Über 65-Jährige weisen die grössten Vermögen, die höchste Zufriedenheit in Bezug auf ihre finanzielle Situation und die tiefsten Quoten der materiellen Entbehrung unter allen Generationen auf. Der Grossteil des privaten Kapitals der Schweiz liegt heute in den Händen der über 55-Jährigen – und dies wird auch künftig der Fall sein, da Erbschaften in der Regel an über 55-jährige Nachkommen fliessen.
Balz Stückelberger, Direktor von Arbeitgeber Banken, dem Arbeitgeberverband der Banken in der Schweiz.
Keine Kinder, keine Renten
Dass sich immer mehr Menschen auf ein immer längeres Leben im Wohlstand freuen dürfen, ist grundsätzlich erfreulich. Aber die Kehrseite der Medaille ist das sogenannte demografische Defizit: Kommen die geburtenstarken Jahrgänge mit wenigen Nachkommen ins Rentenalter, so fehlen Arbeits- und Fachkräfte sowie Steuer-, AHV-Beitrags- und Prämieneinnahmen, um die älteren Jahrgänge zu finanzieren. Die Zunahme der Anzahl Personen über 65 Jahre bei stagnierender Grösse der Altersgruppe zwischen 20 und 65 Jahren wird ein wachsendes Missverhältnis bewirken zwischen der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung der im Umlageverfahren finanzierten Sozialsystemen, zu denen neben der AHV insbesondere auch die Gesundheit und die Pflege zählt.
Von drei Optionen kann nur eine den Wohlstand erhalten
Bevor wir über eine 13. AHV-Rente nachdenken, sollten deshalb zuerst die Finanzierung der bestehenden AHV-Rentenversprechen gesichert und die Finanzierungslücken geschlossen werden.
Dafür gibt es drei Möglichkeiten:
- Der Wohlstand der jungen Generationen wird gesenkt durch die Erhöhung bestehender Steuern, Abgaben, Beiträge oder die Einführung neuer Steuern oder Abgaben.
- Der Wohlstand der Rentnerinnen und Rentner wird gesenkt durch Rentenkürzungen.
- Der Wohlstand aller Generationen bleibt erhalten durch eine leicht verlängerte Erwerbsdauer.
Die dritte Option stellt die einzige Möglichkeit dar, den Wohlstand aller Generationen in der Schweiz zu erhalten. Schon eine langsame und moderate Anhebung des Rentenalters durch eine Anknüpfung an die Lebenserwartung, wie sie in der «Renteninitiative» der Jungfreisinnigen vorgeschlagen wird, würde die AHV langfristig vollständig finanzieren. Zwar würden nach Schätzungen des BSV in den 2030er-Jahren aufgrund der Verrentung der Babyboomer zeitweise Umlagedefizite verzeichnet, spätere Überschüsse würden diese aber kompensieren. Langfristig entstünde sogar ein leichter Überschuss in der AHV, der für gewisse soziale Kompensationen im Sinne eines früheren Rentenalters für ausgewählte Gruppen mit grosser körperlicher Belastung wie zum Beispiel Mitarbeitende aus der Baubranche genutzt werden könnte.
Für die Babyboomer würde die Annahme der Renteninitiative eine Verlängerung des Erwerbslebens um einige Monate bedeuten. Eine heute fünfzigjährige Person der Generation X müsste voraussichtlich etwa 15 Monate länger arbeiten. Angesichts der schon um mehr als zehn Jahre längeren Rentenbezugszeit, die wir im Vergleich zu unseren Grosseltern geniessen werden, scheint dies ein fairer Beitrag. Im Gegenzug wüssten wir, dass unsere AHV-Renten langfristig gesichert sind.
13. AHV-Rente löst keine Probleme
Im Gegensatz zur Renteninitiative steht die Idee einer 13. AHV-Rente völlig quer im Raum, auch wenn ein Rentenausbau auf den ersten Blick verlockend erscheinen mag. In Kenntnis des heutigen relativen höheren Wohlstands und der tieferen Armutsquoten der älteren Generationen sowie im Wissen der gegebenen Finanzierungslücken der AHV in den kommenden Jahrzehnten ist die Einführung einer 13. AHV-Rente mit der Giesskanne klar abzulehnen.
Die Initiative löst kein einziges Problem in der AHV. Zum Beispiel erhöht sie die AHV-Maximalrenten um mehr als die AHV-Minimalrenten. Die 73 Prozent der Rentnerinnen und Rentner, die heute schon zufrieden oder sehr zufrieden mit ihren Renten sind – unter ihnen auch die Mehrheit der Schweizer Millionäre – würden meist einen höheren Zuschlag erhalten als die alleinstehende Mutter im Rentenalter.
Die jährlichen Kosten der 13. AHV-Rente lägen zu Beginn bei etwa 4,1 Milliarden Franken pro Jahr. Dabei steigen die Kosten der 13. AHV-Rente wegen der Alterung der Bevölkerung noch weiter an. Das projizierte jährliche AHV-Umlagedefizit im Jahr 2032 würde rund 7 Milliarden Franken betragen und bis 2050 je nach Szenario auf 14 bis 18 Milliarden Franken anwachsen. Das wären bis zu eineinhalb Gotthardbasistunnel pro Jahr an fehlender Finanzierung oder zusätzliche 2,7 bis 4,1 Mehrwertsteuerprozentpunkte – mit erheblichen Auswirkungen auf den Lebensstandard der Erwerbsbevölkerung und mit einer Schwächung des Wirtschaftswachstums.
Eine 13. AHV-Rente entzieht der Erwerbsbevölkerung also Kaufkraft und senkt ihren Lebensstandard deutlich. Die Initiative ist sowohl innerhalb der Rentnergeneration als auch gegenüber den jungen Generationen, die die Zusatzlast tragen, ungerecht.
Bleibt die Schweiz für Unternehmen und junge Menschen attraktiv, oder wird sie zur Gerontokratie?
Die Schweiz hat eine lange Tradition, populistische Initiativen, die den Wohlstand der Schweiz gefährden, als solche zu erkennen und abzulehnen, wie beispielsweise die Initiative «6 Wochen Ferien für alle» im Jahr 2012. Doch der Wandel in der Bevölkerungsstruktur wirft Fragen auf – heute sind etwa 70 Prozent der Abstimmenden über fünfzig Jahre alt. Stimmen diese bei Fragen der Umverteilung zwischen den Generationen gemäss ihrem Eigeninteresse, so riskiert die direkte Demokratie, für die jungen Menschen der Schweiz zur Diktatur zu werden. Zur Erhaltung der Generationengerechtigkeit ist die 13. AHV-Rente abzulehnen. Wollen wir zudem die Renten für alle Jahrgänge – ob Jung oder Alt – sichern und den Wohlstand aller Generationen erhalten, so müssen wir die Renteninitiative der Jungfreisinnigen dringend annehmen. Nie zuvor hatten die mittleren und älteren Generationen an der Urne eine grössere Verantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die Zukunft der Schweiz als bei diesen Abstimmungen vom 3. März 2024.
2 Kommentare
Herr Domino,da gebe ich Ihnen völlig recht.
Auch wir haben Abends Samstag und Sonntags gearbeitet um die Wohnung zu erwerben und dann sitzt man im Alter in dieser Falle.Ein 13. wäre eine gute Sache.
Da muss ich Herrn Stückelberger widersprechen: Er sollte grundsätzlich wissen, dass es sehr viele Rentner mit Eigenheim und Bankenhypothek gibt, die mit kleinerem Einkommen ihr ganzes Leben eingeschränkt gelebt haben und jetzt in der Altersarmutsfalle sitzen. Sie erhalten auf Grund der fiktiven Vermögensaufrechnung keine Ergänzungsleistungen und sind dann gezwungen ihr Haus zu verkaufen Mein Beispiel: Elternhaus übernommen, Geschwister ausbezahlt, Hypothek auf Grund von Renovationen erhöht, war gemischt selbständig und Arbeitnehmer, nun knappe 2'000.- AHV, keine BVG und keine Chance auf eine EL. Eine Verbilligung an Krankenkassenprämien gibt es auch nicht, da sämtliche Investitionen am Haus als Einkommen aufgerechnet werden. Eine 13. würde mir sehr helfen.