Die Realwirtschaft erlebte im April auf globaler Ebene einen katastrophalen Einbruch, der als Jahrhundertrezession in die Geschichte eingehen könnte. Alleine in den USA stellten 26 Millionen Menschen einen Erstantrag auf Arbeitslosenhilfe und global sind tausende Firmen durch die Corona-Krise und die Lockdowns unmittelbar in ihrer Existenz bedroht. Die Weltwirtschaft wird laut IWF 2020 um 3 Prozent schrumpfen. Eine halbe Milliarde Menschen könnten in Folge der Krise in die Armut zurückfallen, warnt Oxfam.

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Und die Börsen? Seit dem Crash von Ende März, als die Pandemie-Massnahmen eingeführt wurden, hat eine Erholungsrally eingesetzt. Ob in den USA, in Europa oder in Japan: Überall legten die Börsen massiv zu. Der US-Leitindex Dow Jones steht inzwischen rund 30 Prozent über dem tiefsten Stand in diesem Jahr.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Börsen in einer Krise zulegen. Aber die Diskrepanz zwischen der echten Welt und den Märkten war noch nie so krass wie in diesem Jahr. Es gibt fünf Gründe dafür.

1. Staaten pumpen Billionen in die Wirtschaft

Wichtigste Auslöser für die steigenden Kurse sind die Geldschwemme der Zentralbanken und die Hilfspakete der Regierungen. Alleine die US-Notenbank Federal Reserve könnte mit Ausleihungen und Rückkäufen über 8 Billionen Dollar in die Wirtschaft fliessen lassen, erwarten Experten laut der US-Zeitschrift «Time».

Dazu kommen in den USA die Hilfspakete des Kongresses, in der Höhe von bisher fast 3 Billionen Dollar. Ähnliche Massnahmen sind auch in Japan und Europa geplant. Die G20-Regierungschefs bekundeten Ende März die Bereitschaft mit finanzpolitischen und wirtschaftlichen Massnahmen und Bürgschaften mehr als 5 Billionen Dollar in die Weltwirtschaft zu investieren.

Liquidität ist angesichts solcher geldpolitischer «Bazookas» genügend vorhanden und die Zinsen bleiben bis auf Weiteres tief, was Aktienkäufe attraktiv macht.

2. Angst vor Inflation macht Bargeld unattraktiv

Vor dem Hintergrund der Geldschwemme droht nach der Krise eine Erhöhung der Inflation. Höhere Zinsen zur Eindämmung der Inflation werden aber wegen der massiven Verschuldung kaum möglich sein. Staaten und Firmen könnten ansonsten Bankrott gehen. Die Folge: Sparer wären die grossen Verlierer der Krise.

Langfristig haben Aktien im Vergleich zu Bargeld zudem immer besser abgeschnitten. Weil im Zuge des Öl-Crashs – wegen des Streits zwischen Saudi-Arabien und Russland und des Einbruchs in der Industrieproduktion – auch Rohstoffe keine gute Wette sind, herrscht ein akuter Anlagenotstand. Auch die hoch-spekulative Krypto-«Währung» Bitcoin hat in den letzten Wochen stark zugelegt.

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3. Bewertungen sind niedrig

Nach dem längsten Bullenmarkt der Geschichte erreichten die US-Indizes Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 ebenso wie der Schweizer SMI und der deutsche Dax im Februar ihre bisherigen Allzeithochs. Nachdem ein Einstieg zuvor jahrelang teuer war, brachte der Einbruch um 30 Prozent und mehr in den meisten G20-Märkten eine unverhoffte Einstiegschance.

Wegen der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken seit der Finanzkrise ab 2007 sind Aktien schon lange attraktiv. Der Crash im März ändert nichts an der verbreiteten Meinung, dass Aktien langfristig gute Erfolgsaussichten haben.

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4. Anleger erwarten nach den Lockerungen eine Erholung

Es ist klar, die Börsenkurse widerspiegeln nicht die aktuelle Wirtschaftslage. Sondern sie zeigen die Erwartungen an die Zukunft. Und diese sieht nach den im April geplanten und nun an vielen Orten bereits begonnenen Lockerungen gar nicht mehr so düster aus.

Angetrieben von Staatshilfen für Firmen und Bürger erwarten viele Investoren bereits im Herbst eine Erholung des Konsums. Allerdings gibt es auch warnende Stimmen wie Value-Guru Hendrik Leber von Acatis Investment: Ihm erscheint die Erholung an den Märkten angesichts nicht eingepreister Spätfolgen zu drastisch.

5. Gewisse Firmen profitieren von der Pandemie

Die Börsenlandschaft wird nach der Corona-Krise eine andere sein. Firmen wie Boeing in den USA oder Swatch und Swiss Re in der Schweiz konnten an der Börse nicht von der Erholung profitieren. Kein Wunder: Sie sind auch in ihrem Geschäftsgang stark und direkt von der Situation betroffen.

Die Krise bringt eine Verschiebung ins Internet – und Amazon, Apple, Microsoft, Facebook und Google gehören zu den Firmen mit der grössten Marktkapitalisierung. Besonders Amazon ist auch in der realen Welt ein eindeutiger Profiteur der Pandemie. Das widerspiegelt sich an der Börse.

In der Schweiz ist der Pharmariese Roche gut durch die Krise gekommen und hat im April bereits wieder einen neuen Höchststand erreicht.

Das hat Folgen: Börsen-Elefanten wie Roche und Nestlé hierzulande oder Apple und Google in den USA ziehen mit ihrem Gewicht die Indizes nach oben – und dies wiederum prägt die Stimmung positiv.

Fazit

Ob die aktuelle Börsenrally mehr als ein Dead-Cat-Bounce ist, wie ein verzweifeltes Aufbäumen vor einem noch schlimmeren Crash genannt wird? Das hängt zum Teil von der Entwicklung der Pandemie ab. Wenn es wegen eines erneuten massiven Anstiegs der Erkrankungen zu weiteren Lockdowns kommen sollte, könnte auch den Märkten schnell wieder der Mut ausgehen.

Doch es besteht auch die Hoffnung, dass die Börsen tatsächlich schon jetzt die kommende Erholung vorwegnehmen. In diesem Fall wäre die Corona-Krise kein Weltuntergang gewesen, zumindest nicht in den reichen Ländern des Nordens. In Afrika und anderen armen Gebieten droht dagegen eine Katastrophe «biblischen Ausmasses», wie das World Food Programme warnte. Denn diese Länder können ihre Wirtschaft nicht mit der Gelddruckmaschine wieder in Fahrt bringen.

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