Deutlich angestiegene Zinsen sowie grosse Marktschwankungen in den letzten drei Jahren lassen Anleger und Anlegerinnen verstärkt nach Sicherheit suchen. Weniger Kreditrisiken einzugehen und auf eine passive Strategie zu vertrauen, hat aber seine Tücken.
Nachdem die Zinsen im Jahr 2022 deutlich angestiegen sind, wurde viel über die Wiederauferstehung der Bondmärkte geschrieben. Zum einen sind private Anlegerinnen und Anleger wieder an Anleihen interessiert. Zum anderen hielten es institutionelle Anleger für angebracht, ihre Strategie für CHF-Anleihen aufgrund der dramatischen Marktveränderungen zu überdenken.
Einige Anlegende kamen dabei zum Schluss, zukünftig weniger Kreditrisiken einzugehen, weil man nun auch für bessere Qualität wieder eine ansprechende Entschädigung erhält. Zusätzlich verknüpften sie diese Strategieänderung häufig mit einem Wechsel von aktiven Anlagelösungen zu eher passiven Umsetzungen. Nach unserer Einschätzung sollten beide Strategieänderungen kritisch hinterfragt werden.
Ein Blick auf die Performancezahlen der letzten drei Anlagejahre zeigt, dass es zu ungewöhnlich viel Volatilität und vergleichsweise grossen Performancerückschlägen kam. Nach der Covid-Krise im Frühjahr 2020 brach zwei Jahre später der Krieg in der Ukraine aus. Im März 2023 schliesslich mündete eine Bankenkrise in den Sturz der Credit Suisse. Diese Ereignisse sowie aufkommende Ängste vor einer anstehenden Rezession haben möglicherweise dazu beigetragen, dass die Aversion gegenüber Kreditrisiken teilweise gestiegen ist und einige Anlegerinnen und Anleger die Sicherheit in ihren Anleihenportfolios erhöhen wollen.
Über den Autor
Markus Thöny ist Head of Swiss Fixed Income bei Lombard Odier Investment Managers.
Renditevergleich bringt Klarheit
Zunächst stellt sich die Frage, was mehr Sicherheit eigentlich konkret bedeutet. Nicht zu vergessen ist, dass die Anlegenden im Anlagejahr 2022 mit «risikolosen» Schweizer Staatsanleihen circa 17 Prozent verloren. Franken-Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating verloren rund 9 Prozent und schnitten folglich auch besser ab als der SBI AAA-BBB Index, der um über 12 Prozent nachgab.
Selbst wenn dieser Vergleich auf die letzten drei Jahre ausgedehnt wird, die aus einer Kreditrisikosicht sehr herausfordernd waren, ergibt sich ein ähnliches Bild. Mit einem Verlust von 8,4 Prozent schnitten Franken-Unternehmensanleihen von Ende 2019 bis März 2023 im Vergleich sehr gut ab.
Hauptgrund für die bessere Wertentwicklung ist, dass Franken-Unternehmensanleihen im Vergleich zum SBI AAA-BBB Index oder zum Eidgenossen-Index im Schnitt weniger Zinsrisiken beinhalten. Natürlich litten Unternehmensanleihen insgesamt etwas stärker unter den sich ausweitenden Kreditrisikoprämien. Die kleineren Zinsrisiken führten aber dazu, dass der Gesamtverlust am geringsten ausfiel. Es stellte sich somit einmal mehr heraus, dass das Zinsrisiko in einem gut diversifizierten Franken-Anleihenportfolio wesentlich stärker für Renditeschwankungen verantwortlich ist als das Kreditrisiko.
Weil die Strategie mit weniger Kreditrisiko und mehr Sicherheit zumeist zu einem höheren Zinsrisiko führt, weist das vermeintlich sicherere Portfolio in der Regel eine grössere Return-Volatilität auf. Das grössere Schwankungsrisiko wird jedoch nicht mit einer zusätzlichen Risikoprämie belohnt. Aufgrund der niedrigeren Risikoentschädigung sowie der aktuell flachen Zinsstruktur, die nicht für zusätzliche Laufzeitrisiken entschädigt, weist der SBI AAA-BBB Index aktuell eine um nahezu 0,5 Prozent niedrigere Verfallrendite auf als der SBI Corporate Index.
Ende 2019 war der Renditevorteil von Unternehmensanleihen hingegen noch geringer und lag bei knapp über 0,2 Prozent. Folglich stellt sich die Frage, warum sich eine Anlegerin oder ein Anleger heute eher gegen Unternehmensanleihen und für mehr Sicherheit entscheidet, dies aber Ende 2019 unterliess. Aus einer Risiko-Rendite-Perspektive sind Franken-Unternehmensanleihen heute noch attraktiver als damals.
Kreditrisiken eingehen lohnt sich wieder
Bleibt noch das Argument mit der im Fall von sinkenden Zinsen vorteilhaften längeren Duration. Weil die Zinskurve aktuell flach ist und bei allfälligen Zinsrückgängen erwartungsgemäss wieder steiler wird, ist der Nachteil der kürzeren Duration von Unternehmensanleihen aktuell bedeutend kleiner. Zudem können die gegenwärtig höheren Risikoprämien für Unternehmensanleihen die Nachteile durch die Zinsrisiken insbesondere bei längeren Anlagehorizonten viel besser kompensieren.
Wenn der Wunsch nach mehr Sicherheit weniger auf der Volatilität, sondern mehr auf dem Ausfallrisiko basiert, lässt sich Folgendes feststellen: Das Ausfallrisiko von Franken-Anleihen ist trotz der Turbulenzen der letzten drei Jahre noch immer gering und lässt sich durch ein gut diversifiziertes Kreditportfolio weiter minimieren.
Weil die Prämien für das Eingehen von Zins- und vor allem auch Kreditrisiken wieder deutlich höher sind, besitzen die Anlegerinnen und Anleger aktuell einen viel besseren Puffer gegenüber Marktschwankungen. Wird beispielsweise eine Verdoppelung der aktuellen Kreditrisikoprämien unterstellt, so schneiden Franken-Unternehmensanleihen bereits ab einem Anlagehorizont von zwei Jahren besser ab als der SBI AAA-BBB Index. Bei noch längeren Anlagehorizonten zahlt sich die zusätzliche «Credit Carry» zunehmend stärker aus.
Basierend auf einem Blick in die Vergangenheit sowie auf die zukünftigen Risiko-Rendite-Erwartungen ergibt sich kein strategischer Grund, Unternehmensanleihen am Franken-Kapitalmarkt den Rücken zu kehren und über den SBI AAA-BBB Index mehr Qualität zu kaufen. Ein solcher Strategiewechsel wäre zusätzlich auch mit erheblichen Transaktionskosten verbunden.
Auf mittlere und lange Sicht weist ein gut diversifiziertes Portfolio mit CHF-Unternehmensanleihen und einer Duration von rund fünf Jahren nach wie vor das beste Risiko-Rendite-Profil auf.
Ideales Umfeld
Ein volatiles Marktumfeld mit Performancerückschlägen und Zahlungsausfällen führt in der Regel dazu, dass die Risikoaversion steigt und aktiven Anlagelösungen stärker auf den Zahn gefühlt wird.
Häufig wird jedoch aufgrund der gestiegenen Risikoaversion vergessen, dass es speziell in einem solchen Marktumfeld zu mehr Opportunitäten kommt. Insofern handelt es sich aktuell um ein ideales Umfeld für aktive Anlagelösungen. Denn schliesslich kann aktives Management langfristig nur dann funktionieren, wenn es am Markt zu Opportunitäten mit Preisverzerrungen kommt.