Mein Weg in den schnellen Reichtum begann Anfang März. Da landete eine Medienmitteilung in meinem Postfach und verkündete, dass Atari ein kryptobasiertes Game-Casino lanciert: irgendwas mit NFT. Ich hatte keinen Schimmer, worum es geht, doch zwei Dinge packten mich. Erstens der Name Atari, zweitens die Abkürzung NFT.
Atari, das sei den Millennials hier erklärt, war in der Steinzeit der Digitalisierung ein grosser Name. In Kalifornien gegründet, stieg es in den frühen 1980ern auf zum führenden Videogame-Hersteller, dann wurde es mit Heimcomputern sogar ein starker Konkurrent für Apple.
Aber nur kurz. Noch bevor das Internet überhaupt abhob, war die Marke wieder weg vom Fenster. Jetzt erfuhr ich, dass Atari nach einem wilden Hin und Her als Game-Entwickler in Frankreich weiterlebt und sogar an der Börse kotiert ist. Da schau an!
Comeback der Vergessenen
Die Abkürzung NFT wiederum stoppte mich, weil kurz zuvor ein Bild für 69 Millionen Dollar verkauft worden war, das mit der NFT-Technik verschlüsselt wurde. Kurz: NFT ist ein unglaublicher Hype. Und eins plus eins gibt zwei. Bekanntlich erlebte man es in letzter Zeit mehrfach, dass Aktien von Firmen wie Nokia, Blackberry und Gamestop hochgepeitscht wurden: Fast vergessene Namen aus früheren IT-Epochen – und mit Aktienpreisen irgendwo im Penny-Bereich – jagten durch die Decke. Namen, die wie Atari klangen.
Ich schaute also auf die Kurslisten: 0,50 Euro. Da gab es nur eines: einsteigen, sofort. Die Atari-Aktie hatte zwar da schon ein Kurs-Gewinn-Verhältnis über 300; die Umsätze waren im letzten Halbjahr um 25 Prozent gesunken (nichts da von Growth-Aktie); und die Website sah auch nicht gerade aus, wie man sich das Nintendo der Blockchain-Ära vorstellt. Aber egal: Jetzt wollte ich auch mal dabei sein bei einem wilden Run.
Ich setzte knapp 1000 Franken – und prompt hob der Lift ab. Fast jeden Tag hohe Zuwächse, mal eine kurze Korrektur, dann wieder plus 20 Prozent. Als ich 300 Franken gewonnen hatte, begann ich mich zu ärgern, dass ich nicht das Zehnfache gesetzt hatte. Bei 600 Franken verstand ich all jene Gambler, die Lombardkredite aufnehmen, um ihre Chancen zu multiplizieren.
Mehr Mut – und vielleicht könnte ich bald locker in der Bar erzählen: «Habe den Job geschmissen. Bin jetzt Investor. Krypto, NFT und so. Kennst du ja.»
Hoffentlich kommt's nicht besser
Normalerweise orientiere ich mich ja an Warren Buffetts Weisheit, nur in Firmen zu investieren, die auch ein Idiot leiten kann. Darum drängelte mich im Hinterkopf immer die andere Frage: Sollte ich das jetzt nicht einsacken? Zwei Wochen später, beim Kurs von gut 80 Cents, wurde ich schwach. Der Atari-Aktienlift ruckelte inzwischen kräftig und Tagesverluste über 10 Prozent gehörten eben auch dazu.
Ich hatte ein paar hundert Franken geholt, aber war ich zufrieden damit? Keineswegs. Denn jetzt frage ich mich ständig bang, ob Atari nicht noch weiter nach oben schiesst.
Das wahre Trader-Gefühl ist offenbar der Frust. Ganz egal, ob man gewinnt oder verliert.