Ethik und Vertrauen in technologische Innovationen ist ein Megatrend, der die nächsten Jahre bestimmen wird: Was bereits der Deloitte-Report Tech Trends 2020 aufzeigte, belegt auch das aktuelle Stimmungsbarometer Digitale Ethik 2022 des Centre for Digital Responsibility (CDR) und des Institute for Digital Business der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ). Es basiert auf der Selbsteinschätzung von 225 Personen für ihr Unternehmen in der Schweiz.

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Zunehmende Sensibilisierung

Bereits heute sind demnach die ethischen Aspekte der Digitalisierung für Schweizer Unternehmen – unabhängig von ihrer Grösse – von grosser Bedeutung. Wer bereits aktiv ist, fokussiert auf den verantwortungsvollen Umgang mit Daten. Dabei spielt der Datenschutz eine wichtige Rolle. 

Die Umfrage zeigte, dass ethische Themen in mehreren Unternehmen bereits in interne Richtlinien und Prozesse integriert wurden: Jede zweite Person gibt an, dass das Datenmanagement (51 Prozent) sowie die Datenstrategie (46 Prozent) entsprechende Vorgaben enthält. Oft existiert eine Ethik-Richtlinie (38 Prozent) oder sie ist zumindest geplant. 

Generell zeigt sich laut Studienleiterin Cornelia Diethelm: «Grosse Unternehmen verfügen über Vorgaben im Rahmen des Datenmanagements und der Datenstrategie und sie haben eine Ethik-Richtlinie.» Unabhängig von der Grösse werde aber in vielen Unternehmen an ethischen Vorgaben gearbeitet. 

Teil der Befragung waren gemäss Cornelia Diethelm auch viele nicht an der Börse kotierte Unternehmen. Die Teilnehmer sollten sich unter anderem äussern, wie sie die Situation an ihrem Arbeitsplatz wahrnehmen. 

Versicherer engagieren sich für Datenethik 

Die Sicht der Befragten wurde dabei nicht aufgeschlüsselt nach Branchen. Nach Einschätzung von Cornelia Diethelm engagieren sich Versicherer allerdings stärker als andere Branchen. «Ich nehme diese Branche in der Schweiz mit Blick auf digitale Ethik stärker wahr als andere, zum Beispiel die Banken», sagt sie auf Anfrage von HZ Insurance. Das bestätigt auch das neueste Rating der Stiftung Ethos, wonach Versicherer aus Investorensicht mehr Wert auf digitale Verantwortung legen als andere Branchen. 

Als Versicherer hat sich gemäss Cornelia Diethelm zum Beispiel die Mobiliar «ernsthaft und relativ früh» um das Thema Datenethik gekümmert. Der Versicherer beteiligt sich mit einem eigenen Beitrag an der Shift 2022 – einer am 7. April vom CDR organisierten Konferenz zur digitalen Ethik. Geplant ist, dass Matthias Brändle, Head Data Strategy and Product Owner Analytics Nearshore bei der Mobiliar, als Speaker Einblick gibt in das Thema «Umgang mit möglichen Widersprüchen zwischen Verhalten und Erwartungen der Kundschaft».

Kunden erwarten mehr Transparenz

Generell beschäftigt Unternehmen laut CDR/HWZ-Stimmungsbarometer stark die Erwartung der Gesellschaft nach einer verständlichen und transparenten Kommunikation. Das betrifft auch die angekündigten Regulierungen, etwa bei der Datennutzung oder beim Einsatz künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig sei eine gewisse Verunsicherung bei Kundinnen und Kunden spürbar.

Deutlich macht die Umfrage auch: Bei datenbasierten Innovationen ist oft nicht klar, ob sie wirklich ein Problem lösen und im Interesse der Kundinnen und Kunden sind. Die Studienautoren kommen zu dem Schluss: «Innovationen sowie der Einsatz neuer Technologien sollten kein Selbstzweck sein.»

Weiter zeigt das Stimmungsbarometer: Die meisten Unternehmen wissen, welche Datenauswertungen erlaubt sind, und sie setzen sich mit neuen Risiken auseinander. Rund 70 Prozent der Befragten berichten allerdings auch von ethisch umstrittenen Projekten. Dies betrifft vor allem den Umgang mit gesammelten Daten, welche Datenanalysen und -auswertungen unter Einbezug von Kundendaten ermöglichen (77 Prozent). Deutlich weniger verbreitet seien Massnahmen, die zur Überwachung der Mitarbeitenden beitragen, sowie der Einsatz umstrittener Technologien wie Gesichts- oder Stimmerkennung.

Ethik ist Chefsache

Die Umfrage zeigt ausserdem, dass digitale Ethik in der Chefetage präsent ist: Die Geschäftsleitung gehöre zu den wichtigsten internen Befürwortern, bestätigt Ralph Hutter, Head of Product Development and Research am HWZ IDB. Er sagt: «Digitale Ethik ist gelebte digitale Verantwortung. Für Unternehmen ist es eine weitsichtige Investition in gute Kundenbeziehungen.»

Unternehmen benötigten für die Umsetzung konkreter Massnahmen zu mehr digitaler Ethik allerdings noch mehr Standards und Checklisten – zum Beispiel mit Blick auf den verantwortungsvollen Umgang mit Daten. Erforderlich sei flächendeckend Know-how, wie digitale Ethik in das eigene Unternehmen integriert werden kann. An manchen Orten fehle es auch noch am nötigen Bewusstsein der Mitarbeitenden oder müsste die Unternehmensleitung eine stärkere Rolle übernehmen.

Als zentrale Treiber der digitalen Ethik werden vor allem Personen aus dem Datenschutz wahrgenommen. Unterschiede verdeutlichen, dass innerhalb eines Unternehmens auch Ziele verfolgt werden, die sich widersprechen. Cornelia Diethelm betont: «Die bewusste Auseinandersetzung mit digitaler Ethik kann helfen, interne Zielkonflikte systemisch anzugehen. Geschäftspraktiken müssen mit ethischen Richtlinien in Einklang gebracht werden, welche die Werte des Unternehmens widerspiegeln und auch von aussen entsprechend wahrgenommen werden.»