Account-to-Account-Zahlungen via Smartphone werden schon bald unsere Zahlungsweise radikal verändern. Zahlungsterminals stehen nicht überall. Und so hat Twint bei Hoflädeli und andernorts eine fruchtbare Nische besetzt. Doch nun entwickelt das Technologieunternehmen Visa neue Lösungen, um Konsumentinnen und Konsumenten in die Lage zu versetzen, überall sicher zahlen zu können – selbst bei Kleinbeträgen. Den bekannten Bezahlkarten und auch Twint erwächst schon bald harte Konkurrenz.
Pralles Portmonnaie
Ein pralles Portemonnaie voller Zahlkarten prangt auf dem Bild vor den Zuhörerinnen und Zuhörern am Swiss Payment Forum. «Die meisten von uns haben eine ganze Reihe von Bezahlkarten im Portemonnaie, hinzu kommen Loyalty-Karten», weiss Santosh Ritter, CEO Visa Schweiz. «Diese Karten haben alle einen Zweck.»
Eine Debitkarte ist verbunden mit dem Bankkonto, eine Kreditkarte mit dem Kreditkartenkonto. Nun wagt das Technologieunternehmen Visa einen Schritt: Komplett unterschiedliche Konfigurationen sollen die Payment-Welt vereinfachen und noch sicherer machen.
Mit Visa Flexible Credential glaubt Santosh Ritter einen Gamechanger zu lancieren: «Vielleicht werden wir in fünf Jahren nur noch so bezahlen.»
Entkoppelt, vereinfacht, flexibilisiert
«Wir haben die Authentifikation, die Zahlungsinititation und die Art und Weise, wie die Transaktion effektiv bezahlt wird, komplett voneinander entkoppelt», eröffnet Ritter den Gästen. User können per Kartenmanagement-App ein «Credential» – eine Art virtuelle Karte – mit verschiedenen Konten verknüpfen und zum Beispiel vorkonfigurieren, bei welchem Betrag ihre Debit-, Kredit- oder gar Loyaltykarte effektiv verwendet werden soll. «Und das ist wirklich eine Revolution.» Zu Details will Ritter noch nicht viel sagen.
Terminal ade, hello Smartphone
Der Visa-Countrymanager für die Schweiz und Liechtenstein sieht den Anspruch seiner Firma – immer der beste Weg zu sein, wie man bezahlt und wie man bezahlt wird – noch nicht immer eingelöst. Denn: Überall, wo es kein Zahlterminal gibt, gibt es de facto heute auch keine Visa-Zahlungen. «Und das wollen wir ändern», betont Ritter.
Gerade bei Kleinbeträgen in einem Beizli oder wenn man ein kleines Trinkgeld geben will, aber gerade nicht genügend Bargeld bei der Hand hat, sind Karten aussen vor. Es lohnt sich schlicht nicht.
Das will Visa ändern. Und wie geht das? Es gibt auf dieser Welt über 6 Milliarden Smartphones. Mit Tap to Phone müssen kleine Händler kein Payment-Terminal mehr kaufen, sondern zücken einfach ihr Handy und laden eine App ihres Zahlungsdienstleisters herunter. Anschliessend können sie so Zahlungen akzeptieren. Zudem will Visa in Zukunft auch Zahlungen über Visa Direct als P2P-Zahlungen (Peer-to-Peer) anbieten.
Besser als Twint?
Ausserdem möchte Visa mit seinem Partnernetzwerk wahrscheinlich schon nächstes Jahr ermöglichen, dass auch Kleinsthändler wie Hoflädeli Zahlungen per Click to Pay akzeptieren können. Santosh Ritter meint, eine solche neue Lösung könne für gewisse Händler sogar besser sein als jene der beliebten App. Denn Kunden scannen einen QR-Code und bekommen auf dem Handy ihr Click-to-Pay-Profil angezeigt, wählen eine ihrer hinterlegten Karten aus, und die Zahlung ist vollzogen.
«Und warum ist so eine Lösung noch besser und sicher?», fragt Ritter in den Saal mit über rund dreihundert Zuhörerinnen und Zuhörern aus der Finanz- und Paymentbranche. «Es erlaubt Kundinnen und Kunden, selbst bei Kleinsthändlern ihr bevorzugtes Zahlungsmittel zu wählen, und jede Transaktion ist tokenisiert, so dass keine Kartendaten übertragen werden.»
Heutzutage überkleben Betrüger teilweise QR-Codes. User glauben, den Bauern des Hoflädelis zu bezahlen. Doch stattdessen landet ihr Geld auf dem Konto eines Betrügers. «Bei Click to Pay müssen grundsätzlich nicht die Kartendaten beim Bezahlen eingegeben werden», betont Santosh Ritter. Das erhöht die Sicherheit.
Account-to-Account kommt bei Visa 2025
In Indien werden heute schon über 85 Prozent aller digitalen Transaktionen in Echtzeit abgewickelt. Real-Time-Payment – oder in der Schweiz sogenannte Instant-Payment-Systeme – haben Vorteile, weil sie extrem schnell sind.
Doch es gibt auch einen Pferdefuss: In Ländern, in denen Instant Payment ein grosses Volumen hat, geht der Betrug durch die Decke. «Und das Geld ist sofort weg. Es gibt keinen Weg, es zurückzuholen. Es gibt in der Regel keine Charge-back-Rechte», stellt Ritter fest.
Nun lanciert das Technologieunternehmen «Visa A2A». «Das kommt in UK bereits Anfang 2025 – es ist ein Account-to-Account basiertes Visa-Zahlungssystem. Dieses Account-to-Account-Netzwerk baut auf der Erfahrung auf, die wir aus 60 Jahren im Kartengeschäft haben. Wir transferieren dieses Know-how in die Account-to-Account-Welt», so Ritter.
In UK kam Visa zu Hilfe
Im Instant-Payment-System Grossbritanniens wurden letztes Jahr 11,5 Milliarden Transaktionen Netzwerk abgewickelt. Allein 2023 mussten 460 Millionen Pfund an Betrugsschäden in diesem Ökosystem festgestellt werden. «Wir wurden dann zu einem Pilotprojekt eingeladen, um dabei zu unterstützen, das Account-to-Account-System besser zu schützen», erzählt Ritter.
Mehr Betrugsfälle gefunden als die Banken
Zum ersten Mal setzt Visa zur Fraud-Detection eine generative künstliche Intelligenz ein, um synthetische Account-to-Account-Datensätze zu erzeugen. «Dann sind wir hingegangen und haben Milliarden von Transaktionen angeschaut und gescort», erzählt Ritter. Das Fantastische: Visa hat mit seinem Produkt «Visa Protect for A2A» 54 Prozent zusätzliche Betrugstransaktionen gefunden – notabene nachdem Banken all diese Transaktionen schon gecheckt hatten.
Wie geht es in der Schweiz weiter?
In der Schweiz ist noch einige Arbeit vom Regulator, der Finanzmarktaufsicht Finma, aber auch von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu erledigen: Visa arbeitet an diesem Projekt – Instant Payment Bridge – mit. «Weil wir sicherstellen wollen, dass gewisse Transaktionen, wie zum Beispiel Visa Direct, P2P-Transaktionen auch wirklich in Echtzeit getätigt werden können», so Ritter. «Wir möchten einen Beitrag leisten, um auch das Schweizer-Franken-Instant-Payment-Ökosystem sicherer zu machen.»
Wann der Marktstart für das neue A2A-Protect-Angebot von Visa hierzulande stattfindet, ist derzeit noch offen. Ritter ist die Vorfreude anzumerken, als er sagt: «Ich bin überzeugt, das wird ein fantastischer Erfolg.»