Die Entwicklung scheint eigentlich positiv zu sein: Immer mehr Menschen erreichen ein hohes Alter. Laut den Vereinten Nationen übertrifft die globale Lebenserwartung eines Babys, das 2021 geboren wurde, die eines Neugeborenen von 1950 um fast 25 Jahre. Auch die gesunde Lebensspanne, die sogenannte Health Span, nimmt kontinuierlich zu.

Die Schweiz steht auf dem Podest

In der Schweiz werden neue Rekorde punkto Langlebigkeit erreicht – nur in drei asiatischen Ländern ist die Lebenserwartung noch höher. Nicht nur das durchschnittlich zu erwartende Lebensalter steigt, sondern vor allem auch die Wahrscheinlichkeit, wirklich ein hohes Alter zu erreichen.

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Die Studienautorinnen:

Tatiana Agnesens: Dozentin für Finanzmathematik am IFZ der Hochschule Luzern (HSLU) und Expertin zum Thema Digitales Anlegen und Vorsorgen

Anina Hille: Professorin für Ökonomie und Finance am IFZ der Hochschule Luzern (HSLU) und Expertin zum Thema Altersdiversität

 

Das bedeutet: Im Vergleich zu früheren Generationen kann der Ruhestand heute etwa einen Drittel des Erwachsenenlebens ausmachen. Und interessanterweise fühlen sich die meisten Erwachsenen, insbesondere die über Fünfzigjährigen, jünger als ihr biologisches Alter, wie kürzlich das «Generationenbarometer» der Hochschule Luzern (Generationenmanagement-Studie 2023) zeigte.

 

Das lange Leben finanzieren

Dieses längere Leben bringt jedoch auch finanzielle Herausforderungen mit sich: Es gilt, das längere Leben zu finanzieren. Finanzinstitute stehen vor der Frage, wie sie diese Veränderungen nutzen können, um ihre Dienstleistungen optimal anzupassen und den Bedürfnissen einer wachsenden älteren und langlebigen Kundschaft gerecht zu werden.

Bald sind ein Viertel der Bevölkerung Senioren

Während Personen über 65 Jahre in der Schweiz im Jahr 1990 einen Bevölkerungsanteil von 14,6 Prozent ausmachten, waren es 2020 bereits knapp 19 Prozent und sollen laut verschiedenen Szenarien bis 2040 zwischen 24 und 25 Prozent erreichen. Daher ist es für Finanzinstitute von entscheidender Bedeutung, ein tiefgreifendes Verständnis für alters- und lebensphasenspezifische Kundenpräferenzen aufzubauen.

Ein solches Verständnis ist auch für den bevorstehenden Vermögenstransfer von zentraler Bedeutung. Beratungsunternehmen schätzen, dass in der Schweiz bis 2030 jährlich Vermögen von über 20 Milliarden Dollar von der älteren Generation an die Nachfolgegeneration übertragen werden soll. Um die Kundschaft nicht an die Konkurrenz zu verlieren, müssen Finanzinstitute auch die Nachfolgegeneration bestmöglich bedienen, basierend auf deren Wünschen und Präferenzen. 

In diesem Artikel präsentieren wir Ihnen aktuelle Erkenntnisse zu altersspezifischen Präferenzen, basierend auf verschiedenen, von uns durchgeführten Studien. Grundlage dieser Studien sind repräsentative Umfragen in der Schweizer Bevölkerung zum Thema Anlegen. Dabei wird zwischen den folgenden fünf Alterskategorien unterschieden: Generation Z (geboren zwischen 1997 und 2012), Generation Y (geboren zwischen 1981 und 1996), Generation X (geboren zwischen 1965 und 1980), Babyboomers bis zum Erreichen des Rentenalters (geboren zwischen 1958 bis 1964) und Babyboomers nach Erreichen des Rentenalters sowie ältere Personen (geboren 1957 oder früher).

Anlageverhalten

Zunächst betrachten wir die Unterschiede im Anlageverhalten älterer und jüngerer Investorinnen, einschliesslich ihrer Anlageziele, Risikobereitschaft, Vorlieben für Anlageprodukte und Einstellung zum Thema Beratung. Als Investorinnen definieren wir jene Personen, die bereits in Wertschriften investiert haben. Gemäss den Studien nimmt der Anteil an Investorinnen in der Schweizer Bevölkerung mit höherer Bildung, steigendem Einkommen und Finanzvermögen sowie mit steigendem Alter zu.

Junge investieren anders

In Bezug auf die Anlageziele zeigen die Studien deutliche Unterschiede zwischen den jüngeren und älteren Generationen von Investoren auf. Während jüngere Investoren hauptsächlich darauf abzielen, Vermögen aufzubauen, liegt der Fokus älterer Anlegenden primär darauf, ihr bereits angespartes Vermögen zu erhalten.

Interessanterweise liegt die Bedeutung des Vermögenserhalts (Schutz gegen Inflation) für jüngere Anlegerinnen nur knapp über Spass und Spekulation. Dennoch steht das Sparen für den Ruhestand als zweitwichtigstes Ziel für alle Generationen von Investoren und Investorinnen im Vordergrund.

Aktien werden von allen bevorzugt

Des Weiteren zeigen unsere Studien, dass Schweizer Investoren ein ausgewogenes bis konservatives Risikoprofil aufweisen, und zwar unabhängig von ihrem Alter. Allerdings weisen die Jüngeren den höchsten Anteil an risikoaffinen Investorinnen auf. Trotz dieser Unterschiede rangieren Aktien als bevorzugte Anlageklasse bei Investorinnen aller Altersgruppen. Allerdings investieren jüngere Anleger weniger in traditionelle Anlageklassen wie Anleihen und strukturierte Produkte im Vergleich zu älteren Anlegern und zeigen eine grössere Offenheit für nicht traditionelle Investitionen wie beispielsweise Kryptowährungen.

Oft reden Partnerinnen und Partner mit

Interessanterweise schätzen Schweizer Investoren und Investorinnen in jedem Alter ihre Fähigkeit, Anlageentscheidungen eigenständig zu treffen, eher unterdurchschnittlich ein. Alle Generationen, ausser der Generation Z, ziehen bei ihren Anlageentscheidungen in erster Linie ihre Ehepartner heran, gefolgt von Finanzberaterinnen. Jüngere Investoren beziehen oft auch Personen aus ihrem persönlichen Umfeld wie Eltern und Freunde in ihre Anlageentscheidungen mit ein. Zudem nutzen Jüngere eher Online-Ressourcen für Anlageinformationen im Vergleich zu Älteren.

Digitales Anlegen

Mit der fortschreitenden Digitalisierung im Anlagegeschäft wird es zunehmend wichtig, die Unterschiede zwischen den Generationen hinsichtlich ihrer Einstellungen zum digitalen Anlegen zu verstehen. Dabei definieren wir digitales Anlegen wie folgt: Es handelt sich um Lösungen, die entweder in einer separaten App oder im E-Banking selbst abgeschlossen werden können und bei denen das Vermögen digital verwaltet wird.

Für digitale Anlage- und Vorsorgelösungen füllen die Nutzenden Fragen zur Beurteilung ihrer persönlichen Risikobereitschaft aus oder wählen selbstständig eine auf sie passende Risikoklasse aus. Basierend darauf wird den Nutzenden vom Tool automatisch die für sie optimale Anlagestrategie vorgeschlagen. Diese wird, je nach Typ des digitalen Tools, von einem Algorithmus oder einem erfahrenen Anlageexperten über die Zeit verwaltet.

Grosses Interesse an digitalen Geldanlagen

Gemäss unseren Studien hat die Vertrautheit mit digitalen Anlagelösungen in der Schweizer Bevölkerung in den letzten Jahren zwar zugenommen, ist aber weiterhin begrenzt.

Die jüngeren Generationen sind etwas besser über solche Lösungen informiert als die älteren Generationen. Dennoch besteht sowohl bei den Jüngeren als auch bei den Älteren Interesse an digitalen Geldanlagen, wobei die jüngeren Generationen eine höhere Bereitschaft zur Nutzung zeigen. 

Die wichtigsten Anforderungen bei der Auswahl einer digitalen Anlagelösung umfassen Transparenz der Kosten, Zugang über E-Banking, Transparenz der Anlagen im Portfolio, Preis und Reputation des Anbieters. Dabei nimmt die Bedeutung des Preises und der Transparenz der Kosten mit zunehmendem Alter ab, während die Wichtigkeit der Transparenz der Anlagen im Portfolio mit zunehmendem Alter steigt.

Interessant ist auch, dass der Zugang über E-Banking mit dem Alter an Bedeutung gewinnt, während der Zugang über eine App eher abnimmt. Für die Jüngeren gehört der Zugang via App sogar in die Top fünf der Kriterien. 

Viele wollen nachhaltig investieren

Obwohl die Prioritäten bei der Auswahl einer digitalen Anlagelösung zwischen den Generationen variieren, sind die inhaltlichen Anforderungen an eine solche Lösung im Wesentlichen ähnlich: Für alle Generationen gehören die Möglichkeit, nachhaltig zu investieren, ein breites Investmentuniversum sowie die Möglichkeit, themenbasiert zu investieren, zu den wichtigsten Aspekten. Ebenso ist Personalisierung für Jüngere und für Ältere ein bedeutender Faktor.

Darüber hinaus zählt das Anlegen durch die Kombination von Anlageexpertinnen und Algorithmen – unabhängig vom Alter – zu den entscheidenden Merkmalen einer digitalen Lösung, was den Bedarf nach Beratungsunterstützung verdeutlicht. Die Relevanz einer persönlichen Beratung, einer Beratung durch die eigene Bank, einer Beratung vor Ort und einer wiederkehrenden Beratung nimmt dabei mit dem Alter zu.

Fazit

Das längere Leben und die steigende Lebenserwartung verändern das Bild des Wealth Managements grundlegend. Mit einer älteren und langlebigen Kundschaft stehen Finanzinstitute vor der Herausforderung, ihre Dienstleistungen entsprechend anzupassen.

Eine tiefgreifende Kenntnis der altersspezifischen Kundenpräferenzen ist dabei von entscheidender Bedeutung. Zudem müssen Finanzinstitute den bevorstehenden Vermögenstransfer von der älteren Generation an die Nachfolgegeneration im Blick behalten und die Bedürfnisse beider Generationen berücksichtigen. Dies erfordert eine flexible Anpassung der Angebote sowie hochwertige Beratungsdienstleistungen, die sowohl persönliche als auch digitale Elemente einschliessen.

Die digitale Transformation im Anlagegeschäft spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Es ist entscheidend, die Unterschiede zwischen den Generationen in Bezug auf ihre Einstellungen zum digitalen Anlegen zu verstehen und entsprechende Lösungen anzubieten. 

Tagesseminar

Für Interessierte:  Am 18. Juni führt das IFZ gemeinsam mit dem WDA ein vertiefendes Tagesseminar zur Bedeutung und praktischen Umsetzung von Langlebigkeit für Finanzinstitute durch – mit renommierten nationalen und internationalen Expertinnen und Experten.

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Karin Bosshard, Chefredaktorin von HZ Banking, und ihr Bankenexpertenteam liefern Ihnen die Hintergründe zu Themen, welche die Schweizer Bankenszene bewegen. Jeden Tag (werktäglich) in Ihrem E-Mail-Postfach. Jetzt anmelden!
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