

Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) markierte die Pandemie den Beginn einer Ära der «fiskalischen Dominanz», in der die Regierungen durch ihre extreme Verschwendung den Zentralbanken ihr Gesetz aufzwingen und diese sich genötigt fühlen, die umfangreichen Emissionen der Treasuries durch ausgeklügelte finanzielle Techniken zu unterstützen. Das läuft letztlich auf eine Monetarisierung der Defizite hinaus. Der IWF kommt zu dem Schluss, dass die Inflation ihre langfristige Tendenz um durchschnittlich 0,8 Prozent übersteigen und sich der 3-Prozent-Marke annähern wird.

Die grossen Zentralbanken am Wendepunkt

Sicherlich hat die Leugnung der Prognosen westlicher supranationaler Organisationen nur begrenzte Auswirkungen auf die Märkte. Allerdings findet diese Position bei den Expertinnen und Experten der Zentralbanken Anklang, die den starken Anstieg der Inflation fälschlicherweise als ein vorübergehendes Phänomen interpretiert haben. Heute scheinen dieselben westlichen Zentralbanken auf ihren Prognosen zu beharren und setzen auf eine Normalisierung des Konjunkturzyklus und auf eine Rückkehr der Inflation auf 2 Prozent. Sollte sich dieser Ansatz als falsch erweisen, könnte er langfristig ihrer Glaubwürdigkeit schaden.

Auch in Asien führen die grossen Geldinstitute bedeutende Weichenstellungen durch. Die Bank of Japan (BoJ) hat die Deflation und eine lange Phase der «qualitativen und quantitativen Lockerung» hinter sich gelassen. Sie erwägt nun, ihre Bilanz zu verringern, ihre Aktien-ETFs abzustossen, die Kontrolle der Anleihezinsen einzustellen und ihre Unterstützung für staatliche Emissionen zu verringern. Die People’s Bank of China (PBoC), bekannt für ihre orthodoxen geldpolitischen Positionen, sieht sich mit durch Schulden verursachten deflationären Spannungen konfrontiert. Als Reaktion darauf führen die chinesischen Währungsbehörden schrittweise finanztechnische Instrumente ein, die der quantitativen Lockerung ähneln, ohne sie so zu benennen. Ihre Devisenreserven verändern sich, wobei der Anteil an Dollar (US-Staatsanleihen) zugunsten von Gold reduziert wird, was möglicherweise eine Überprüfung des monetären Währungskorbs des Yuan vorwegnimmt.

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