Teilinvalidität bringt weitreichende Implikationen mit sich – und der soziale und wirtschaftliche Druck, der auf Personen mit einer Teilinvalidität lastet, ist hoch. In der Schweiz wird die Teilinvalidität im Rahmen der Invalidenversicherung (IV) geregelt. Eine Person gilt als teilinvalid, wenn sie aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung nur noch teilweise arbeitsfähig ist.
Für die Berechnung der Höhe der Invalidenrente, welche die betroffene Person von der IV erhalten kann, ist der Invaliditätsgrad massgebend. Er wird durch den Vergleich des Erwerbseinkommens vor und nach der Invalidität ermittelt, wobei zuerst der Status der Person festgelegt wird: erwerbstätig, teilerwerbstätig oder nicht erwerbstätig. Erwerbstätig ist, wer ohne Invalidität Vollzeit arbeitet. Teilerwerbstätig ist, wer weniger als 100 Prozent arbeitet. Als nicht erwerbstätig gilt, wer auch ohne Invalidität keine Erwerbstätigkeit ausübt. Der Status bestimmt dann die Art und Weise, wie der Invaliditätsgrad berechnet wird.
Wie wird der IV-Grad festgelegt?
Bei Erwerbstätigen kommt der Einkommensvergleich zum Zug. Das Einkommen vor der Invalidität (Valideneinkommen) wird mit dem Einkommen verglichen, das mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch erzielt werden kann (Invalideneinkommen). Die Einkommensdifferenz in Prozent ergibt den IV-Grad. Bei Nichterwerbstätigen wird der IV-Grad anhand des Betätigungsvergleichs ermittelt. Dabei wird untersucht, welche Tätigkeiten eine Person vor und nach der Invalidität ausüben kann. Ein Mix aus Einkommensvergleich und Betätigungsvergleich (gemischte Methode) wird bei Teilerwerbstätigen verwendet.
Der Betätigungsvergleich führt im Vergleich zum Einkommensvergleich tendenziell zu einem tieferen IV-Grad, was sich entsprechend anteilmässig auch auf Teilzeitbeschäftigte auswirkt. Personen, die aus Komfortgründen nur Teilzeit arbeiten, werden bestraft, da ihr Teilzeiteinkommen auf 100 Prozent hochgerechnet wird und die gemischte Methode somit nicht zur Anwendung gelangt. Dies führt zu einem tiefen IV-Grad.
Wie hoch ist die Entschädigung im IV-Fall?
Jeder, der in der Schweiz wohnt oder arbeitet – egal ob Schweizerin oder Ausländer –, ist obligatorisch bei der IV versichert, genau wie bei der AHV. Die Höhe der IV-Rente wird aufgrund des massgeblichen durchschnittlichen Jahreseinkommens abgeleitet.
Bei Teilinvalidität wird die Rente je nach IV-Grad als Prozentsatz einer ganzen Rente festgelegt; die tiefste Rente (Invaliditätsgrad 40 %) beträgt 25 Prozent einer vollen Rente. Bei einem Invaliditätsgrad ab 70 Prozent besteht Anspruch auf eine ganze Rente.
Konkret beträgt eine ganze IV-Rente (Invaliditätsgrad ab 70 %) zwischen 1225 und 2450 Franken; eine Teil-IV-Rente (Invaliditätsgrad von 40 bis 69 %) entspricht einem prozentualen Anteil einer ganzen IV-Rente. Bei einem Invaliditätsgrad von unter 40 Prozent besteht kein Anspruch auf eine IV-Rente.
Vollrente oder Teilrente?
Zu beachten ist, dass wie bei der AHV eine IV-Vollrente nur anfällt, wenn seit dem 21. Altersjahr ohne Unterbruch jährlich Beiträge an die AHV/IV bezahlt wurden. Wer hingegen Beitragslücken aufweist, erhält im Invaliditätsfall eine gekürzte Rente. Klar ist, dass teilinvalide und invalide Personen finanzielle Bedürfnisse haben, welche die IV-Renten deutlich übersteigen.
Diese Lücke wird bei einer unfallbedingten Invalidität in der Regel durch die Komplementärrente aus dem UVG, im Krankheitsfall üblicherweise jedoch nur teilweise von der beruflichen Vorsorge abgedeckt.
Erwerbstätige ohne BVG-Anschluss, wie beispielsweise Teilzeiterwerbende oder Selbständigerwerbende, sowie Nichterwerbstätige, tragen deshalb ein enorm hohes finanzielles Risiko, welches nur teilweise durch die Ergänzungsleistungen aufgefangen wird. Dazu kommt, dass im Fall einer teilweisen Invalidität der übrige Einkommensteil durch eine Erwerbstätigkeit abgedeckt werden muss. Oft sind diese Personen jedoch nicht in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, oder sie finden keinen entsprechenden Arbeitsplatz.
Die Folge ist, dass der übrige Einkommensteil von der ALV getragen werden muss, und nachdem die Bezugsdauer erschöpft ist, bleibt oftmals nur der Gang zum Sozialamt.
Privater Versicherungsschutz und komplexe Situationen mit Fachperson abklären
Darüber hinaus werden Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen häufiger arbeitslos als gesunde Personen. Oft verlieren sie ihre Stelle, weil der Arbeitgeber mit den Leistungen nicht zufrieden ist, und haben dann grosse Probleme, wieder eine neue Arbeit zu finden. Weil Arbeitslosigkeit meistens aus dem Zusammenwirken verschiedener Faktoren resultiert, können sich zudem Abgrenzungsprobleme zwischen den verschiedenen Sozialversicherungen ergeben.
Die Situation rund um Teilinvalidität ist sehr komplex – von der Berechnung des IV-Grads und der Bestimmung, wie viel eine teilinvalide Person wirklich noch arbeiten kann, bis zum Erhalt der IV-Rente und/oder beruflichen Eingliederungsmassnahmen. Es gibt viele Ausnahmeregelungen, und es ist dringend zu empfehlen, im Invaliditätsfall eine Fachperson beizuziehen.
Proaktiv sollten alle Personen ihre langfristige finanzielle Lage und ihre Bedürfnisse zusammen mit einem Experten oder einer Expertin abklären und einen entsprechenden Versicherungsschutz abschliessen. Das stellt sicher, dass Teilinvalidität für die betroffenen Personen und ihre Angehörigen nicht zum Sozialamt führt.