Was unterscheidet ein Spitzenhotel von einem guten Hotel? Wenn man ab dem ersten Moment spürt, erwartet zu sein und dass alles für einen vorbereitet ist. Wenn die Koffer bereits vor dem Gast im Zimmer sind und generell auf trinkgeldträchtiges Getue verzichtet wird. Wenn das Team gut gelaunt an einem Strang zieht und die Mitarbeitenden intuitiv erkennen, was Menschen individuell glücklich macht.
Um ein Spitzenhotel handelt es sich, wenn die Frühstückskellnerin spezifische Vorlieben der Gäste wie den frischen Ingwertee mit viel Honig oder die Chilis zur Omelette im Kopf hat, wenn der Barkeeper gegebenenfalls von vornherein auf Eiswürfel im Negroni verzichtet – wenn die grundlegenden, scheinbar einfachen Dinge verlässlich umgesetzt werden und man beispielsweise beim Wunsch nach zwei separaten Bettdecken erwartungsgemäss abends zwei separate Bettdecken vorfindet. Gastliche Klasse bedeutet, dass man beim Room-Service umstandslos ein Lieblingsgericht ausserhalb des fixen Menüs bestellen kann. Dass das Licht im Zimmer stimmig ist und die Schalter intuitiv zu bedienen sind. Dass es viele schöne Details gibt, die man vielleicht erst auf den zweiten Blick bemerkt, etwa eine handgeschriebene Begrüssungskarte, deliziöse Fruchtsäfte in der Minibar, eine Yogamatte im Schrank oder ein Fernglas auf dem Schreibtisch.
Ein Spitzenhotel, egal ob in den Städten oder auf dem Land, erzeugt zudem ein erhabenes Gefühl beim Gast. Alle Last des Alltags fällt von einem ab, und man glaubt, eleganter und ausgeglichener zu sein, als man wirklich ist, und mehr im Leben erreicht zu haben, als tatsächlich zutrifft. Vor allen Dingen öffnet uns ein Spitzenhotel die Tür zu den schönsten Seiten seines Standorts – und lässt uns diesen Ort auf eine besondere, unverwechselbare Art erleben.
The Dolder Grand ist so ein besonderes Haus, und perfekt für besondere Momente. Kaum verwunderlich, dass es derzeit alle Auszeichnungen einheimst, welche die Branche zu vergeben hat – und wiederholt auch die Messlatte als bestbewertetes Schweizer Stadthotel im 28. Hotel-Ranking von BILANZ setzt.
Viele Faktoren kommen hier zusammen: Die von hochkarätiger, kontinuierlich wechselnder Kunst beseelten öffentlichen Räume. Das aussergewöhnliche Spa mit allem Erquickenden zur passiven und aktiven Erholung. Der ringsum spürbare Swing im Team – angeführt von Markus Granelli, dem begnadeten Hoteldirektor mit der Fähigkeit, sich selbst infrage zu stellen und seinen Leuten Raum zur Entfaltung zu geben.
Aber um einen Aspekt hervorzuheben: Mehr als jedes andere Stadthotel im Land ist The Dolder Grand ein Ort des aufregend guten Essens. Ob Fine Dining oder Züri-Klassiker, ob japanisch oder orientalisch, ob saisonales Pop-up oder beim Frühstück: die prickelnd vielseitige Kulinarik unter der Obhut des Küchendirektors Heiko Nieder ist getrieben von Innovation und Leidenschaft – und wirkt doch immer locker, lässig, einfach anders. Aktuelles Leuchtturmprojekt ist das vegane Freiluft-Restaurant Blooms, das alle verzaubert – selbst die Crew in der offenen Küche. Zwar musste Heiko Nieder ein gewisses Mass an Unbeirrbarkeit aufbringen, um diesen Traum zu realisieren, welcher das klassische Einmaleins des Gastgewerbes auf den Kopf zu stellen wagt. Logistisch ist das Gartenjuwel inmitten von Kräuter- und Gemüsebeeten zu Füssen der monumentalen Keith-Haring-Skulptur «Dancing Man» nämlich eine Herausforderung, zumal es lediglich bei gutem Wetter öffnen kann und sowohl für Gäste wie Mitarbeitende nur durch labyrinthische Hotelgänge erreichbar ist. Doch wer einmal in dieses Naturidyll am Waldrand gefunden hat, will gar nicht wieder weg.
Neues Leben am Paradeplatz
Wie sieht die Dolder-Equipe die neue Konkurrenz unten am Paradeplatz? «Ein weiterer Grund, uns anzustrengen», sagt Markus Granelli. Das an Weihnachten 2023 wiedereröffnete «Savoy», das nun unter chinesisch-britischer Flagge als Mandarin Oriental Savoy firmiert, aber der Grossbank UBS gehört, buhlt immerhin um dieselbe solvente Klientel.
Überzeugt das für 80 Millionen Franken umgebaute Hotel? Das Verdikt der 217 befragten Experten ist durchmischt. Mehrheitlich gelobt wird die Servicekultur. General Manager Dominik Reiner versteht es, sich mit engagierten Mitarbeitenden zu umgeben. Die noch hohe Personalfluktuation – ein häufiger Kritikpunkt – lässt sich bei einem Newcomer kaum vermeiden. Das Design? Gediegen korrekt.
Tristan Auer, der sich selbst als «Innenarchitekt für emotionale Räume» bezeichnet, hat hier eher ein Exempel für die Homogenisierung der Luxushotellerie geschaffen. Die Interieurs sind von zeitgeistigem Chic mit asiatischem Touch, doch könnte man beliebig auch in Singapur oder Doha sein (einschliesslich der arg heruntergekühlten Luft im ganzen Haus), und vom Genius Loci des «Savoy» als dem ältesten Grandhotel der Stadt ist kaum noch etwas zu spüren. Auch fehlt eine richtige Hotelbar (es gibt lediglich eine Bartheke am Eingang der Brasserie), und ein asiatisches Restaurant hätte gut zur DNA der Hotelmarke gepasst. Die 80 Zimmer (ab 1000 Franken) sind mit handbemalten Seidentapeten und vortrefflichen Betten ausgestattet, zugleich aber nicht bis ins Letzte durchdacht, was man zum Beispiel dann merkt, wenn man in der Badewanne liegt und auf unschöne Abflussrohre unter dem Waschtisch blickt. Gäste, die hingegen ein kosmopolitisches Lebensgefühl an zentralster Züri-Lage schätzen, sind im neusten «Mandarin»-Ableger richtig. Und die Dachterrasse, die mit ihrem Rundumpanorama bereits im Gründungsjahr 1838 die damaligen Besucher entzückte, ist pures Instagram-Gold. Summa summarum ein respektabler Einstieg: Platz 15 unter den Schweizer Stadtherbergen, mit Potenzial nach oben.
Zeitgemässe Vision von Luxus
In den Städten am Genfersee schöpfen fast alle führenden Hotels ihre Anziehungskraft aus der tourismusgeschichtlich geadelten Vergangenheit. Ob die Architektur die Belle Epoque aufleben lässt wie das Beau-Rivage Palace in Lausanne und das Montreux Palace, in neoklassizistischer Pracht daherkommt wie im Four Seasons Hotel des Bergues oder zurückhaltender im Post-Haussmann-Stil auftritt wie im The Woodward in Genf: Die palastartigen Grandes Dames vermitteln hinter ihren nostalgischen Fassaden ein Gefühl von unvergänglicher Erhabenheit, auch wenn sie smart mit ihrer Geschichte spielen.
So mag ein erster Besuch im 2003 eröffneten La Réserve Genève ein wenig irritieren, denn die weitläufige Hotelanlage ist alles, was ein Genfer Grand Hotel nicht ist – entspannter, fantasievoller, stylischer, als man vielleicht erwartet hätte. Es beginnt damit, dass das zweistöckige, rostrote Gebäude-Ensemble in einem Park fünf Kilometer ausserhalb des Stadtzentrums liegt. Zum Seequai beim Jet-d’Eau lassen sich Hotelgäste kostenlos mit dem stündlich verkehrenden Privatboot chauffieren.
Die Interieurs wurden vom Innenarchitekten Jacques Garcia in cooler Opulenz im Stil einer urbanen Afrika-Lodge mit abstrahiert kolonialen Accessoires durchgestaltet. Dies allerdings so gekonnt, dass das fabelhafte, inzwischen sanft erneuerte Design auch nach zwei Jahrzehnten bestens funktioniert. Der Kontrast zum gleichförmigen Einrichtungsstil vieler Traditionshäuser am Lac Léman ist jedenfalls reizvoll: Wohin man blickt, stehen skulpturale Elefanten, Lampen in Form von exotischen Vögeln, an den Wänden der Eingangshalle hängen ganze Schmetterlingssammlungen.
Die 102 Zimmer (ab 700 Franken), die drei Restaurants und das grosse Spa erzählen von einer extravaganten Reise, die einen weit aus der Schweiz hinausträgt. Alles im «La Réserve» zelebriert das gute Leben, wahlweise mit Fokus auf Wellbeing und Gesundheit, und der Service ist sowohl leger als auch präzise. Hier stimmt der Flow, wohl auch dank dem breit gefächerten Publikum, und das erste Hotel des Genfer Unternehmers Michel Reybier ist heute das insgesamt Vielfältigste und Geschliffenste in seiner mittlerweile ansehnlichen Kollektion. Es macht zwei Ränge im Ranking gut und ist erstmals auf dem Siegerpodest der Schweizer Stadthotels.
Vom Outsider zum Klassiker
So wie La Réserve Genève die allgemeine Vorstellung davon, was ein Luxushotel sein kann, in den Nullerjahren erweiterte, so gelang diese Meisterleistung dem Hotel Cipriani in Venedig ein halbes Jahrhundert zuvor. Der italienische Pionier veranschaulicht überdies, wie aus einem Eigenbrötler ein Klassiker werden kann.
Begründet wurde der diesjährige Primus, der bereits 2003 und 2016 die Spitzenposition unter den europäischen Stadthotels im BILANZ-Ranking innehatte, in den 1950ern auf dem Gelände einer halbverfallenen Werft am östlichen Ende der damals wenig begehrten Giudecca-Insel. Entstanden als Gegenentwurf zu den legendären Palazzo-Hotels am Canal Grande, ist das «Cipriani» ein Wegbereiter der City-Resorts.
Der Vorteil dieser Stadtoase, einst wie heute: Auf der Giudecca weht auch in den heissen Sommermonaten stets ein frisches Lüftchen, und die Hotelanlage ist gross genug für Tennisplätze, einen veritablen Küchengarten und einen Salzwasserpool, der nicht nur der Einzige der «Serenissima» ist, sondern auch noch olympische Ausmasse und einen einmaligen Ausblick auf die Lagune hat. Die verschiedenen, ineinander verschachtelten Gebäude, welche 95 Zimmer (ab 1500 Euro) und drei Restaurants behausen, präsentieren sich in Zartrosa mit pfirsichfarbenen Reflexen, und die hauseigenen Mahagoniboote führen innert fünf Minuten zum Markusplatz und jederzeit wieder zurück, was vor allem abends purer Magie gleichkommt. Venedig wird hier und von hier aus zum Erlebnis. Zum Charme des «Cipriani» gehört, dass es ein lebendiger und gleichzeitig eben auch gelebter Ort mit einer gewissen venezianischen Patina ist, dem man kleine Schwächen verzeiht, weil es wunderbare Stärken hat. Im Gegensatz zu manchen Hotelikonen, die früher privat waren und nun Teil von Gruppen und Marken sind, konnte das «Cipriani» seine Familiarität und Gemütlichkeit bewahren. Selbst unter dem jetzigen Besitzer, dem französischen Luxusriesen LVMH, entwickelte das Hotel bisher kein globales Corporate-Flair und kein nerviges Bling-Bling, sondern bietet etwas Seltenes in unserer modernen Welt: eine nostalgische Rückbesinnung auf den unangestrengten Glamour und die lässige Italianità von einst, gepaart mit einem Service, der dank vielen langjährigen Mitarbeitenden grossartig oldschool ist. Auf der ganzen Welt gibt es nur eine Handvoll Stadthotels, die eine derartige Strahlkraft haben und so sehr mit dem Esprit ihrer Stadt verbunden sind.
Das Leben in all diesen Hotels ist gut, ohne Frage. Doch muss es auch immer so teuer sein? Tatsächlich ist die durchschnittliche Rate für die Nacht bei einer Vielzahl der topplatzierten Häuser in den BILANZ-Ranglisten vierstellig. «Wenn ein Hype für eine Destination vorhanden ist, können die Hotels verlangen, was sie wollen», sagt Leo Maissen, operativer CEO der Tschuggen Collection, zu der das «Eden Roc» in Ascona gehört. Der Markt, insbesondere in Italien, Frankreich und England, gibt die teilweise krass ansteigenden Preise her: Erstaunlich viele Reisende scheinen sich vor allem dann für ein Hotel zu interessieren, wenn es einen gewissen Preis hat, vielleicht gar alle regionalen Wettbewerber kostenmässig übertrifft. Diese Entwicklung hat auch seine guten Seiten für die Branche und ermöglicht im Idealfall bessere Löhne für die Mitarbeitenden. Bei stolzen Zimmerpreisen muss man also nicht unbedingt die Nase rümpfen, aber es ist eben wie beim Wein, wenn jemand einfach immer die teuerste Flasche bestellt statt seinem eigenen Geschmack vertraut.
Glücklicherweise gibt es Lichtblicke für Kenner und Individualisten, die am Highend der Hotellerie gerne auf tiefgestapelten Luxus schielen oder gezielt Kurs auf Cooles und Schönes mit reellem Preis-Leistungs-Verhältnis nehmen.
Tiefgestapelter Luxus
Exquisite «Anti-Hotels», die bewusst unter dem Radar fliegen – dies als Teil eins unseres Lichtblicks – gehören zu den markanten Ein- und Aufsteigern 2024. Das Son Bunyola an der Nordwestküste Mallorcas ist so ein verschwiegener Rückzugsort. Es richtet sich an versierte Reisende, die sich eher zu Gast im Landsitz eines vermögenden Freundes fühlen wollen als wie in einem Hotel. Der Hausherr, Sir Richard Branson, hat lange nach dem passenden Fleckchen Erde auf der Baleareninsel gesucht und dieses am wilden Küstenstreifen bei Banyalbufar gefunden, wo das Tramuntana-Gebirge mit grosser Gebärde ins Meer fällt. Inmitten von Zitrus-, Mandel und Olivenhainen, die seit dem letzten Sommer wiederaufgeforstet werden und in zwei, drei Jahren ihre volle Schönheit entfalten werden, empfängt das herrschaftliche Finca-Gebäude nun stille Geniesser, die für die Öffentlichkeit unsichtbar und den gewöhnlichen Reichen einen Schritt voraus sein wollen. Nur 27 Zimmer gibt es, dazu drei freistehende Villen mit jeweils vier oder fünf Schlafzimmern. Abgesehen von zwei Restaurants, einem 28 Meter langen, angenehm warm beheizten Infinity Pool und kleinem Spa, Tennisplatz und Yoga-Lektionen gibt es keinen übertriebenen Luxus, aber es ist alles da, was man braucht. Und im Unterschied zu manch anderen Hotelneulingen mit potenten Investoren haben die Verantwortlichen kein fragwürdiges Design-Sammelsurium angerichtet, sondern etwas authentisch Mediterranes realisiert, das nicht lediglich aus zu viel Geld, sondern auch aus viel Geschmack besteht und eine erhabene Einfachheit ausstrahlt.
Wer das erleben will, ist ausserhalb der sommerlichen Hochsaison ab 550 Euro dabei, was zwar kaum ein Schäppchen ist, doch eine vergleichbare Übernachtung im La Residencia im nahen Deià (das in den Neunzigerjahren noch Sir Richard gehörte und seit 2002 ein Belmond-Hotel ist) oder im soeben eröffnenden Four Seasons auf der landschaftlich spektakulären Halbinsel Formentor gibt es erst ab dem doppelten Preis.
Auch in den Städten sind Hotels im Kommen, die so wenig Hotel wie möglich sind und in denen man sich wie in einem zweiten Zuhause wähnt. «Quiet luxury» eben. Das neue Hôtel 1 Place Vendôme in Paris zählt dazu und das unlängst um zwei Nachbarhäuser erweiterte, fröhliches Understatement ausstrahlende Ett Hem in Stockholm.
Reelles Preis-Leistungs-Verhältnis
Halbwegs erschwingliche Zimmer in ausgezeichneten Hotels, und das wäre Teil 2 unseres Lichtblicks, gibt es immer noch und immer wieder – selbst im kostspieligen Paris, wie das neue Hôtel Dame des Arts zeigt. Das urbane Bijou liegt mitten im umtriebigen Saint-Germain-des-Prés-Quartier und ist eine Inkarnation des einstigen Holiday Inn. Gestalterisch dreht sich im feinsinnig arrangierten, vom Innenarchitekten Raphael Navot erneuerten Fünfzigerjahre-Gebäude alles um das Zusammenspiel von geschwungenen und geraden Linien, harten und weichen Texturen, glänzenden und matten Oberflächen. Kaum ist man drin, sind Hektik und Trubel unversehens verschwunden. Stattdessen: 109 Zimmer, die spartanisch und behaglich zugleich sind, darunter 17 mit kleinem Balkon und Eiffelturmblick (ab 450 Euro).
Auch das Restaurant mit Innenhof und Multikulti-Cuisine macht gute Laune. Mit etwas Glück ergattert man vor oder nach dem Essen einen Platz in der Rooftop-Bar mit Rundumpanorama über das 6. Arrondissement und darüber hinaus. Ein weiteres Highlight versteckt sich im Untergeschoss: Das Fitnessstudio ist mit seinen wellenförmigen Holzwänden, den holzverkleideten Trainingsgeräten und den Gewichten mit Ledergriffen das vielleicht stilvollste von ganz Paris. Wer lieber ausschwärmt, schnappt sich eines der bereitstehenden Elektro-Bikes, und bei der Rückkehr in dieses liebenswert moderne, passioniert geführte Hotel ist alles so, dass man sich nicht als austauschbarer Tourist, sondern wie ein hochwillkommener Gast fühlt und jegliche Gedanken an Superluxus verblassen. Das Dame des Arts ist nicht der höchstbewertete, doch der interessanteste Neuling unter Europas Stadtunterkünften. Hier ist jeder Gast, jeder Mitarbeitende und jedes Einrichtungsdetail etwas Besonderes.
Personalisierung ist das Zauberwort
Die grosse Frage, die man sich ja bei jedem Ranking stellt: Was ist der übergreifende Trend? Was heute zählt, ist die Personalisierung des Hotelerlebnisses. Luxushotels kommen dem immer grösser werdenden Hunger der anspruchsvollen Weltenbummler nach persönlicher Behandlung und individualisierten Erlebnissen entgegen, indem sie mehr über ihre Gäste wissen als die Gäste über sich selbst. Wer einmal in einem Spitzenhotel abgestiegen ist, kann davon ausgehen, dass auf seine spezifischen Vorlieben, Interessen und Abneigungen beim nächsten Besuch ungefragt eingegangen wird. Als Gast wundert man sich über die Ballung glücklicher Zufälle, doch im Luxushotel gibt es keine Zufälle, nur akkurate Guest-History-Aufzeichnungen.
Damit geht die zweite Frage einher: Welche Häuser liefern den Goldstandard dieser Personalisierung? Selbstredend einige Hotels am oberen Rand der BILANZ-Charts, doch stechen zwei heimische Aufsteiger heraus: das Kulm Hotel St. Moritz und das Chenot Palace Weggis.
So bleibt im Kulm Hotel der Pool für Spätankömmlinge auch mal eine Stunde länger offen. Wiederkehrende Gäste finden Kopfkissen mit ihren eingestickten Vornamen auf dem Bett. Kinder erhalten über die Festtage ein altersgerechtes Überraschungsgeschenk. Bei Glatteisgefahr auf dem Julierpass ruft der Concierge den Gast nach Möglichkeit vor der Anreise an und weist auf die sichere Alternative des Vereina-Autoverlads hin. Und die persönliche Anrede mit Namen steht ganz oben auf dem Schulungsplan. «Wir versuchen, unseren Mitarbeitenden die Kompetenz und Freude zu vermitteln, die Extrameile zu gehen, sodass sich jeder Gast bei uns persönlich betreut fühlt», sagt Heinz E. Hunkeler. Zusammen mit seiner Frau Jenny hat er den klassischen Hotelkasten in einen innovativen Wohlfühlkosmos umgewandelt. Die beiden sind in der Form ihres Lebens und unsere «Hoteliers des Jahres».
Anstelle von Engadiner Märchenpalast-Appeal wie im benachbarten Badrutt’s Palace oder im Suvretta House, ist das «Kulm» seit ein paar Jahren standhaft auf dem Weg nach etwas Neuem und kontrastiert die historische Grandezza von 1856 mit modernem Twist. So sind die 150 Zimmer (ab 620 Franken) von ganz heutiger alpiner Wohnlichkeit, und das unlängst erneuerte Spa bietet alles, um in kurzer Zeit ein Maximum an Erholung und Fitness zu erreichen. Im letzten Herbst wurden vier der sechs Restaurants frisch gestaltet, darunter das «Amaru», wo der britische Designer Luke Edward Hall eine heiter stimmende Bühne für die peruanischen Street-Food-Kreationen von Küchenchefin Claudia Canessa geschaffen hat. Das «Kulm», wo 1879 das erste elektrische Licht in einem Schweizer Hotel brannte, bleibt sichtlich am Ball und ist ein Modell dafür, wie eine Hotellegende im 21. Jahrhundert relevant bleiben kann.
Die 11 Hotelmitarbeitenden des Jahres 2024
Die Profis an der Front erzeugen die Magie für die Gäste und verdienen mehr Aufmerksamkeit. BILANZ befragte 217 Hotelkenner, welche Mitarbeitenden zu den Besten in der Schweiz gehören. Mehr dazu lesen Sie hier.
Massgeschneiderte Wellness
Personalisierung lässt sich am tiefgreifendsten in Gesundheitsresorts verwirklichen. Letztere treffen einen Nerv der Zeit, was sich auch daran ablesen lässt, dass sie in den internationalen Hotellisten in einem Atemzug mit den weltbesten Ferienhotels genannt werden. Angetrieben vom Modebegriff Longevity und untermauert von der Erkenntnis, dass ein gesunder Lebenswandel jeden von uns locker um zehn Jahre jünger hält, investieren heute viele Erholungssuchende der Generation Mitte einen Teil ihrer Ferien in die eigene Gesundheit.
Hotels mit dem Versprechen auf einen Longevity-Boost dealen virtuos mit unseren Sehnsüchten und Ängsten, doch bei der Suche nach Lebensbalance und Lebensglück lassen wir uns alle gern verführen, wenn es gut gemacht ist.
Das Chenot Palace Weggis definiert Wellness anhand von Fortschritten der Wissenschaft und Technik neu und kommt insgesamt so schlüssig daher, dass es die Lanserhof-Betriebe und das an Drive verlierende Grand Resort Bad Ragaz als wichtigsten Impulsgeber bei der Optimierung des eigenen Gesundheitspotenzials abgelöst hat. Das Erfolgsrezept? Es kombiniert die in 50 Jahren ausdifferenzierte Chenot-Methode mit modernsten Diagnostik- und Therapieverfahren, etwa epigenetische Tests, hormonelles Biohacking oder Photobiomodulation. Wer sich vom täglichen Wahnsinn erschöpft fühlt, kann hier Körper und Geist neu starten, die Batterien aufladen und die Verbindung zu sich selbst wiederfinden. Erfrischend pragmatisch und ohne überspannten holistischen Habakuk. George Gaitanos, der wissenschaftliche Leiter, hat als einstiger Profi-Athlet schon früh die Formbarkeit des menschlichen Körpers und die Wirkungskraft gezielter Lebensstil-Anpassungen erkannt. Nach 25 Jahren Erfahrung in der Alterungsforschung ist er überzeugt: «Prävention ist besser als Heilung.» Nur mit aktiver Gesundheitsvorsorge könne man seine Jugendlichkeit bewahren und die verbleibenden Jahre möglichst ohne Funktionsverlust verbringen. «Ein Gefühl des tiefen persönlichen Wohlbefindens gibt es nicht umsonst», mahnt der charismatische Grieche. «Man muss ernsthaft etwas dafür tun.»
Ein weiterer Erfolgsfaktor dieses Gesundheitsresorts mit 72 Zimmern, viel Platz und langgestreckter Liegewiese am Ufer des Vierwaldstättersees: Kein Klinik-Groove. Man wähnt sich vielmehr in nutzbringenden Luxusferien an der Luzerner Riviera und kann die einwöchige Auszeit (ab 8000 Franken) zu einer lustvollen Erfahrung machen. Es ist ein Ort, wo sich jeder Gast auf einer persönlichen Ebene angenommen fühlt und spürt: Es geht um mich!
Die Methodik
Das Hotel-Ranking der BILANZ basiert auf 400 Expertentests in den letzten 18 Monaten, auf einer schriftlichen Umfrage bei 95 Schweizer Top-Hoteliers, auf den aktuellen Wertungen relevanter Reisepublikationen und Testportale sowie auf den Erfahrungen von 122 europäischen Hotelkennern und Reiseprofis. BILANZ rechnete die Einstufungen dieser vier Bewertungssäulen in ein einheitliches 100-Punkte-Schema um.
Hier geht’s zur kombinierten Darstellung der Hotel-Ranglisten 2024.
Hier geht’s zur separierten Darstellung der Hotel-Ranglisten 2024.