Auch wenn das Grundkonzept der Exchange Traded Funds (ETFs) – einfache, transparente Vorgehensweise, günstige Kostenstruktur, diversifizierte Index-Anlage auf der Höhe der Benchmarks – unverändert geblieben ist: Hinter den Kulissen, bei den Assetmanagern, hat sich in den mehr als dreissig Jahren nach dem Auftauchen der ersten ETFs in den USA vieles getan. Natürlich arbeitet man vielerorts weiterhin mit Menschen, aber Computer haben wesentliche Aufgaben übernommen und viele kleine Prozessschritte automatisiert. Solche Schritte reichen vom Verfassen der computergenerierten Prospekte über die automatische Anpassung der Zusammensetzung der Produkte bis hin zum Risk-Management.
Kleine Spannen, grosser Wettbewerb
Denn die Eigenschaften der ETFs, die man beispielsweise bei State Street Global Advisors mit hoher Liquidität, Diversifikationswirkung und wirtschaftlich sicherem Sponsor umschreibt, müssen organisatorisch hergestellt werden: So arbeitet man bei der Schaffung eines neuen ETFs auf einen Index oder einen Branchensubindex mit sogenannten Creation Units mit Brokern zusammen. Diese Units bestehen aus 25’000 bis 600’000 neuen Aktien. Finanzdienstleister können hier entweder Bargeld oder Aktien, die man für den ETF benötigt, einliefern, bis die jeweiligen Bestandteile ausreichend repräsentiert werden. Wenn alles beisammen ist, wird dann der sogenannte Creation Basket an den Fonds geliefert – und der Verkauf beziehungsweise der möglichst indexnahe Handel kann beginnen. Wie nahe diese ETFs an ihren Basiswerten liegen, wird jeweils durch eine Vielzahl von Broker- und Traderplattformen mitverfolgt und ständig ausgewiesen. Bis Mitte Oktober beispielsweise hatten die drei grössten ETFs auf den S&P 500, der SPDR S&P 500 SPY von State Street Global Advisors, das vergleichbare Produkt VOO von Vanguard und iShares Core von Blackrock (Ticker IVV) auf die Kommastelle mit plus 21,5 Prozent im laufenden Jahr gleich entwickelt.
Darüber hinaus haben die Sponsoren weitere Wege entwickelt, wie sie Geld verdienen können – und müssen, denn in den USA ist mit Standard-ETFs auf die grossen Indizes kein Geld mehr zu verdienen. Auch in einigen europäischen Ländern gibt es «Zero-Cost»-Produkte, die vor allem bei Neobanken beliebt sind, um ihren meist jüngeren Kontoinhabern und -inhaberinnen die ersten Schritte in die Anlagewelt zu erleichtern und schmackhaft zu machen. Verbreitet ist das Securities Lending als zusätzliche Einnahmequelle der Sponsoren.
Eine weitere Einnahmequelle sind die Spreads zwischen Kauf- und Verkaufspreisen, die sind aber gerade bei den grossen Standard-ETFs auf winzig kleine 0,01 Dollar im Durchschnitt geschrumpft. Beim berühmten SPY-ETF auf den S&P-500-Index lag beispielsweise der durchschnittliche Spread während der vergangenen dreissig Tage gemäss dem Datenprovider ETF Central zwischen 0,003 und 0,02 Cents.
Gebühren, Kosten und Einnahmen preisen die Sponsoren in die täglichen Kurse ein. Für die anfallenden Managementgebühren gilt das Gleiche: Sie werden nicht etwa an einem besonderen Stichtag abgezogen. Auch hierzu werden die Expense Ratios der einzelnen ETFs von grossen Brokern und Plattformen ständig ausgeführt. Sie liegen bei den drei oben erwähnten Standard-ETFs auf den S&P-500-Index bei 0,03 bis 0,09 Prozent. Die günstigsten Index-Fonds wie beispielsweise der SWPPX des US-Brokers Schwab kommen auf ähnlich günstige Werte. Solide Index-Fonds weisen aber oft ein Mehrfaches aus – es geht typischerweise bei 0,2 Prozent los.
ETFs werden aktiv – und konkurrieren Fonds
Diese niedrigen Kosten sind nicht nur für Kleinanlegende, sondern auch für institutionelle Investoren, beispielsweise Pensionskassen, ein wichtiges Argument. Gemäss einer Umfrage von State Street unter solchen institutionellen Investoren nutzen in der Schweiz 16 Prozent von ihnen ETFs als «Heavy User», weitere 51 Prozent als «regelmässige Käufer». Die schweizerischen institutionellen Investoren liegen mit diesem Profil ähnlich wie die aus den USA. Noch ETF-lastiger agieren die Investoren in Japan und in Australien. Etwas zurückhaltender ist man dagegen in Schweden. Überall nutzen institutionelle Investoren ETFs als zunehmend wichtigere Bausteine ihrer Portfolios: Wenn sich mit einem einzigen hoch liquiden Produkt ein komplexer Markt wie die USA mit 500 Aktien im S&P 500 abbilden lassen kann: wozu die 500 Aktien kaufen, bewirtschaften und die Bestände immer wieder anpassen?
Fragt man nach den Treibern des gegenwärtigen und zukünftigen Wachstums, widerspiegeln die Antworten der Investoren die Innovationsdynamik der ETF-Sponsoren beziehungsweise ETF-Hersteller: Die ständig wachsende Anzahl aktiver ETFs ist das wichtigste Argument, wie sich der State-Street-Umfrage entnehmen lässt, bei der auch Investoren aus der Schweiz befragt worden waren. Hinzu kommt hier auch die Möglichkeit, in aktuelle Themen wie künstliche Intelligenz gezielt investieren zu können. Weitere wichtige Punkte sind die immer mehr aufkommenden ETFs, die Dividenden auszahlen, die in Obligationen investieren und die alternative Anlegerthemen abdecken. Hierzu gehören Rohstoffe, Immobilien und, seit Anfang dieses Jahres, auch digitale Assets wie Bitcoin und weitere Token.
Sehr dynamisch ist gemäss der Umfrage derzeit der Zufluss bei den aktiven ETFs. Sie machen damit den aktiven Fonds zunehmend die Investorengelder streitig. Auch hier steht man laut der Umfrage erst am Anfang: «Die aktiven ETFs werden einen grösseren Anteil am Kuchen holen», heisst es in den Prognosen, und «die Umwandlung der Fonds wird zunehmen».
Im Gegensatz zu den Vorhersagen von Aktienkursen oder Börsenindizes stehen diese Prognosen auf einem viel stabileren Grund.
1 Kommentar
Chapeau! Sehr guter Beitrag! Und ja, seit über 1 Jahr habe ich die als Kapital bezogene PK für monatliches "Income" zum Teil in aktiven ETF mit überlagertem Optionshandel angelegt, z.B. in SPYI (Covered Calls auf den S&P 500), QQQI (CC auf den Nasdaq-100), SVOL (Puts/call auf den VIX bzw. S&P 500 Futures)... Die ETF schütten monatlich aus und decken einen Teil meiner monatlichen Fixkosten (trotz 15% US Quellensteuer, 15 % CH Steuerrückbehalt (anrechenbar bei der Steuererklärung) und Wechselkurs USD > CHF von ca. 0,86).