Als die Welt die Pandemie hinter sich liess, befürchteten viele Expertinnen und Experten, dass höhere Zinssätze den privaten Sektor lähmen würden. Diese Bedenken waren grösstenteils unbegründet. Die privaten Haushalte leihen sich weniger Geld, und trotz gewissen Schwächen im Unternehmenssektor ist die Gesamtverschuldung der Unternehmen gesunken. Stattdessen trug der öffentliche Sektor die Hauptlast der finanziellen Belastung nach der Pandemie.
In den Industrieländern hat sich die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung verschlechtert. Erstens haben umfangreiche Konjunkturpakete seit 2020 die Staatsverschuldung deutlich erhöht, und in den Industriestaaten bewegt sie sich im Verhältnis zum BIP nahe an den Rekordhochs. Zweitens ist die öffentliche Kreditaufnahme nach wie vor hoch. Und drittens sind die Zinssätze rasant gestiegen, was die Kosten für die Bedienung der Schulden weiter in die Höhe getrieben hat.
Die USA ragen heraus
Trotz der sich verstärkenden Schuldendynamik sollte die Verschuldung in den meisten Industrieländern insgesamt tragfähig sein, sofern die Haushaltspolitik gestrafft wird. Der Ausreisser sind die USA. Dort erscheint die Entwicklung auf den ersten Blick besorgniserregend. Der Schuldenstand ist im Verhältnis zum BIP mit vielen anderen Industrieländern vergleichbar, aber das Haushaltsdefizit ist viel grösser. Vor allem aber scheint es nur eine geringe Bereitschaft zu geben, die Haushaltspolitik zu straffen, unabhängig davon, wer im November die Wahlen gewinnt.
Ein genauerer Blick auf die Haushaltslage ergibt jedoch ein weniger düsteres Bild. Im Verhältnis zum Nettonationalvermögen ist die Staatsverschuldung tatsächlich gesunken. Darüber hinaus unterliegen die USA weniger verbindlichen Haushaltsbeschränkungen als andere Länder. Als Anbieter der globalen Reservewährung und vermeintlich sicherer Vermögenswerte erfreuen sich die USA einer höheren Nachfrage nach ihren Verbindlichkeiten als andere Länder. Darüber hinaus ist die Steuerlast – rund 30 Prozent des BIP – niedrig. Dies bedeutet, dass die USA wahrscheinlich nicht an Obergrenzen der Besteuerung stossen werden. Aus diesem Grund dürften Anlegende den USA hinsichtlich ihrer Haushaltspolitik mehr Glaubwürdigkeit zusprechen als anderen Ländern.
Peder Beck-Friis ist Ökonom und Richard Clarida Global Economic Advisor bei Pimco.
Entwicklung der US-Schulden
Insgesamt dürfte von diesem Status quo auszugehen sein: Das Defizit ist nach wie vor hoch, die Schulden steigen weiter, und die Nachfrage nach US-Staatsanleihen bleibt robust. Die Laufzeitprämie könnte leicht steigen. Doch auch der Makrozyklus spielt eine Rolle: Dass die US-Notenbank bald mit der Senkung der Zinsen beginnen wird, wahrscheinlich noch in diesem Monat, ist zu erwarten. Bleiben die neutralen Zinssätze niedrig, könnte dies die Haushaltsaussichten in den USA möglicherweise bis zu einem gewissen Grad verbessern, selbst bei leicht höheren Laufzeitprämien.
Allerdings können die Schulden nicht unendlich steigen, und irgendwann wird wohl eine Anpassung der Politik oder der Preise nötig sein. Die wahrscheinlichste langfristige Lösung ist eine Form der Schuldenkonsolidierung durch Reformen der Sozialausgaben oder höhere Steuern. Dies erscheint derzeit zwar unwahrscheinlich, doch die Einstellung dazu könnte sich mit der Zeit ändern. Auf frühere Episoden, in denen die Zinszahlungen der Staaten ähnliche Höhen erreichten, folgte eine Haushaltskonsolidierung: nach dem Zweiten Weltkrieg, unter Reagan in den späten 1980er-Jahren und unter Clinton in den 1990er-Jahren.
Konsequenzen für Investierende
Da die Finanzmärkte empfindlicher auf fiskalische und politische Schocks reagieren, ist künftig mit grösserer Volatilität zu rechnen. Ein eingeschränkter haushaltspolitischer Spielraum wird bei künftigen Konjunkturabschwüngen tendenziell nur zu kleineren haushaltspolitischen Eingriffen führen. In Verbindung mit einer geringen Bereitschaft zur quantitativen Lockerung dürfte es in den kommenden Jahren weniger volatilitätsmindernde Massnahmen geben. Es könnte zwar zu einem allmählichen Anstieg der Laufzeitprämie kommen, doch wäre dies kein Anzeichen für ein nachlassendes Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der US-Regierung.
Die Zinssätze in den entwickelten Märkten dürften langfristig sinken. Doch angesichts höherer Haushaltsdefizite dürfte die Zinsstrukturkurve steiler werden, und die Zinsen für kurzfristige Kredite könnten stärker sinken als die Zinsen für langfristige.
Aufgrund der unterschiedlichen Haushaltsdynamik in den einzelnen Ländern können sich Relative-Value-Chancen ergeben. Es ist anzunehmen, dass die Rentenmärkte im Vergleich zu anderen Anlageklassen wettbewerbsfähige Renditen und ein geringeres Risiko bieten werden. Auf dem aktuellen Niveau und angesichts unseres Basisszenarios ist eine Diversifizierung des Anleihenportfolios über die US-Duration hinaus sinnvoll.