Gleich zwei Mal hat der Schweizer Souverän dieses Jahr über die Zukunft der Altersvorsorge abgestimmt. Dabei standen jeweils isolierte Themen im Fokus. In einem Communiqué schreibt die liberale Denkfabrik Avenir Suisse, dass man dabei vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr gesehen habe. Der Think Tank fragte sich, ob das Schweizer System der Altersvorsorge als Ganzes noch zeitgemäss sei und hat aus diesem Grund eine Studie durchgeführt, deren wichtigsten Resultate in der Mitteilung aufgeführt sind.

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Altersarmut vor der Pensionierung bekämpfen

Für die Mehrheit der Rentnerinnen und Rentner ist das Alter gemäss der Studie an sich kein akutes Armutsrisiko mehr. Eine Minderheit der Senioren ist aber dennoch von Armut betroffen. Betrachte man nur die Neurentner, stelle man fest, dass zwar 92 Prozent von ihnen bei der Pensionierung ohne zusätzliche staatliche Hilfe über die Runde kommen. Gleichzeitig seinen 8 Prozent unmittelbar nach der Pensionierung abhängig von Ergänzungsleistungen (EL), schreiben die Autorinnen und Autoren in ihrem Bericht.

Allerdings waren Dreiviertel dieser EL-Bezüger bereits vor der Pensionierung auf die Invalidenversicherung oder Sozialhilfe angewiesen, heben die Forscher hervor. Nur 2 Prozent der Neurentner wird erst bei der Pensionierung arm. Wie die Autorenschaft in ihrer Studie zeigen, lasse sich Altersarmut deshalb am besten vor dem Eintritt ins Rentenalter durch eine stärkere Beteiligung am Arbeitsmarkt bekämpfen.

Resilientes Drei-Säulen-System mit Verbesserungspotenzial

Trotz Wirtschaftskrisen und Kriegen in Europa habe sich das Drei-Säulen-System bewährt, folgern die Forschenden von Avenir Suisse. So seien die Leistungen der beruflichen Vorsorge seit 2015 weitgehend erhalten geblieben. Weil die Erwerbsbiografien vielfältiger würden und die Lebenserwartung weiter steige, seien jedoch punktuelle Anpassungen nötig, etwa beim Zugang: Durch eine Senkung des Koordinationsabzugs könnte der Zugang zur beruflichen Vorsorge verbessert werden, besonders für Personen in Teilzeitbeschäftigung. Zudem würde die Möglichkeit, nachträglich Beitragslücken in der Säule 3a zu schliessen, jenen Menschen eine bessere Absicherung gestatten, die ihre Berufskarriere unterbrochen haben.

Ein Bonus in der Pensionkasse

Ein weiterer Punkt stellt die Rentenhöhe dar: Die bestehenden Renten liessen sich in der zweiten Säule durch einen moderaten variablen Bonus verbessern. Die Pensionskassen könnten ihren Versicherten, so der Vorschlag des Autorenteams, einen Bonus anbieten, sofern die Anlageergebnisse und die finanzielle Situation der Kasse dies erlauben würden.

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Auch beim Rentenalter sieht Avenir Suisse Handlungsspielraum: Ein möglichst freiwilliges Aufschieben des Pensionierungszeitpunkts sollte als Chance für höhere Renten und damit mehr Wohlstand im Alter gesehen werden können. Wer länger arbeite, könne sein Vermögen länger äufnen und müsse auch weniger lang davon zehren. Damit könne die Rentenhöhe über alle drei Säulen verbessert werden, ohne dabei die künftigen Generationen zusätzlich zu belasten.

Ein Fünf-Säulen-System zur Berücksichtigung der Langzeitpflege

Die Schweizer Altersvorsorge ist laut Avenir Suisse auch deshalb so leistungsfähig, weil die einzelnen Säulen unterschiedlich finanziert werden: die AHV durch das Umlageverfahren, die berufliche Vorsorge sowie das private Sparen durch das Kapitaldeckungsverfahren. Diese positive Erfahrung gelte es zu nutzen, wenn es um die Finanzierung der Gesundheitskosten im letzten Lebensabschnitt gehe, so die Forschenden weiter. Die steigenden Kosten für die Pflege würden heute primär von der Krankenkasse und immer mehr auch von der Allgemeinheit getragen, schreiben sie. Dieses Problem werde sich mit der demografischen Entwicklung denn auch weiter verschärfen. Deshalb brauche es hier eine neue Lösung, die stärker auf die private Vorsorge setzt.

Vererbbares Pflegekapital

Wie bei der Altersvorsorge empfehle sich dabei eine Finanzierung, die auch auf dem Kapitaldeckungsverfahren beruht: Die Kosten für die Akutversorgung, etwa Behandlungen in einer Arztpraxis oder in einem Spital, sollen wie bisher von der Krankenversicherung übernommen werden. Im Kontext einer umfassenden Altersvorsorge wäre das die vierte Säule, schreiben die Forschenden. Die Langzeitpflege dagegen solle durch eine neue, fünfte Säule abgedeckt werden. Sie wäre ähnlich wie die berufliche Vorsorge organisiert. Demnach würde man ein privates, vererbbares Pflegekapital ansparen. Dadurch würde das Schweizer Vorsorgesystem zu einem Fünf-Säulen-Modell werden. (pd/hzi/hoh)

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