Seit Beginn der Corona-Krise ist die Nachfrage nach Medikamenten drastisch gesunken, bei Antibiotika beispielsweise und auch bei Erkältungsmitteln bemerken die Apotheken einen Nachfragerückgang. Hat das bei Ihnen als Krankenversicherer zu einem Kostenrückgang geführt?
Während des Lockdowns im Frühling sind weniger Kosten angefallen, da nicht notwendige Arztbesuche und medizinische Behandlungen sowie Wahleingriffe in Spitälern für ein paar Wochen ausgesetzt wurden. Dieser Rückgang hat aber nicht angehalten. In der Zwischenzeit sehen wir einen Aufholeffekt.

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Hat Corona eine Rolle gespielt bei der Prämienfestlegung für 2021?
Die Pandemie des Jahres 2020 hat nur wenig Einfluss auf die Prämien des nächsten Jahres. Die durch das Coronavirus ausgelösten zusätzlichen Behandlungskosten werden über die Reserven aufgefangen, die für solche Krisensituationen gebildet wurden. Sie stellen sicher, dass die Krankenversicherer die Rechnungen ihrer Kunden jederzeit bezahlen können. 

Was sind die Gründe für den vergleichsweise moderaten allgemeinen Prämienanstieg von 0,5 Prozent für das kommende Jahr?
Der moderate Anstieg ist auf zwei Gründe zurückzuführen: Wir gehen davon aus, dass im nächsten Jahr vergleichsweise weniger medizinische Leistungen in Anspruch genommen werden. Diese Prognose beruht auf den Kosten des laufenden Jahres. Zudem hat die Branche in den letzten Jahren Überschüsse erzielt, die nun an die Versicherten weitergegeben werden. Leider wird dieser geringe Anstieg wohl nur eine kurze Verschnaufpause darstellen. 

«Die CSS als grösster Grundversicherer hat den Anspruch, das Gesundheitswesen zum Wohle der Versicherten mitzugestalten.»

Statt die Prämien um 0,5 Prozent zu erhöhen, senkt die CSS sie im kommenden Jahr um 0,9 Prozent. Aber im Gegensatz zu anderen Krankenkassen zahlt die CSS ihren Versicherten keine Prämien zurück. Warum ziehen Sie es vor, die Prämien zu senken?
Wir verfolgen keine Politik der überhöhten Reserven und häufen keine übermässigen Gewinne auf Vorrat an, die wir mit grossem Getöse wieder zurückerstatten. Die CSS-Versicherten profitieren nachhaltig von tieferen Prämien statt von einer einmaligen Rückzahlung. Eine berechenbare Finanzpolitik ohne Prämiensprünge ist seit je das Credo der CSS. 

Sie haben einmal angeregt, einen Indikator für das Kostenwachstum im Gesundheitswesen zu ermitteln. Was ist aus dieser Idee geworden?
Die Idee der Kostenziele haben wir vor rund zwei Jahren wissenschaftlich ausarbeiten lassen. Die CSS als grösster Grundversicherer hat den Anspruch, das Gesundheitswesen zum Wohle der Versicherten mitzugestalten. Deshalb unterstützen wir Reformen, die das Kostenwachstum drosseln. Mittlerweile hat sich auch der Bundesrat mit diesem Ansatz befasst, die entsprechende Vernehmlassung ging eben zu Ende. Den vorliegenden Gesetzesentwurf zu den Kostenzielen begrüssen wir. 

Was ist damit erreicht?
Er verpflichtet die Akteure des Gesundheitswesens, mit den begrenzten finanziellen Möglichkeiten möglichst effizient umzugehen. Zentral für mich ist: der Entwurf hält explizit fest, dass den Versicherten keine Leistungen verwehrt werden dürfen. Mittels Kostenzielen soll Überversorgung eliminiert werden. Es ist höchste Zeit, dass sich die Akteure des Gesundheitswesens ernsthaft mit dieser Idee auseinandersetzen und ihre Partikularinteressen zurückstellen. Unser aller Ziel muss ein qualitativ hochstehendes Gesundheitswesen sein, das finanzierbar bleibt. 

«Die CSS konnte ihre Prämien schweizweit im Schnitt senken, während sie im Mittel anstiegen. Das hat viele neue Kunden angesprochen.»

Kritiker des Schweizer Gesundheitssystems bemängeln die zu hohe Anzahl der Versicherer, findet eine Konsolidierung statt?
Die Konsolidierung ist sehr wohl im Gange. Innerhalb von 20 Jahren ist die Anzahl der Anbieter auf einen Drittel zusammengeschrumpft: Sie hat sich von anfänglich 145 auf 51 Versicherer reduziert. Die Konzentration wird sich fortsetzen. Von den verbleibenden Anbietern sind übrigens rund die Hälfte Klein- und Kleinstversicherer mit wenigen hundert bis 50’000 Kunden. 

Der November ist der Wechselmonat für die obligatorische Krankenversicherung. Wie hat sich der Kundenbestand der CSS in diesem Monat entwickelt? 
Die Entwicklung in den letzten Wochen und Monaten ist eine erfreuliche. Die CSS konnte ihre Prämien schweizweit im Schnitt senken, während sie im Mittel anstiegen. Das hat viele neue Kunden angesprochen. Die genauen Zahlen liegen im Moment noch nicht vor, wir gehen jedoch von einem kräftigen Wachstum aus. 

Die CSS will mit der neu gegründeten Tochtergesellschaft Swiss Health Ventures in digitale Technologien im Gesundheitsbereich investieren und stellt dafür 50 Millionen Franken zur Verfügung. Wie rechtfertigen Sie das Investment in digitale Tools und Apps, mit denen zudem die älteren Generationen vermutlich nicht so viel anfangen können? 
Die Investitionen in Startups leisten wir zusätzlich, und zwar ausschliesslich aus den Überschüssen aus der Zusatzversicherung, über die wir frei verfügen können. Im Fokus stehen Telemedizin, Früherkennungsdiagnostik sowie digitale Therapien und Tools für chronisch Kranke. Diese sollen insbesondere auch der älteren Generation zugutekommen.

Wir sprechen mit Startups, die Personen darin unterstützen, möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Unsere Kundinnen und Kunden lassen wir auf verschiedenen Ebenen an den Gewinnen teilhaben: über moderate Prämien, über Bonusprogramme oder über Investitionen in die Versorgung von morgen. 

«Die Schweiz hat weltweit die zweitgrössten Gesundheitsausgaben pro Kopf.»

Die CSS hat Erträge unter anderem in eine «Gesundheitsinitiative» investiert, die gesundes Verhalten der Kunden belohnt. Laufen solche Initiativen, wie man sie auch von anderen Kassen kennt, nicht dem grundlegenden Solidarprinzip der Versicherung entgegen? 
Nein, überhaupt nicht, denn das Solidaritätsprinzip der Grundversicherung ist davon nicht betroffen. Solche Initiativen gehören in den Bereich der Zusatzversicherung und müssen immer freiwillig sein. Wir setzen positive (finanzielle) Anreize, indem wir gesundes Verhalten belohnen. Es gibt keinen Prämienzuschlag, wenn man die Angebote nicht nutzt. Von diesem Grundsatz weichen wir auch in Zukunft nicht ab.

Ein Blick über den Tellerrand: Die Schweiz hat noch immer eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Was muss geschehen, damit das langfristig so bleibt?
Unser Gesundheitssystem ist gut, aber wir zahlen zu viel dafür. Die Schweiz hat weltweit die zweitgrössten Gesundheitsausgaben pro Kopf. Deshalb ist es höchste Zeit, Reformen wie die Kostenziele anzupacken, damit die Prämien nicht weiter ansteigen. Auch bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens besteht Nachholbedarf: Patienten, Leistungserbringer und wir Krankenversicherer müssen uns besser vernetzen. Die CSS nimmt auch hier eine Pionierrolle ein: gemeinsam mit Allianz Care, Visana und der Zur Rose Group haben wir eine Gesundheitsplattform lanciert, die die Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens vorantreibt.