«Ich studiere Wirtschaftsfächer, auch um langfristig gutes Geld zu verdienen – Geld, das mir Sicherheit verschafft», sagt Justin. Der 28-jährige Schweizer steht kurz vor dem Abschluss seines Masterstudiums mit Schwerpunkt Rechnungswesen und Finanzen und hat genaue Vorstellungen, in welcher Lohnklasse er sich später einmal wiederfinden möchte.
Vorerst aber stapelt er tief. Denn was das Salär in seinem ersten richtigen Job nach dem Studium angeht, macht er sich wenig Hoffnungen: «Ich glaube nicht, dass ich als junger Absolvent mit wenig Berufserfahrungen viel Verhandlungsspielraum bei meinem ersten Lohn haben werde.» Vielmehr sei er froh, wenn er überhaupt nahtlos den Einstieg ins Berufsleben schaffe. «Das Salär wird für den Anfang dann schon okay sein.»
Durchschnittlich 72'000 bis 78'000 Franken
Mit seiner Einschätzung liegt Justin ziemlich richtig. Tatsächlich haben grosse, international agierende Konzerne meist standardisierte Einstiegslöhne für Hochschulabsolventen, bei denen selbst mit grossem Verhandlungsgeschick kaum mehr zu holen ist.
Die Bandbreite in der Schweiz ist aber zum Teil erheblich. Diese liegt laut Vergütungsexperte Urs Klingler zwischen 65'000 und 120'000 Franken. «Die Unterschiede können sehr gross sein und variieren je nach Branche, Studienrichtung, Wettbewerb und Wirtschaftslage», sagt Klingler, der beim Beratungsunternehmen Klingler Consultans Vergütungssysteme analysiert und Firmen bei Lohnfragen berät. «Man kann aber sagen, dass das durchschnittliche Einstiegsgehalt für junge BWL-Akademiker bei grossen Unternehmen bei 72'000 bis 78'000 Franken pro Jahr liegt.»
Lohngefälle bei kleinen Unternehmen
Ob männlich oder weiblich, das mache dabei keinen Unterschied, so Klingler weiter. «Bei grossen, internationalen Firmen ist die Gleichstellung zwischen Männer und Frauen bei den Einstiegsgehältern realisiert worden.» Anders sehe es bei kleineren, nationalen oder ländlichen Firmen aus, die den Lohn je nach Verhandlungstaktik festlegen sowie im öffentlichen Sektor, wo die Einstiegsgehälter oft dramatisch tiefer seien. «Wir reden da von bis zu 20 Prozent oder 10'000 bis 15'000 Franken pro Jahr», so der Salärexperte.
Oft ist auch das eigene Lohnziel mit auschlaggebend: Studien belegen, dass Hochschulabsolventinnen tendenziell tiefere Gehaltsvorstellungen haben als ihre männlichen Pendants. «Bei einer Lohnverhandlung kann das einen entsprechenden Effekt haben, falls das Unternehmen keine klare Policy bezüglich Gehaltsfestlegung hat», sagt Klingler.
Swiss Life zahlt bis zu 84'500 Franken
Dass für die Absolventen sogar mehr drin sein kann als der durchschnittliche Einstiegslohn, zeigt eine Befragung der SMI-Konzerne von bilanz.ch. So zahlt etwa der Lebensversicherer Swiss Life Uni-Absolventen aller Fachrichtungen mit einem Masterabschluss für eine 100-Prozent-Stelle ein Einstiegsgehalt zwischen 80'600 und 84'500 Franken pro Jahr. Mit einem Bachelorabschluss bekommen die jungen Akademiker immerhin noch 74'400 bis 78'000 Franken brutto pro Jahr.
Noch grosszügiger zeigt sich Geberit: Bei der Sanitärfirma beläuft sich der Bruttolohn auf 85'800 Franken pro Jahr für Masterabsolventen beziehungsweise 80'600 Franken für Bachelorabsolventen.
Bis zu 92'000 Franken bei Swiss Re
Zwischen 82'000 und 92'000 Franken kann man als junger Akademiker in einem speziellen Ausbildungsprogramm beim Rückversicherer Swiss Re verdienen – wobei letzteres nur mit dem Abschluss eines Ph.D-Studiums möglich sei – also einem wissenschaftlichen Forschungsdoktorat.
Die Swisscom wiederum unterscheidet zwischen sogenannten Step-In-Hochschulpraktikanten, Trainees und dem Direkteinstieg. Step-In-Hochschulpraktikanten mit Bachelorabschluss erhalten ein Jahresgehalt von 58'800 Franken, mit einem Master bekommen sie 64'800 Franken. Trainees erhalten im Rahmen eines zwölfmonatigen Programms 81'000 Franken. Bei einem Direkteinstieg (Junior-Position) von BWL-Absolventen liegt der Einstiegslohn bei der Swisscom bei 85'000 Franken.
Verschwiegende SMI-Konzerne
Die restlichen 16 SMI-Konzerne zeigten sich weniger auskunftsfreudig. Man verwies auf marktübliche Saläre oder auf Interna, «die wir grundsätzlich nicht nach aussen kommunizieren». Bei anderen wiederum hiess es lediglich «Einstiegsgehälter für Absolventen sind abhängig von verschiedenen Faktoren» oder gar «Wir stellen eher erfahrene Mitarbeiter mit naturwissenschaftlichem Hintergrund ein».
Für den Laien sind solche Aussagen oftmals nichtssagend. Dass sich ein Studium dennoch auszahlt, belegen Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS). So verdienten im Jahr 2012 Hochschulabsolventen 1,7 Mal mehr als Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Wobei auch hier die Löhne je nach Ausbildung und Branche stark variieren.
Wie eine aktuelle Branchen-Auswertung der Beratungsgesellschaft Kienbaum zeigt, erhalten Absolventen bei Kreditinstituten, Banken und Versicherungen die höchsten Einstiegsgehälter. Der Median liegt hier bei 88'655 Franken pro Jahr. Zu den gut bezahlten Jobs gehören auch jene im Bereich der Herstellung von chemischen und pharmazeutischen Erzeugnisse, Biotechnologie und Kunststoff. Hier verdienen die Absolventen rund 86'213 Franken (Median) im Jahr. Im Bereich IT und Telekommunikation kann man mit einem Einstiegsgehalt von 84'153 Franken (Median) jährlich rechnen.
Lohnexperte Klingler verwundert die Verschwiegenheit der SMI-Firmen nicht. «Bei dem Thema Einstiegssalär sind die Unternehmen sensitiv geworden, da die Veröffentlichung der Zahlen für die Unternehmen selbst kaum Wirkung hat, dafür aber viele Diskussionen mit sich bringt. Zudem steigen durch die Transparenz die Löhne.»
«Ich würde auf keinen Fall pokern»
Aus den Floskeln der Unternehmen liest der Experte, dass es durchaus Bandbreiten beim Lohn und somit Verhandlungsspielraum für die jungen Bewerber gibt. Dabei sei aber äusserste Vorsicht geboten. «Ich würde auf keinen Fall pokern», empfiehlt Klingler. Stattdessen rät er jungen Bewerbern, nach einem konkreten Angebot zu fragen. «Grosse Unternehmen zahlen nicht per se schlecht, schliesslich wollen sie gute Talente für sich gewinnen.»
Sollte man hingegen als junger Bewerber aufgefordert werden, seine Lohnvorstellungen zu äussern, so rät Klingler: «Wenn es eine internationale, mittelgrosse bis grosse Firma ist, kann ein BWL-Absolvent ohne Berufserfahrung mit einem Monatslohn in Höhe von 6000 Franken recht gut in die Verhandlung gehen.»
Gute Noten sind wichtig
Allerdings seien stets verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, von denen die Lohnhöhe abhängt – neben der Branche sei das etwa auch die Region. «Es kommt sowohl auf den Kanton als auch auf die Stadt an», sagt Klingler. So seien etwa die Einstiegslöhne in Bern niedriger als in Zürich. Ferne spiele die Firmengrösse eine bedeutende Rolle. «Je grösser und internationaler das Unternehmen, desto grösser die Chance, dass man als Berufsanfänger mehr verdient.»
Justin hingegen überlegt derweil, ob er sich noch für ein Doktorat bewerben soll - «als Plan B sozusagen, falls es mit dem nahtlosen Übergang ins Berufsleben eben doch nicht klappt.» Ausserdem sehe das im Lebenslauf noch gut aus. Für Lohnexperten Klingler haben derlei Zusatzqualifikationen nur eine untergeordnete Rolle. «Heute ist zwar alles wesentlich internationaler und die jungen Leute machen sich gegenseitig starke Konkurrenz. Dennoch gilt heute wir früher: Auf die guten Noten im Studium kommt es an.»
Wie skurril Unternehmen Job-Bewerber im Assessment-Center testet, sehen Sie in der Bildergalerie unten: