Ganz gleich, wen aus ihrem Umfeld man nach einer Beschreibung von Suzanne Thoma fragt, lautet die Antwort erst einmal: «Sie ist eine Industriefrau.» Auch gilt sie als kontrolliert, analytisch, sachbezogen und als zielgerichtet, wenns ums Business geht. Sätze wie «Es geht nicht um Egos, es geht ums Unternehmen» sind typisch für sie. Von Thoma, die am 1. Februar 60 wird, heisst es zudem, sie möge keine Befehle. Und in die «Frauenecke» wolle sie, eine von fast keinen weiblichen Bossen eines börsenkotierten Schweizer Unternehmens, schon gar nicht gestellt werden.
Im April folgt sie beim Winterthurer Industriekonzern Sulzer auf Peter Löscher als Präsidentin des Verwaltungsrats. Als oberste Strategin wird sie weiterhin viel Einfluss haben, aber bedeutend weniger verdienen: Löscher hat 2020 rund 600'000 Franken kassiert, Thoma knapp zwei Millionen. Gegenüber CH Media erklärt sie ihren Wechsel damit, das die BKW Gruppe nun gut aufgestellt sei und sie reif, «beruflich eine neue Etappe» in Angriff zu nehmen. Aufgegleist war der Move an die Sulzer-Spitze wohl bereits bei ihrer Wahl in deren Aufsichtsgremium vor nicht einmal einem Jahr. Kaum war sie drin, war sie auch schon als Vizepräsidentin installiert – zulasten von Matthias Bichsel.
Die Unterstützer
Thoma als Sulzer-Präsidentin ist die Wahl des russischen Milliardärs Viktor Vekselberg. Ihm gehören 48 Prozent des Industriekonzerns. Er ist ebenfalls Ankeraktionär bei OC Oerlikon, wo Thomaseit 2019 Verwaltungsrätin ist. Das Mandat gibt sie, der eine Karriere als Profi-VR vorschwebt, wieder ab, nicht aus Zeit-, sondern «aus Gründen der Unabhängigkeit».
Mit dem Franzosen Frédéric Lalanne hat sie künftig einen ebenfalls leistungsstarken CEO im Boot, das bereits auf Wachstumskurs ist. Bei der BKW war Urs Gasche, bis Mai 2021 Präsident, Thomas grosser Unterstützer: Er hat sie zur CEO gemacht und mit ihr die Strategie ausgeheckt. Sukkurs hatte sie auch vom Berner Regierungsrat und Wirtschaftsdirektor Christoph Ammann. Er hat ihre BKW-Strategie voll unterstützt und auch den Vergütungsbericht, der immer wieder zu reden gab, stets durchgewinkt.
Gut ist das Einvernehmen mit Calvin Grieder, Präsident von Bühler, Givaudan und SGS, und auch mit Antje Kanngiesser, CEO von Alpiq und davor Mitstreiterin bei der BKW. Philomena Colatrella, CEO der CSS, schätzt Thoma sehr. Beide sind Mitglied bei Economiesuisse. Beim Thema Nachhaltigkeit harmoniert Thoma auf Podien mit Mirjam Staub-Bisang, CEO Blackrock Schweiz. Auch mit Franz Julen, Präsident von Valora, verstehe sich Thoma bestens, heisst es. Das Valora-Verwaltungsratsmandat aber war nicht ihr Ding. 2020 angenommen, legte sie es 2021 bereits wieder nieder.
Die Familie
Suzanne Thoma ist nicht nur im Business eine Langstreckenläuferin: Mit Gian Thöny ist sie seit vielen Jahren liiert, er lebt in Zürich, sie noch in Bern. Ausdauer, die sie zudem als Joggerin kultiviert, hat sie auch als Schneesportlerin. Thoma liebt Winterwanderungen und Langlaufloipen. Dass sie den Engadiner Skimarathon absolviere, wie erzählt wird, sei aber frei erfunden, sagt sie.
Ihre beiden erwachsenen Töchter haben wie sie selbst an der ETH studiert, die eine, Frances Hubis (32), Computerwissenschaften, deren Schwester Elisabeth Hubis (29) Materialwissenschaften. Frances ist derzeit als AI Resident bei Google und lebt in den USA. Elisabeth heisst inzwischen Jansen, lebt in Shanghai, China, und steht als Regional Sales Manager Automotive auf der Payroll des US-Halbleiterkonzerns Texas Instruments.
Die Karriere
Thoma erlangte 1989 die Promotion als Chemieingenieurin der ETH Zürich und war danach bis 2002 bei der Ciba Spezialitätenchemie (heute BASF) tätig, wo Armin Meyer im Jahr 2000 als CEO und Präsident das Steuer übernahm. Erstmals CEO wurde Thoma 2007 im auf Hightech-Materialien spezialisierten Start-up Rolic Technologies, das inzwischen ebenfalls in BASF aufgegangen ist.
Nach einem Abstecher zur Weidmann Group unter Führung von Franziska Tschudi Sauber stieg sie 2010 in die börsenkotierte BKW Gruppe ein, als Leiterin Netzsparte, 2013 wurde sie CEO und war in der Rolle höchst erfolgreich. Sie hat den Berner Stromversorger, an dem der Kanton Bern mit 52 Prozent beteiligt ist und der bei ihrem Amtsantritt wegen Fukushima und sinkender Preise ins Trudeln geraten war, mit einer kompromisslosen Wachstumsstrategie neu ausgerichtet, international aufgestellt und dabei alle Kennzahlen ver-x-facht: Der Börsenwert beträgt aktuell über 5,8 Milliarden Franken, das Vierfache von vor ihrer Zeit.
Das BKW-Geschäftsfeld hat sie mit der Akquise von 130 in- und ausländischen kleineren und mittelgrossen Ingenieurbüros und Energiedienstleistern ausgedehnt, die Mitarbeiterzahl auf 11 000 und das Resultat 2021 abermals auf historische Höchstmarken hochgeschraubt.
Unterstützte
Suzanne Thomas Alma Mater ist die ETH Zürich, ihr ist sie eng verbunden. Am letzten ETH-Tag wurde sie Ehrenrätin, die Laudatio hielt ETH-Präsident Joël Mesot und lobte sie für ihre Umsicht – als Managerin wie auch als Mitglied des Global Advisory Board der ETH. Im ETH-Rat versteht sie sich bestens mit Präsident Michael Hengartner. Dieser war Hauptredner, als Thoma 2019 das AKW Mühleberg stilllegte.
Mit Avenir-Suisse-Präsident Michel Liès ist Thoma als Vizepräsidentin richtungsweisend. Beim Unternehmer Mike Baur engagiert sie sich als Investorin und Verwaltungsrätin in dessen Swiss Startup Group. Mit Urs Lehmann, Präsident Swiss Ski, kam BKW zu einem Sponsoring mit nationaler Strahlkraft – zulasten der Berner Kicker Young Boys.
Widersacher
Thoma hat die BKW vom Berner Stromversorger in ein international konkurrenzfähiges Multitalent verwandelt. Was Aktionäre freut, fuchst Status-quo-Wächter wie Lars Guggisberg, Direktor des Gewerbeverbands Berner KMU. Und auch Kurt Rohrbach, Thomas Vorgänger bei der BKW und zwischenzeitlich Präsident des Berner Handels- und Industrieverbands, schöpft die neue BKW im lokalen Handel Geschäft ab. Alt Nationalrat Peter Schilliger versuchte mit einem Vorstoss, den Handlungsspielraum von Betrieben, die wie die BKW mehrheitlich der öffentlichen Hand gehören, einzuschränken. Vergeblich.
Gröberen Knatsch gab es mit Stéphane Schneider, CEO von BKW-Konkurrentin Bouygues E&S Schweiz: Er verlor unzählige Mitarbeiter an eine neu firmierte BKW-Tochter. Zudem reichte er Klage ein wegen Datenklau. Diese hat er Ende 2021 zurückgezogen. Mit Konkurrent Christoph Brand, CEO von Axpo, hatte Thoma ausser der Branchenzugehörigkeit kaum etwas gemeinsam.
Bei Sulzer bedeutete Thomas Beförderung das Ende von CEO Grégoire Poux-Guillaume, die beiden verstehen sich nicht. Und Bernexpo-Chefin Franziska von Weissenfluh war als Konkurrentin beim Rennen ums Präsidium der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft des Kantons Bern gegen Thoma chancenlos.