In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres konnten Schweizer Startups insgesamt 1196 Millionen Franken an Risikokapital generieren. Der Wert bleibt deutlich hinter den beiden Boomjahren 2021 und 2022 zurück. Stabiler entwickelte sich die Zahl der Investments. Sie lag bei 154 gegenüber 163 in der Vorjahresperiode.
Es fehlt nicht nur an Finanzierungsrunden
Verantwortlich für den Rückgang ist vor allem der Bereich der Digitalisierung.
Bezüglich der Zahl der Finanzierungsrunden sieht die Bilanz also recht gut aus
Stefan Kyora, Startupticker.ch
Startups aus den Sektoren ICT, Fintech und Healthcare IT haben 2023 nur noch 373 Millionen Franken angezogen, ein Rückgang von über 73 Prozent gegenüber den ersten sechs Monaten 2022. Dabei fehlte es nicht nur an besonders grossen Finanzierungsrunden, es ist auch ein Rückgang in der Breite zu beobachten. Der Median der ICT-Finanzierungsrunden liegt mit 1,4 Millionen Franken über 63 Prozent tiefer als im Vergleichszeitraum und auch deutlich unter demjenigen der Corona-Jahre 2020 und 2021.
Kapital ist stark gefallen
HZ Insurance wollte wissen, wie sich die Investitionen bei den Insurtech in der Beobachtungsperiode entwickelt haben. «Insgesamt flossen 64,2 Millionen Franken in sechs Runden», sagt Stefan Kyora von Startupticker.ch. Zum Vergleich: Im gesamten letzten Jahr flossen 414,3 Millionen Franken in neun Runden. «Bezüglich der Zahl der Finanzierungsrunden sieht die Bilanz also recht gut aus», so Kyora weiter.
Im ersten Halbjahr 2023 haben Insurtech-Startups 20 Prozent der gesamten Fintech-Runden abgeschlossen und 33,6 Prozent des durch alle Fintech-Startups generierten Kapitals angezogen.
Stefan Kyora, Startupticker.ch
Das Kapital dagegen sei stark gefallen. Die Höhe des investierten Kapitals hänge laut Kyora aber bei einer solch kleinen Zahl von Runden immer auch von einzelnen Finanzierungsrunden ab. Komme hinzu, dass etwa Wefox neben dem Eigenkapitalinvestment über 49,5 Millionen Franken zusätzlich noch einmal 49,5 Millionen Franken in Form einer Kreditfazilität erhalten habe, die die Autoren aber nicht mitgerechnet haben.
Insurtech-Branche als relevanter Teil des Fintech-Sektors
Beim Anteil der Insurtech-Investments an allen Fintech-Investments zeigt sich der gleiche Trend: «Für das ganze Jahr 2022 haben Insurtech-Startups 16,3 Prozent der gesamten Fintech-Runden abgeschlossen und 45,5 Prozent des durch alle Fintech-Startups generierten Kapitals angezogen. Im ersten Halbjahr 2023 haben Insurtech-Startups 20 Prozent der gesamten Fintech-Runden abgeschlossen und 33,6 Prozent des durch alle Fintech-Startups generierten Kapitals angezogen.» Die Insurtech-Branche kann damit als relevanter Teil des Schweizer Fintech-Sektors betrachtet werden.
Grosses Potenzial
Grundsätzlich dürften aber die Investment-Entscheide ähnlich wie in anderen ICT-Verticals fallen, meint die Studienherausgeberin Startupticker.ch. Startups müssten demnach ein grosses Potenzial aufweisen, einen plausiblen Weg zur Profitabilität vorlegen können und nachweisen, dass sie das Kapital der Investoren effizient für das Erreichen von Meilensteinen einsetzen. Auffällig sei laut Stefan Kyora zudem, dass die Insurtechs, die 2023 Investoren überzeugen konnten, häufig Gründer oder Gründerinnen haben, die nicht direkt von der Hochschule kommen. Die Erfahrung sorge für Vertrauen bei Investoren, was gerade in unsicheren Zeiten ein klares Plus sei.
Kantone Zürich und Zug mit den grössten Rückgängen konfrontiert
Die Kantone, in denen ICT- und Digitalisierungs-Startups schwerpunktmässig angesiedelt sind, verzeichnen dementsprechend die grössten Verluste. In Zürich lag die insgesamt investierte Summe 70 Prozent unter dem Vorjahreswert, in Zug waren es sogar 81 Prozent. Neben dem Branchenfokus spielt eine Rolle, dass in beiden Kantonen das investierte Kapital 2022 stark gestiegen war.
Zahl auf Vorjahresniveau
Ein Lichtblick sind die M&A-Transaktionen. 32 Startups wurden übernommen – ein neuer Höchstwert. Für den Rekord sorgen Schweizer Firmen, die elf Startups akquirierten, so viel wie nie zuvor in einem ersten Halbjahr. Gleichzeitig übernahmen acht Startups andere Unternehmen mit dem Ziel eines schnelleren Wachstums. Diese Zahl befindet sich auf Vorjahresniveau.
Umfeld bleibt herausfordernd
Einen Ausblick auf die nächsten zwölf Monate erlaubt unsere Umfrage unter rund hundert Schweizer Investoren, welche die Seca durchgeführt hat. Ein Drittel wird in den kommenden zwölf Monaten weniger Neuinvestitionen tätigen und sich mehr auf Anschlussfinanzierungen fokussieren. Damit bleibt das Finanzierungsumfeld für Startups herausfordernd. Unternehmen, die Investments erhalten wollen, müssen laut den Antworten der Investoren nachweisen, dass sie mit dem eingesetzten Kapital auf effiziente Art Business-Milestones erreichen können, und sie werden Abstriche bei der Unternehmensbewertung akzeptieren müssen.
Knapp die Hälfte der befragten Geldgeber rechnet damit, dass die Investments in den kommenden zwölf Monaten weiter leicht zurückgehen werden; ein guter Drittel erwartet dagegen eine Erholung. Insgesamt sind die Befragten optimistischer für die kommenden zwölf Monate als vor einem Jahr.