Dass man den CEO von Galaxus Deutschland in der Branche nicht kennt, muss nichts heissen. Frank Hasselmann (39), seit 1. Juli im Dienste von Migros’ schärfster Onlinewaffe Digitec Galaxus, verkaufte bislang Gas und Industrieanlagen beim deutschen Technologiekonzern Linde und beriet für McKinsey Kunden in Konsumthemen.
Ob das reicht, um im aggressiven deutschen Onlinehandel zu brillieren, ist nicht die Frage. Hasselmann muss eine Lücke finden, um das Schweizer Internet-Warenhaus zu platzieren. «Ich widmete mich bei Linde ähnlichen Themen, die uns auch hier beschäftigen: Lieferanten anbinden, IT aufsetzen und die Organisation aufbauen. Da gibts ein paar Berührungspunkte», sagt er im Gespräch mit BILANZ.
Hamburg und Krefeld
Die Experten sind sich nicht ganz einig darüber, was man von den Plänen der 70-prozentigen Migros-Tochter halten soll. Die Reaktionen reichen von «chancenlos» bis «macht Sinn». Letztes Jahr kündigte CEO Florian Teuteberg die Expansion an. Er hielt sich mit Superlativen zurück («Ich bin überzeugt, dass die Kunden in Deutschland unseren Onlineshop schätzen werden»), wollte aber nicht zahnlos klingen («Wenn wir in Deutschland erfolgreich sind, werden wir mit Galaxus in weitere Länder expandieren»).
Arbeitsorte werden Hamburg und Krefeld sein. Im Ruhrgebiet bei Düsseldorf steht die 6000 Quadratmeter grosse Lagerhalle, die sich Galaxus gemietet hat.
Galaxus.de wird rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft Ende Oktober oder Anfang November starten. Arbeitsorte werden Hamburg und – wie Hasselmann erstmals verrät – Krefeld sein. Im Ruhrgebiet bei Düsseldorf steht die 6000 Quadratmeter grosse Lagerhalle, die sich Galaxus gemietet hat. Sie ist keine zwei Kilometer vom nächsten DHL-Hub entfernt. Die Tochter der Deutschen Post verspricht, vom dortigen Standort aus ganz Deutschland am Folgetag der Bestellung beliefern zu können.
Eine Handvoll Leute
20 000 Artikel sollen im Lager Platz finden. «Wir können mit der Kapazität dort einen Umsatz bis zu 100 Millionen Euro abwickeln», erklärt Hasselmann. Sollte die Nachfrage auf Galaxus.de durch die Decke gehen, hat der ansässige Lager-Dienstleister bereits einen Ausbau der Kapazitäten in Aussicht gestellt.
Frank Hasselmann studierte in Tübingen sowie an der Yale University Betriebswirtschaft und Philosophie. Seine Karriere begann er als Unternehmensberater bei A.T. Kearney und McKinsey & Company mit Fokus auf Mobilfunk, Consumer Electronics und IT. Die letzten fünf Jahre war der gebürtige Bremer bei Linde als Manager tätig. Zuletzt war er als Head of Retail der Region Zentraleuropa zuständig für den Aufbau des Handelsgeschäfts. Der 39-jährige Deutsche ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Das gesamte Personal lässt sich an zwei Händen abzählen: fünf in Hamburg, fünf in Krefeld. Zumindest bis Ende Jahr. In der Hansestadt wird Marketing gemacht, das Business entwickelt und das Sortiment betreut. Die IT und das Lagersystem kommen aus der Schweiz. Hier wird auch die Website gepflegt. Die Deutschen profitieren von den über 100 Softwareingenieuren in Zürich.
Anderer Markt
Deutschland ist nicht vergleichbar mit der Schweiz. Amazon hat dort einen phänomenalen Marktanteil von 50 Prozent und wächst weiter. Mit neun Logistikzentren und 11 000 Mitarbeitern ist es der grösste Auslandmarkt des Onlinegiganten. In der Schweiz ist Amazon nur die Nummer zwei – hinter Digitec Galaxus. Die Schweizer schätzen Service, Übersichtlichkeit und wollen nachträgliche Zollgebühren vermeiden. Amazons Tempo und Auswahl sind in Deutschland unerreicht.
Galaxus muss auf andere Qualitäten setzen. Hasselmann spricht darum vom «lebendigen Online-Warenhaus» und meint vor allem die aktive Community. «Das gibt es in Deutschland in dieser Form nicht.» User schreiben Kommentare und beantworten sogar unentgeltlich Fragen von anderen Kunden. Angeblich gehen jeden Monat mehrere tausend Fragen und Antworten zu Produkten über die Site. «Für 70 Prozent aller Fragen gibt es innert drei Stunden eine Antwort», schwärmt Hasselmann. «Das ist wahnsinnig schnell.»
«Wir fokussieren erst auf IT, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik. Das, was wir am besten können.»
Frank Hasselmann
Doch die Community ist vor allem bei Elektronikware aktiv, die bekanntlich nicht das Kernsortiment von Galaxus darstellt. Hasselmann will deshalb mit diesen Produkten in Deutschland starten: «Wir fokussieren erst auf IT, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik. Das, was wir am besten können.» Da sind nicht nur die meisten Bewertungen, sondern auch die besten Lieferantenbeziehungen. Der Rest kommt später. Ein Marktplatzmodell mit Dritthändlern wie in der Schweiz steht bestenfalls in einem nächsten Schritt zur Debatte. Hier ist die Konkurrenz von Amazon in Deutschland schon viel zu gross.
Genauso wie im Drücken von Preisen. Der deutsche Onlinehandel ist von der Schnäppchenjagd geprägt. Amazons Verfolger – Otto, Zalando und Notebooksbilliger.de – sind ebenfalls Tiefstpreisprofis. Galaxus wird wegen des kleineren Einkaufsvolumens nicht mithalten können. «Das Ziel ist nicht, per se die tiefsten Preise zu haben», sagt Hasselmann und verwendet für die Positionierung eine Floskel: «Wir werden uns gleichauf mit den relevanten Wettbewerbern positionieren.»
Deutschland-Trauma
Dieses Jahr wird Digitec Galaxus über eine Milliarde Umsatz machen. Galaxus alleine ist letztes Jahr um 40 Prozent gewachsen. Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen liebt die erfolgreiche Onlinetochter. Sein Vorgänger musste sich die Vormachtstellung im digitalen Handel vor fünf Jahren noch teuer erkaufen. Die Deutschland-Expansion könnte nun aber ein altes Trauma reaktivieren: Im Ausland hat die Migros fast nur Flops produziert.
Hasselmann nimmt das Dilemma zur Kenntnis: «Ich habe das am Rande mitbekommen», sagt er. «Aber wir haben jetzt nicht im ersten Schritt gleich Traumabewältigung gemacht.»