Herr Cosandey, ein zentraler Punkt Ihrer Studie zur Modernisierung des Drei-Säulen-Systems ist ein Pflegekapital im Kapitaldeckungsverfahren. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Ihr Modell nicht diejenigen benachteiligt, die während ihres Erwerbslebens nicht genügend Vermögen ansparen konnten?
Mit unserem Modell soll jede und jeder in Würde altern können. Diejenigen, die es können, zahlen einen monatlichen Beitrag in das Pflegekapital ein. Diejenigen, die es finanziell nicht verkraften, werden von dieser Pflicht befreit.
Die Kosten für das Gesundheitssystem, aber auch jene für die Bekämpfung des Klimawandels oder den Wiederaufbau unserer Verteidigung werden jüngere Generationen erheblich belasten. Ist das etwa sozialverträglich?
Jérôme Cosandey, Directeur Romand von Avenir Suisse
Zudem, wer sein Pflegekapital verbraucht hat, zum Beispiel nach einem langen Pflegeheimaufenthalt, wird vom Staat unterstützt. Diese subsidiäre Unterstützung ähnelt den heutigen Ergänzungsleistungen.
Im Fünf-Säulen-Modell sollen die Langzeitpflegekosten stärker privat getragen werden. Hält Avenir Suisse diese Verschiebung hin zur privaten Vorsorge für sozialverträglich? Schliesslich steigen die Gesundheitskosten immer weiter, und die Bevölkerung wird immer älter.
Die Kosten für das Gesundheitssystem, aber auch jene für die Bekämpfung des Klimawandels oder den Wiederaufbau unserer Verteidigung werden jüngere Generationen erheblich belasten. Ist das etwa sozialverträglich? Es ist uns wichtig, ein System für die Langzeitpflege zu schaffen, das die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung stärkt. Gleichzeitig sollen die Senioren mit bescheidenen Mitteln nicht auf der Strecke bleiben.
Im vorgeschlagenen Modell bleibt die Krankenversicherung für Akutbehandlungen zuständig. Gibt es konkrete Überlegungen, wie man sicherstellen kann, dass die Krankenversicherung bei weiter steigenden Kosten weiterhin tragfähig bleibt, und wie könnte diese Grenze zwischen Langzeitpflege und Akutversorgung klar gezogen werden?
Unser Modell regelt «nur» die Finanzierung der Langzeitpflege. Die Kostenentwicklung der Akutpflege ist eine separate Baustelle, für welche unser Pflegekapital keine neue Lösung bietet, aber auch keine Verschlechterung.
Für diejenigen, die keine Mittel haben, springt der Staat ein. Niemand wird schlechtergestellt.
Jérôme Cosandey, Directeur Romand von Avenir Suisse
Die Grenzen zwischen den beiden Bereichen existieren heute schon. Die Leistungen der Langzeitpflege sind rechtlich definiert und werden anders vergütet als diejenigen der Akutsomatik. Mit dem Pflegekapital ändern wir lediglich die Art dieser separaten Vergütung, nicht die Leistungsdefinitionen.
Das vorgeschlagene Pflegekapital soll vererbbar sein, wenn es für Pflegeleistungen nicht vollständig aufgebraucht wird. Wie soll gewährleistet sein, dass diese Vererbbarkeit nicht zu einer ungleichen Belastung führt, indem diejenigen, die keine Ersparnisse für die Pflege ansammeln konnten, auf die solidarische Unterstützung der Gesellschaft angewiesen bleiben?
Mit dem Pflegekapital setzt man stärker auf die Eigenverantwortung und schont so die Sozialausgaben, was Spielraum für die Unterstützung derjenigen eröffnet, die kein Pflegekapital bilden können. Viele Seniorinnen und Senioren möchten ihren Nachkommen etwas vererben, eine Spur hinterlassen. Dies könnte die Familien ermuntern, ein ressourcenschonendes Pflegesetting zu suchen. Für jene, die keine Mittel haben, springt der Staat ein. Niemand wird schlechtergestellt.