Spitzenarchitektur, viel Grün und ein hierarchieloses Gebäude – der neue Apple Park (ehemals Apple Campus 2) in Cupertino wurde lange Zeit mit Lob überhäuft. Doch nicht alle Architekten und Stadtplaner finden das kreisförmige Gebäude von Stararchitekt Norman Foster grossartig. Ein vielbeachteter Artikel im Technologie-Magazin «Wired» kritisiert den Bau heftig – und zeigt die problematischen Aspekte des 5-Milliarden-Dollar-Palastes auf.
Das Projekt sei ein «in Glas verpackter Anachronismus», schreibt Adam Rogers. Architektonisch und städtebaulich passe das Raumschiff, wie das Gebäude wegen seiner Form genannt wird, nicht in die heutige Zeit. Die Hauptkritik des Artikels: Sowohl die Stadt Cupertino als auch das gesamte Silicon Valley würden vom Bau nicht profitieren, sondern hätten eher Nachteile zu befürchten.
Mehr Verkehr
Die typischen Probleme von amerikanischen Vorstädten – namentlich viel Verkehr und wenig Wohnraum – werden durch den Apple Park nicht angegangen, sagt auch Urbanismus-Expertin und Journalistin Allison Arieff. «Angesichts der fast unbegrenzten Mittel hätte Apple alles Mögliche machen können.» Doch ausgerechnet diese wichtigen Fragen hätten bei der Planung keine Rolle gespielt.
Ein Beispiel: Der Neubau liegt über fünf Kilometer von der nächsten Bahnstation entfernt. Im neuen Gebäude werden 12'000 Menschen arbeiten, Apple stellt für sie 9000 Parkplätze bereit. Für das ohnehin schon verkehrsgeplagte Silicon Valley wird dies eine zusätzliche Belastung, denn Apple selbst schätzt, dass nur etwa 10 Prozent der Mitarbeiter in Cupertino leben werden.
Private Beförderungssysteme
90 Prozent der Mitarbeitenden im Raumschiff werden demnach pendeln. Die meisten von ihnen leben in den nahen Grossstädten San José und San Francisco. Zwar stellt Apple Shuttlebusse zur Verfügung. Doch der motorisierte Individualverkehr bleibt das am häufigsten genutzte Fortbewegungsmittel der Pendler.
Apple will nach eigenen Angaben mit den Bussen die Zahl der Fahrten zur Arbeit mit nur dem Fahrer als Passagier auf 66 Prozent senken. Die Busse sind indes umstritten, weil Techfirmen wie Apple oder auch Google lieber ihre privaten Beförderungssysteme ausbauen, als den vernachlässigten öffentlichen Verkehr im Silicon Valley zu unterstützen. Heute nutzen nur 1,5 Prozent der Apple-Mitarbeiter in Cupertino den öffentlichen Verkehr für den Arbeitsweg.
Horrende Immobilienpreise
Ein weiteres Problem ist die Wohnsituation in der San Francisco Bay Area: Während die Techgiganten jedes Jahr zehntausende neue Jobs schaffen, kommen die Gemeinden nicht mit dem Wohnungsbau nach. Die Folge sind horrende Immobilienpreise. Seit 2010 sind die Mieten in San Francisco um rund 50 Prozent gestiegen, die Häuserpreise haben sich seit 2009 ungefähr verdoppelt.
Google und Facebook haben wegen dem Wohnungsmangel in der Bay Area selbst die Initiative ergriffen und stellen vorgefertigte Appartements für die Mitarbeiter auf – als Zwischenlösung. Langfristig raten manche Experten bereits dazu, auf den Firmengeländen der Techunternehmen für die Mitarbeiter Hochhäuser zu errichten.
«Weisser Elefant»
Die 71-Hektar-Anlage von Apple passt in dieser Hinsicht nicht ins Bild, wie Rogers auf «Wired» bemerkt. Apple betreibt mit dem Raumschiff das Gegenteil von Verdichtung. Zudem sei das Gebäude ein «weisser Elefant», sagt Berkley-Architektin Louise Mozingo. Der 5-Milliarden-Dollar-Bürobau sei unglaublich spezifisch auf Apple zugeschnitten. «Niemand wird jemals in Steve Jobs altes Gebäude einziehen.»
Zwar liegt ein theoretischer Niedergang von Apple natürlich in weiter Ferne. Doch keine Firma bleibt ewig an der Spitze. Und gerade im Silicon Valley – wo sich Unternehmen aus der Garage zu Weltkonzernen entwickelt haben – ist man mit austauschbaren Gebäuden gut gefahren, wie Mozingo in ihrem Buch «Pastoral Capitalism: A History of Suburban Corporate Landscapes» zeigt.
Steve Jobs «Pyramide»
Grosse Teile des heutigen Apple-Campus wurden früher von Hewlett Packard genutzt. Google hat sich auf dem ehemaligen Land von Silicon Graphics breitgemacht. Dies sei der «Kreislauf des Lebens», so Rogers. Doch mit einem Prestigebau wie dem Apple Park werde dieser Kreislauf unterbrochen.
Architektonisch lässt Apples Raumschiff kaum Wünsche offen. Mit der Vermischung von Hochtechnologie und Natur zu einer künstlichen Landschaft weist Apple in dieser Hinsicht den Weg in die Zukunft. Städtebaulich dagegen ist der Apple Park für Rogers eine «Pyramide» – ein Monument für Steve Jobs und seine Weltsicht, welches besser ins letzte Jahrhundert als in die Zukunft passt.
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