Staunende Kinderaugen sind was Schönes. Wer sich davon anstecken lässt, sollte diesen Ferrari erwerben. Dass der Name hier Programm ist, exponiert, welches Wundertriebwerk in diesem Cabrio seine Arbeit verrichtet: ein Zwölfzylinder, zumal ein frei saugender ohne jede Hybrid- oder Turbo-Unterstützung, der dafür enorm hohe Drehzahlen erreicht. Solche Motoren sterben aus.
Dirk Ruschmann fährt seit 25 Jahren Auto. Er schrieb über Firmen, Manager, Autos sowie andere bewegliche Teile und wechselte nun in die Kommunikationsberatung.
Doch solche Karosserieformen hoffentlich nicht, wie auch immer sie in ferner Zukunft angetrieben sein werden: zweitüriges Cabrio, meist als Zweisitzer konzipiert, mit dem klingenden Namen Berlinetta. Vorne hat der 12Cilindri eine sehr lange Haube, sodass der Motor noch hinter der Vorderachse Platz findet – immer besser fürs Handling, wenn dieses Konzept namens Mittelmotor angewandt werden kann. Die an anderen Ferraris zusammengekniffenen Scheinwerfer-«Augen» sind hier einem umlaufenden schwarzen Band gewichen, das erstens die formale Strenge des Designs betont. So ist vor allem die Seitenansicht erstaunlich puristisch gehalten. Ansonsten finden sich bei Ferrari hier voluminöse, skulpturartige Schultern und Lufteinlässe, beim 12Cilindri aber sind lediglich die Radhäuser, also die Kraftzentren, ausgeformt. Und zweitens zitiert dieses Band, das nur von den etwas seltsam seitlich («wie Flügel» laut Ferrari) zutage tretenden Tagfahrleuchten alarmiert wird, natürlich die Markenikone schlechthin: den 365, besser bekannt als Daytona.
Ich persönlich würde optisch zwar eher die beiden Zwölfzylinder-Vorgänger F12 oder 812 mit ihren klassischen, aber mächtigen Kühlergrills und aggressiv konturierten Scheinwerfern favorisieren. In meinen Augen leidet der 12Cilindri ein wenig unter dem Syndrom der schöneren Mütter. Aber seltsamerweise hat mich Chefdesigner Flavio Manzoni nicht vorab angerufen. Er wollte weniger Muskeln und weniger Sinnlichkeit, dafür mehr Futurismus. Das hat er hingekriegt.
Wie sich das Ganze auf dem Fahrersitz darstellt, ist schnell gesagt: grandios. Der Motor ein Sahnestück, Fahrwerk und Bremse auch, die Hinterradlenkung hilft in engen Dörfern – der 12Cilindri ist kein kleines Auto. Zur Übersicht und zum Anpeilen der Bordsteine dienen die vorderen Radhäuser. Sitze und Lenkrad sind top, und dass Ferrari partout nicht von den Hartplastik-Blinkertasten auf dem Steuer lassen kann – was solls. Eine Schrulle darf ja sein, Italiener halt. Denn dass die Besitzer alles richtig gemacht haben, wird ja ununterbrochen von ruckenden Köpfen und staunenden Augen bestätigt. Selbst Futurismus schadet einem Ferrari nicht.
Wer den futuristischen Look ausbauen möchte: Eine weit geschnittene Herren-Lederhose in Blutrot gibts im Ferrari-Store für gut 4000 Franken dazu. Auf die kommt es dann auch nicht mehr an.
Ferrari 12Cilindri Spider
Antrieb: 6,5-Liter-V12
Verbrauch: 15,9 Liter Super Plus
Leistung: 830 PS (611 kW)
0–100 km/h: 2,95 s
Vmax: >340 km/h
Preis: ab 442'200 Franken