- Die BVG-Reform würde die Eintrittsschwelle für die berufliche Vorsorge senken, sodass mehr Arbeitnehmende Zugang zur Pensionskasse erhalten.
- Die Unternehmen müssten höhere Beiträge zahlen, da auch der versicherte Lohn durch einen neuen, variablen Koordinationsabzug steigen könnte.
- Zusätzlich würde ein Solidaritätsbeitrag eingeführt, dessen Höhe und Dauer noch unklar sind.
Die Vor- und Nachteile des BVG-Reformpakets werden im Abstimmungskampf oft nur aus der Perspektive der Arbeitnehmenden beleuchtet – die Auswirkungen einer Zustimmung zur Reform auf die Unternehmen werden kaum thematisiert. Dabei dürften die finanziellen Konsequenzen nicht unwesentlich zu Buche schlagen.
Mario Bucher ist Produkt- und Prozessentwickler bei Pensexpert.
Heute sieht das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) vor, dass alle Arbeitnehmenden zwischen 18 und 65 Jahren und einem Jahreslohn von mehr als 22’050 Franken in der beruflichen Vorsorge versichert sind. Wird die BVG-Reform angenommen, sinkt die Eintrittsschwelle auf 19’845 Franken. Es hätten also mehr Arbeitnehmende Zugang zu einer Pensionskasse. Die Unternehmen können die Eintrittsschwelle freiwillig auch noch tiefer ansetzen oder ganz weglassen, um ihren Mitarbeitenden einen besseren Versicherungsschutz zu gewähren.
Bei einer Reduktion der Eintrittsschwelle auf 19’845 Franken werden gemäss Schätzungen des Bundes rund 70’000 Personen zusätzlich in der zweiten Säule versichert. Sowohl die neu Versicherten als auch deren Arbeitgebende finanzieren den Schutz gegen die Risiken Tod und Invalidität mit Risikobeiträgen sowie mit Verwaltungskosten. In der Regel werden diese Kosten paritätisch finanziert; Unternehmen können freiwillig auch mehr als die Hälfte oder die gesamten Kosten übernehmen. Ab dem 25. Altersjahr setzt zudem der Sparprozess ein, der wiederum durch Arbeitgebende und Arbeitnehmende finanziert wird.
Deutlich höherer versicherter Lohn
Bei einem Ja zur BVG-Reform wird ausserdem von einem fixen Koordinationsabzug von aktuell 25’725 Franken auf einen variablen Ansatz gewechselt. Neu würden vom Jahreslohn, welcher durch das BVG-Obligatorium gedeckt wird (Stand 2024: maximal 88’200 Franken), immer 20 Prozent abgezogen, um den versicherten Jahreslohn zu ermitteln.
Je nach Ausgangslage könnte sich der versicherte Jahreslohn mit dem neu variablen Koordinationsabzug markant erhöhen. Vor allem Personen mit einem relativ tiefen Einkommen könnten nach Annahme der BVG-Reform deutlich mehr für den Ruhestand ansparen. Während des Erwerbslebens würden sowohl für die Versicherten als auch für die Unternehmen höhere Sparbeiträge fällig – obwohl im Zuge der BVG-Reform die Altersgutschriften harmonisiert und mehrheitlich gesenkt würden.
Ältere Mitarbeitende werden nicht günstiger
Obwohl die Altersgutschriften ausser bei den 25- bis 34-Jährigen sinken würden, müssten viele Unternehmen und Arbeitnehmenden mit höheren Sparbeitragsabzügen rechnen. Mitarbeitende über 55 Jahren würden also nicht in jedem Fall günstiger werden. Entscheidend ist die individuelle Konstellation – je nach Alter und Lohn.
Dazu kommen die Rentenzuschläge, die alle erwerbstätigen Personen und Arbeitgebenden bezahlen müssten. Wie hoch dieser Berechnungssatz in der Zukunft wäre, ist aktuell unklar. Der Bundesrat könnte ihn je nach finanzieller Lage jährlich erhöhen oder senken. Ebenfalls ist nicht bekannt, wie lange dieser Solidaritätsbeitrag zur Finanzierung der Rentenzuschläge nötig sein würde. 15 Jahre – so lange, wie Rentenzuschläge vorgesehen sind – wären es bestimmt, unter Umständen aber auch länger.
Unabhängig vom Ausgang der Abstimmung haben die Unternehmen die Möglichkeit, die berufliche Vorsorge der Mitarbeitenden freiwillig zu verbessern. Um Angestellte mit eher tiefen Löhnen besser zu versichern, kann die Eintrittsschwelle bereits heute gesenkt oder ganz abgeschafft werden. Ebenfalls ist es möglich, Mitarbeitenden bereits ab dem Alter von zwanzig Jahren die Möglichkeit zu geben, Vorsorgevermögen anzusparen. Dank Zins und Zinseszins könnten die Auswirkungen dieser Massnahme trotz in dieser Erwerbsphase typischerweise eher tieferen Löhnen einen grossen Effekt haben.
Dieser Beitrag ist Teil des «Handelszeitungs»-Specials «Vorsorge» vom 19. September 2024.