Darum geht's
  • Jurrit Herber und Pierre-Louis Chabert, Risikomanager bei Eviosys und Alcon, betonen die Herausforderungen beim Umgang mit firmenspezifischen Risiken und den Schwierigkeiten, geeignete Versicherungspartner zu finden.
  • Beide Unternehmen müssen oft selbst Risiken tragen, da Versicherer aufgrund vergangener Verluste restriktive Bedingungen stellen und pauschale Ausschlüsse anwenden.
  • Herber und Chabert setzen auf langfristige Partnerschaften mit Brokern und Versicherern sowie den Austausch in Fachverbänden, um ihre Risikomanagementstrategien zu optimieren und gemeinsame Lösungen zu finden.
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Spricht man Jurrit Herber und Pierre-Louis Chabert auf firmenspezifische Risiken an, werden beide schweigsam. Herber ist Leiter Risikomanagement und Real-Estate-Management bei der Eviosys Packaging Switzerland in Zug und zuständig für 44 Produktionsstätten in 17 Ländern. Chabert ist Direktor Versicherung und Risk-Management bei Alcon, einem weltweit tätigen Pharmaunternehmen im Bereich der Augenheilkunde mit Sitz in Freiburg sowie in Vernier-Genf. Alcon erzielt mit über 25’000 Beschäftigten knapp 9,5 Milliarden Dollar Umsatz. Eviosys produziert Metallverpackungen und erwirtschaftete mit 6600 Mitarbeitenden 2023 einen Umsatz von 2,8 Milliarden Euro.

Problem mit pauschalen Ausschlüssen

Konzernintern seien zwar bei Alcon wie auch bei Eviosys ausführliche Risikoreports vorhanden, die allerdings vertraulich und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien, erklären Chabert und Herber. Grundsätzlich sei es aber so, dass das Augenmerk – wie bei den meisten multilateralen Konzernen – auf bekannte Risiken gerichtet ist, wie Währungsrisiken, Lieferketten, Cyber, KI, Business-Continuity. Das Problem ist jedoch, dass systemische Risiken und Grossereignisse oft die ersten sind, die mit Deckungsproblemen konfrontiert sind. «Anstatt eine Risikodifferenzierung vorzunehmen, legen Versicherer oft pauschale Ausschlüsse mit wenig Verhandlungsspielraum fest», bedauert Pierre Chabert. So wurden beispielsweise bei Cyberrisiken Ausschlüsse für Krieg und weitverbreitete Ereignisse vorgenommen. «Das jüngste Crowdstrike-Problem wird wahrscheinlich weitere Diskussionen bei der nächsten Erneuerung auslösen», befürchtet Chabert.

Bei Eviosys ist Jurrit Herber manchmal schon froh, wenn er überhaupt eine Versicherungsgesellschaft findet, die ihm eine Deckung für seine Anliegen in Aussicht stellt. Weil Halb- und Fertigprodukte oft zwischen den Produktionsstätten in Europa, im Nahen Osten und in Afrika verschoben werden, liegt der Fokus des Risikoverantwortlichen stark auf der Lieferkette. Dies einerseits bei der Beschaffung von Rohmaterialien und anderseits bei der Lieferung der produzierten Produkte in die Märkte. Ein gewichtiges Risiko etwa sind «liquids with low flash points», also leicht entflammbare Flüssigkeiten und Chemikalien.

Finger verbrannt

Wie viel Risiko wird selber getragen und entsprechend auf die eigenen Eviosys-Bücher genommen? «Das hängt stark von den Versicherern ab», sagt Herber, «bei der Absicherung von Stahltransporten und Spulen zum Beispiel will sich die Assekuranz nicht die Finger verbrennen; entsprechend ist die Auswahl von Versicherungspartnern sehr beschränkt.» Und wenn es einmal zu einer Offerte kommt, dann angesichts des Angebotsmangels zu entsprechend «sportlichen» Bedingungen in Bezug auf die Prämien.

Jurrit Herber führt das darauf zurück, dass viele Versicherer und Rückversicherer in den letzten Jahren in diesem Teilmarkt herbe Verluste eingefahren haben. So war es beispielsweise während der Corona-Pandemie kaum möglich, für den Be- und Entlad in den Häfen eigenes Fachpersonal abzustellen, das für eine Qualitätsüberprüfung der Fracht gesorgt hätte. Das führte dazu, dass viele Ladungen verunreinigt oder beschädigt wurden und nicht verarbeitet werden konnten. Mit der Folge, dass die Versicherer einspringen mussten.

Pierre-Louis Chabert von Alcon sieht noch einen anderen Grund für die Zurückhaltung in der Assekuranz: «In einem harten Markt haben viele Versicherer jetzt interne Underwriting-Ausschüsse installiert, die unabhängig von Risikomanagern und manchmal sogar von Brokern Entscheidungen treffen. Dies kann für Risikomanager frustrierend sein. Selbst wenn ein Versicherter erhebliche Anstrengungen zur Risikodifferenzierung unternommen hat und die Underwriter zu überzeugen scheint, kann die endgültige Entscheidung immer noch von der Einschätzung des Underwriting-Ausschusses abweichen.»

Risiken selber tragen

Eine Alternative wäre, gewisse Risiken selber über die eigene Bilanz zu tragen. Das ist in der Industrie durchaus die Regel, hängt je nach Konzern und Branche aber von unterschiedlichen Faktoren ab. Theoretisch gehören dazu die Höhe der verfügbaren Barmittel zur Deckung unvorhergesehener Schadenselbstbehalte und die Prämieneinsparungen, die durch die Wahl höherer Selbstbehalte erzielt werden.

«In der Praxis bevorzugen Entscheidungsträger wie CFOs oft eine niedrigere Selbstbeteiligung, um Ungewissheit und finanzielle Belastung zu vermeiden, die mit der Selbstfinanzierung eines Schadens einhergehen», erklärt Chabert, was aber kein Zielkonflikt sein müsse, denn «dieser Ansatz schafft ein Gleichgewicht zwischen dem Wunsch nach Prämieneinsparungen und dem Bedürfnis nach finanzieller Stabilität und Vorhersehbarkeit».

Kleingedrucktes mit grosser Auswirkung

Umso mehr setzt die Industrie auf Broker. Das Wissen von spezialisierten Brokern ist gefragt, wenn es um die Präsentation des Unternehmens und dessen Risiken geht sowie bei Details, beim «Wording» im Vertrag, das juristisch Kleingedruckte, das im Schadensfall grosse Auswirkungen haben kann.

Das «Wording» sei extrem wichtig, denn dieses «wird je nach Versicherungsgesellschaft unterschiedlich interpretiert», so Herber. Ein direkter Vergleich zum Wettbewerber sei daher nur sehr schwer möglich. Hier setze die Stärke von Brokern mit ihrer Expertise ein. Ein Versicherungsvertrag sei eben ein juristischer Vertrag und da müsse jeder Interpretationsspielraum vorab wasserdicht geklärt werden.

Jurrit Herber wie auch Pierre-Louis Chabert empfehlen daher, eine längerfristige Partnerschaft mit Brokern und Versicherern aufzubauen. Es helfe sehr, wenn man sich kenne und auch vom Gleichen spreche. Broker und Versicherer sollen schliesslich dank ihrem Fachwissen helfen, die Unternehmensrisiken einzuschätzen, zu minimieren und bei Bedarf auch zu decken.

Dabei gehe es aber auch darum, «Ereignisse» ausserhalb des eigenen Unternehmens zu analysieren und mögliche Erkenntnisse, etwa seitens Haftpflicht oder Marine, für das eigene Risikomanagement anzuwenden. «Versicherer und Broker sind so wichtige Sparringpartner für uns», betont Herber. «Wir arbeiten eng mit ihnen zusammen, weil wir das gleiche Ziel haben: Risiken soweit möglich zu vermeiden.»

Gleich sieht es auch Alcon-Manager Pierre-Louis Chabert. «Ich habe festgestellt, dass es von Vorteil ist, direkte Beziehungen auch zu den Versicherern zu unterhalten, anstatt sich für alle Versicherungssparten auf einen einzigen Broker zu verlassen. Dieser Ansatz mag zwar zusätzliche Arbeit verursachen, aber er hilft, die Marktdynamik besser zu verstehen und gewährleistet, dass wir den bestmöglichen Service erhalten. Die Zusammenarbeit mit mehreren Maklern und Versicherern ermöglicht es uns, verschiedene Fachkenntnisse und Perspektiven zu nutzen, was letztendlich unsere Risikomanagementstrategie stärkt.»

Austausch mit Gleichgesinnten

Den Austausch pflegen Pierre-Louis Chabert und Jurrit Herber auch als Vorstandsmitglieder in der «Swiss Association of Insurance and Risk Managers» (Sirm), in der rund hundert Unternehmen aus der Industrie, dem Handel und dem Dienstleistungssektor organisiert sind. Die Vereinigung definiert Themen von gemeinsamem Interesse und teilt dieses Fachwissen mit den Mitgliedsunternehmen und Partnern. Die Sirm ist wiederum Mitglied bei der «Federation of European Risk Management Associations» (Ferma), die mit ihren Partnerverbänden und über 5600 Risikomanagern in 22 Staaten vertreten ist.

Dieser Beitrag erschien erstmals am 22. August 2024 im HZ Insurance Print Special Broker.

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