Die Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) haben Ende Juli ihre Leitzinsen um weitere 25 Basispunkte angehoben. Die Bank of England folgte Anfang August ebenfalls mit einer Anhebung um 25 Basispunkte. Wird es bei diesen Höchstständen bleiben?
Weder die Fed noch die EZB haben definitiv erklärt, dass ihre Arbeit erledigt ist. Ihre jeweiligen Mitteilungen machten deutlich, dass sie nun auf die eingehenden Daten angewiesen sind. Ich vermute, dass sich die Aufmerksamkeit der Notenbanken auf vier Bereiche konzentrieren wird: Kreditnachfrage und -angebot, Werte des Einkaufsmanagerindex, Beschäftigung und Inflation. Jeder einzelne dieser Bereiche erfasst eine andere Phase der Transmission der Geldpolitik.
Die zukunftsweisendsten Daten stammen von den grossen Banken, die über veränderte Muster bei Kreditangebot und -nachfrage berichten. Höhere Zinsen halten sicherlich sowohl Haushalte als auch Unternehmen davon ab, zusätzliche Kredite aufzunehmen, was sowohl die Verbraucher- als auch die Unternehmensausgaben in den kommenden Monaten wahrscheinlich weiter bremsen dürfte.
Demgegenüber sind die Einkaufsmanagerindex-Umfragen das beste Barometer für die aktuelle Aktivität. In dieser Hinsicht ist das verarbeitende Gewerbe in allen Regionen seit einiger Zeit sehr schwach, was höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher während der Pandemie mehr für Waren als für Dienstleistungen ausgegeben haben und die verarbeitenden Unternehmen an vorderster Front des Rohstoffpreisdrucks standen. Zwischenzeitlich wurde die Schwäche im verarbeitenden Gewerbe von einer ausserordentlichen Stärke im Dienstleistungssektor ausgeglichen, da die Konsumierenden wieder mehr auf Erlebnisse, die in der Pandemie zu kurz gekommen waren, anstatt auf Waren gesetzt haben.
Warum die Arbeitslosigkeit gering ist
Doch mittlerweile hat auch der Dienstleistungssektor wieder an Schwung verloren. Innerhalb der Einkaufsmanagerindizes sollte man auch die Preisniveaus im Auge behalten. Die schwächere Nachfrage verringert die Absichten der Unternehmen, die Preise zu erhöhen. Gleichwohl sind wir immer noch nicht auf dem Preisniveau, das vor der Pandemie erreicht wurde.
Daneben werden auch die Beschäftigungszahlen wichtig sein. Im Hinblick auf einen tatsächlich nachlassenden Inflationsdruck benötigen die Zentralbanken eine Bestätigung, dass das Lohnwachstum zurückgeht. Bisher sind die Beschäftigungszahlen in allen Regionen bemerkenswert gut geblieben, selbst im verarbeitenden Gewerbe, wo die Aktivität schwach war.
Offenbar entscheiden sich Unternehmen dafür, Arbeitskräfte zu halten, was angesichts der Schwierigkeiten, mit denen sie nach der Pandemie bei der Personalbeschaffung konfrontiert waren, vielleicht nicht überrascht. Die Arbeitslosigkeit liegt in den meisten Regionen immer noch in der Nähe von Rekordtiefs, und das Lohnwachstum hat zwar seinen Höhepunkt erreicht, bewegt sich aber immer noch auf einem Niveau, das angesichts der schwachen Produktivität mit einem Inflationsziel von 2 Prozent nicht vereinbar zu sein scheint.
Arbeitsmarkt im Fokus
Wenn es irgendetwas gibt, das die Zentralbanken zu einer restriktiven Haltung verleitet, dann wird es wahrscheinlich der Arbeitsmarkt sein. Schliesslich werden auch die Inflationszahlen weiterhin von entscheidender Bedeutung sein. Ökonomen und Ökonominnen könnten argumentieren, dass es ein Fehler sei, die aktuelle Inflation (oder auch die Beschäftigung) so zu betrachten, als würde man beim Autofahren in den Rückspiegel schauen. Dies gilt jedoch nicht in Zeiten hoher und anhaltender Inflation, da sie das Risiko birgt, die weiteren Inflationserwartungen zu verzerren.
Anders ausgedrückt: Haushalte und Unternehmen stellen sich zunehmend auf die hohe Inflation ein, betrachten sie als neue Normalität und gewöhnen sich an anhaltende Preissteigerungen. In den USA ist die Inflation bereits auf ein weniger besorgniserregendes Niveau gesunken, was grösstenteils auf die Basiseffekte der Energiepreise zurückzuführen ist.
In Europa und Grossbritannien haben diese Basiseffekte noch keine nennenswerten Auswirkungen. Dies ist besonders wichtig, um zu verstehen, warum die Inflation gerade in Grossbritannien immer noch so hoch ist. Der Energiebeitrag zur Inflation beträgt derzeit minus 1,6 Prozentpunkte in den USA, minus 0,6 Prozentpunkte in der Euro-Zone und plus 0,2 Prozentpunkte in Grossbritannien. Basiseffekte werden dazu beitragen, die Inflation in Europa weiter zu senken, sodass die Zentralbanken darlegen können, dass sie ihren Kampf gegen die Inflation gewinnen.
Fed dürfte Zinsen nicht weiter anheben
Was bedeutet das für uns? Wir vermuten, dass die Fed mit dem aktuellen Zielzinssatz von 5,25 bis 5,50 Prozent die Zinsen nicht weiter anheben wird. Wir gehen davon aus, dass die EZB noch etwas mehr Überzeugungsarbeit leisten muss und sehen den Einlagensatz daher im September bei 4 Prozent.
Grossbritannien ist am schwierigsten einzuschätzen, da sich die Bank of England der akuten Belastung, die höhere Zinssätze für bestimmte Hypothekeninhaber bedeutet, bewusst ist. Gleichzeitig kann die Bank of England aber auch ein anhaltend starkes Lohnwachstum beobachten. Wir gehen davon aus, dass der britische Leitzins im Oktober seinen Höchststand von 5,5 Prozent erreichen wird. Diese Erwartung stimmt im Grossen und Ganzen mit den aktuellen Marktpreisen für die Spitzenzinsen überein, auch wenn sie etwas niedriger sind als in Grossbritannien. Ich bin allerdings nicht davon überzeugt, dass die Zentralbanken schnell zu Zinssenkungen in dem vom Markt erwarteten Umfang übergehen werden.