Gut möglich, dass sich unsere Nachkommen dereinst am Kopf kratzen, wenn sie vom Boom der Bit-, Doge- und anderen Kunst-Coins hören. Und dass sie sich fragen werden: Wie konnten die nur? Es ist ja durchaus verblüffend, dass Menschen Unsummen ausgeben für sogenannte Währungen, die kaum als Zahlungsmittel eingesetzt werden können. Beziehungsweise für etwas, das ein Wertspeicher sein soll, aber wild schwankende Kurse hat.

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Wie konnten die nur? Der Vergleich mit der legendären Tulpen-Blase des 17. Jahrhunderts ist schon vielen eingefallen. Auch da fragt man sich bis heute: Wie kamen die damals auf die Idee, etwas so Vergängliches wie Blumenzwiebeln mit Gold aufzuwiegen? Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die niederländischen Tulpen-Spekulanten gar nicht so irr waren, wie sie heute wirken. Und dass die historischen Ereignisse verblüffende Parallelen zum Jahr 2021 haben.

Von Gold zu Schweinefrass

Wie üblich bei Spekulationsblasen, so stiegen auch in den Niederlanden die Preise für Tulpenzwiebeln ab etwa 1630 erst stetig, dann immer steiler an, um am Ende das Zwanzigfache eines durchschnittlichen Handwerkerjahreslohnes zu erreichen. Doch Anfang Februar 1637 platzte der bunte Traum: Die Preise brachen zusammen, wertvollste Zwiebeln wurden innert Tagen zu Schweinefrass.

«Heute, fast vier Jahrhunderte nach dem Crash, sehen wir die Folgen: Die Niederlande sind der wichtigste Tulpenproduzent der Welt.»

Was verbindet die Tulpen mit den Token? Erstens hatte man es auch da mit etwas völlig Neuem zu tun – was bekanntlich Unsicherheiten schafft und es erschwert, Preise zu bestimmen.

Die Liliengewächse der Gattung Tulipa waren erst einige Jahrzehnte zuvor aus dem Osmanischen Reich in den Norden gelangt. Ihre Zucht wurde dann langsam zum Hobby gehobener Kreise, daraus entstand ein Wettbewerb, wer den schönsten Garten hat, was wiederum die Preise anhob.

Und was schliesslich in einen Spekulationszirkus ausartete, der auch von schönen Vermarktungsaktionen begleitet war: Die Händler brachten Stiche in Umlauf, auf denen sie ihre Blüten mit blumigen Worten und bombastischen Namen anpriesen.

Speziell bemerkenswert wirkt nun aber eine andere Parallele: die Epidemie. In den Niederlanden wütete zwischen 1625 und 1640 mehrfach die Pest. Dadurch kamen viele Menschen plötzlich an ein Erbe. Zugleich wurde die Mentalität offenbar fahrlässiger: Die Unsicherheiten des Lebens verleiteten zu einem salopperen Umgang mit Geld; also auch zu Investments in unbekanntem Terrain.

Blumen-Grossmacht Niederlande

Der nachfolgende Crash könnte also gerade heute eine Warnung sein. Doch da gibt es noch eine andere Lektion: Manchem Tulpenzwiebel-Jäger gelang ein echtes Investment. Gärtner wissen, dass sich die Tulpe über Tochterzwiebeln vermehrt. Wer also ein schönes Exemplar hat, kann mit der Zeit einen ganzen Garten damit füllen. Dann ein ganzes Feld. Und schliesslich eine Zucht, die schönes Geld einbringt.

Und so lief es im alten Holland wie oft bei Blasen: Nach dem reinigenden Gewitter ging das Business irgendwie weiter. Die Gärtner gärtnerten, die Sammler sammelten, die Händler handelten mit Tulpenzwiebeln und die Spekulanten waren weg. Heute, fast vier Jahrhunderte nach dem Crash, sehen wir die Folgen besser denn je: Die Niederlande sind der wichtigste Tulpenproduzent der Erde. Sie sind eine Grossmacht im Anbau von Blumen. Fast zwei Drittel aller Blumen dieser Welt werden über niederländische Börsen gehandelt. Und im Frühjahr strömen tausende Touristen ins flache Land, um das Farbenmeer der Tulpenfelder zu bestaunen. 

Wer hat da schon wieder über die Tulpen-Blase gelacht?