Der Volksmund weiss: «Beim Erbenstreit wird offenbar, was lange unterm Teppich war.» Schon manche Familie ist infolge des Zwists um ein Erbe auseinandergebrochen.
Diese Erfahrung musste auch einer der bekanntesten italienischen Industriellenclans machen. Als der legendäre Fiat-Lenker Giovanni Agnelli (1921–2003) starb, brach unter den Nachkommen heftiger Streit aus. Tochter Margherita Agnelli de Pahlen (58), die mit ihrem zweiten Gatten, dem Grafen Serge de Pahlen, in der Waadt wohnt, fühlte sich bei der Erbteilung hintergangen. Sie war davon überzeugt, dass ihr Fakten über den tatsächlichen Umfang der Hinterlassenschaft verschwiegen würden, ja dass ihr Vater Schwarzgeld in intransparenten Firmen versteckt habe. De Pahlen reichte Klage ein und zerrte die drei engsten Vertrauten von Giovanni Agnelli wie auch ihre betagte Mutter Marella (86) vor den Richter.
Mit dem Erbschaftskrieg Agnelli gegen Agnelli rückte die Contessa aus Allaman VD den Clan in ein denkbar schlechtes Licht. Prompt liessen die italienischen Steuerbehörden eine Untersuchung gegen die Agnellis anrollen. Das war sogar für Margherita Agnelli de Pahlen zu viel: Sie willigte in eine familieninterne Vereinbarung ein, erhielt 1,2 Milliarden Euro zugesprochen und verzichtete im Gegenzug auf sämtliche Ansprüche gegenüber Fiat. Zurück bleibt ein Scherbenhaufen. Ihre beiden Söhne John (37) – er ist heute Fiat-Präsident – und Lapo Elkann (36) sowie weitere enge Verwandte haben sich von ihr abgewandt. Der Bruch geht tief; zur Taufe ihres ersten Enkelkindes, Leone Elkann, wurde die Grossmutter nicht eingeladen.
Für mediales Aufsehen sorgen die gerade von den reichsten Familien mit Vorliebe in der Öffentlichkeit ausgetragenen Scheidungskämpfe. Schlagzeilen liefert seit Jahren der Rosenkrieg im Hause Aga Khan. Der unverbesserliche Womanizer Karim Aga Khan IV. besitzt ein Vermögen von gegen drei Milliarden Franken. Ein Mehrfaches dieses Betrags verwaltet er im Auftrag von gut 15 Millionen Mitgliedern der islamischen Glaubensgruppe der Ismailiten, die ihn als direkten Nachkommen des Propheten Mohammed verehren – und deshalb jedes Jahr einige hundert Millionen an Spenden nach Genf überweisen. Sein Grossvater, Sultan Mohammed Shah (1877–1957), war da noch traditionsverbundener: Zur Festlegung der jährlichen Abgaben liess er sein Gewicht in Gold und Edelsteinen aufwiegen.
Neun Jahre Streit – und kein Ende
Trotz seinen märchenhaften Reichtümern zeigt sich seine Hoheit Prinz Aga Khan im trauten Familienkreis knausrig – zumindest gegenüber seiner Ehefrau. 1998 ehelichte er die Deutsche Gabriele Prinzessin zu Leiningen (heute 50), geborene Homey, adoptierte Thyssen, die von da an den Titel Inaara Begum tragen durfte. Sechs Jahre und einen Sohn später trennte sich Aga Khan von der Begum. Seither wird vor Gericht um die Abfindung gefochten, zuerst in der Schweiz, dann in England, zuletzt in Frankreich. 2011 urteilte ein Richter in Amiens, dass der in Genf geborene Aga Khan, der nördlich von Paris lebt und von der Domaine Aiglemont aus ein weltliches Wirtschaftsimperium mit gegen 80 000 Beschäftigten leitet, wegen zahlreicher Affären die Schuld am Scheitern der Ehe trage und seiner Ex 60 Millionen Euro zu bezahlen habe. Dem Religionsführer war das zu viel, er liess seine Kontakte spielen. Prompt wurde Anfang dieses Jahres das Urteil wieder aufgehoben, angeblich auf Intervention des einstigen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy (58). Nun wird weiter gestritten. Rechtlich geschieden ist das einstige Glamourpaar noch nicht.
Dabei sollte Aga Khan hohe Abfindungssummen gewohnt sein, musste er doch bereits bei seiner ersten Scheidung an die Begum Salima, im normalen Leben Sarah Frances Croker-Poole, 45 Millionen Euro abdrücken. Auch für Gabriele zu Leiningen, übrigens eine studierte Juristin, ist Zoff ums Geld nichts Neues: Vor ihrer Trauung mit Aga Khan führte sie bereits einen heftigen Erbstreit.
Freude an Rosenkriegen wie auch an Erbstreitigkeiten hat eigentlich nur eine Gruppe: die Anwälte. Grossbritanniens Barristers schwärmen noch immer vom Rechtsstreit Vater Hans Heinrich gegen Sohn Georg Heinrich Thyssen-Bornemisza. Da durften die Staradvokaten von der Themse per Shuttle auf die Bermudas fliegen, in luxuriösen Hotels logieren und vor dem dortigen Obersten Gericht unter Vorsitz des mehr und mehr lustlosen Richters Justice Mitchell Schriftsätze austauschen. Im Verfahrensspektakel «Heini gegen Heini» («Der Spiegel») ging es um das Ausbleiben von Ausschüttungen des Familientrusts mit Namen Continuity. Senior und Junior hatten diesen Trust 1983 auf den Bermudas gemeinsam gegründet. Aus Erträgen des Milliardenvermögens sollte der Patron alljährlich bis ans Lebensende ein stattliches Klimpergeld von gegen 22 Millionen Dollar kassieren.
Als der Geldstrom bereits nach wenigen Jahren versiegte, brach Stiefmutter Carmen, genannt Tita, die fünfte Frau des Patriarchen, den Rechtsstreit vom Zaun, bald schon eine der teuersten Familienstreitigkeiten, wenn nicht gar die teuerste Prozessserie aller Zeiten. Der Gerichtsstand auf der Trauminsel knapp 1000 Kilometer östlich der US-Ostküste war zwingend, weil Rechtssitz des Trusts. Die Kosten für den eigens errichteten Gerichtssaal, aufgerüstet mit modernster Technik, gingen ebenso zulasten der Klageparteien wie die Honorare für die Rechtsanwälte mitsamt deren Entouragen.
Maus frisst Krokodil
Kostenneutral trennten sich die Wege im Modekonzern Lacoste, wo erst Vater Michel Lacoste gegen seinen Stammhalter Philippe Lacoste zu Felde zog und seinem zunächst proklamierten Nachfolger dann den Zutritt zur Tribüne am Tennisturnier French Open in Paris versperren liess. Danach putschte Tochter Sophie Lacoste-Dournel gegen den eigenen Erzeuger, organisierte im Verwaltungsrat eine Mehrheit zum Sturz des Vaters aus dessen Präsidentenamt. Doch auf einmal zogen alle Erben der Tennislegende René Lacoste (1904–1996) an einem Strang – und verhökerten das textile Imperium mit dem Krokodil als Markenzeichen an die harmonierenden Handelsmilliardäre der Genfer Gruppe Maus Frères.
Wie die verschwägerten Verwandten der Familien Maus und Nordmann trieb auch die deutschstämmige Familie Schmidt-Ruthenbeck aus der Ruhrgebietsstadt Duisburg seit Jahrzehnten erfolgreich Detailhandel. Die Brüder Reiner (71) und Michael Schmidt (70) zogen schon vor Jahren mit Schwester Viola in die Schweiz. Eine Holdingfirma liessen sie weiterhin in Deutschland wirken. Eher beiläufig erfuhr der erstgeborene Reiner eines Tages, dass sein Bruder ihn dort ungefragt als Geschäftsführer abberufen wollte. Die Anwälte beider Parteien freute der erbitterte Bruderzwist, der letztlich zur Feststellung des Status quo führte.
Bis zum Schweizer Bundesgericht fochten die fürstlichen Verwandten des Hauses Schwarzenberg Scharmützel aus. Dabei ging es um die (Un-)Rechtmässigkeit der Adoption des schillernden amtierenden Clanchefs, des Zürcher Bürgers Karl zu Schwarzenberg (75). Der temporäre Aussenminister der Tschechischen Republik und Grossgrundbesitzer in Österreich verdankt einen grossen Teil seines materiellen Erbes einer Adoption, die von Elisabeth von Pezold aus Prag, einer anerkannt «leiblichen Tochter des Heinrich Karl Borromäus von Schwarzenberg», durch die Instanzen vom Familienregister der Stadt Zürich über das Bezirks- und Obergericht bis zum Kassationsgericht angefochten wurde. In letzter Instanz wies die II. Zivilrechtliche Abteilung des Bundesgerichts die Beschwerde ab. Es liess sich wohl nicht klären, wer während des Zweiten Weltkriegs wen adoptiert hatte oder ob ein Kindesannahmevertrag aus dem Frühling 1940 «wegen der fehlenden eigenhändigen Unterschriften» ungültig sei.
Ein Toter, mehrere Testamente
Dass auch in musischem Umfeld heftiger Streit um irdische Güter vortrefflich gedeihen kann, zeigt sich am Beispiel der Erben des Stardirigenten Herbert von Karajan (1908–1989). Nachdem der Maestro seinen Taktstock endgültig abgegeben hatte, lagen bei der Testamentseröffnung gleich mehrere letztwillige Verfügungen vor. Seinen Töchtern Isabel (53) und Arabel (49) aus dritter Ehe gestand der Maestro lediglich den Pflichtteil zu. Dafür vergoldete Witwe Eliette von Karajan (77), geborene Mouret und Hauptnutzniesserin des Erbes, im Nachhinein den Pflichtteil ihrer Töchter mit jeweils 7,5 Millionen Franken.
Vom Honigtopf vertreiben wollte Eliette von Karajan allerdings den noch von ihrem Mann als Testamentsvollstrecker eingesetzten Werner Kupper (72). Die Wahlbündnerin zog vor Gericht und beklagte, der Zürcher Anwalt ..................................................................
................................................................................................................................... Zudem sei sein Stundenhonorar von 1100 Franken völlig überrissen. ………………………………………………………… auch habe er für seine Dienste als Anwalt lediglich etwas über 800 Franken pro Stunde verrechnet. Das Kantonsgericht von Graubünden beendete 15 Jahre nach Karajans Tod Kuppers Mandat. Im benachbarten Liechtenstein allerdings hat das Urteil keine Gültigkeit – doch genau dorthin hat der Stardirigent seine Millionenhonorare verschoben.
Siehe zu diesem Bericht die Gegendarstellung in der Bilanz 01/2014 vom 10.01.2014 und das Bilanz-Interview mit Dr. Werner Kupper «Performance über dem Durchschnitt» vom 18. Januar 2006
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