Grosse Unternehmen haben schon früh eigene Versicherungsfirmen gegründet, sogenannte Captives, um die Risiken aus der eigenen Konzernfamilie abzudecken. Seit rund hundert Jahren übernehmen diese Eigenversicherer vor allem selten auftretende Schäden mit einer hohen finanziellen Belastung. Nach und nach sind umfassende Versicherungsdeckungen in fast allen Geschäftssegmenten dazugekommen.

Im aktuellen Umfeld sehen Experten und Expertinnen vor allem grosse Wachstumschancen für Captives bei den kaum versicherbaren Risiken wie etwa Cyberattacken, Atomunfällen oder weltumspannenden Pandemien. Für solche Klumpenrisiken gibt es meist keine Standarddeckungen. In diesem harten Markt, gekennzeichnet von einem Unterangebot an Versicherungsschutz, schnellen die Prämien rasch nach oben. Captives schirmen die Unternehmen entsprechend vor grossen Preisschwankungen des Versicherungsmarktes ab.

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Komplexe Regulierung

In der Schweiz zählt man heute rund vierzig Captives mit in- und ausländischen Muttergesellschaften. Dazu gehören etwa ABB, Adecco oder Syngenta. Die Swiss Insurance and Reinsurance Captives Association (Sirca) vertritt die Interessen des Wirtschaftszweigs gegenüber der Aufsichtsbehörde Finma. Das ohnehin komplexe regulatorische Umfeld hat sich mit diesem Lobbying in den letzten Jahren verbessert. Eine neue Kundenkategorisierung sorgt jetzt für weniger strenge Aufsichtsanforderungen, wenn das Geschäft nur mit professionellen Kunden betrieben wird. Schwergewichtig sind die weltweit über 5000 Captive-Gesellschaften im angloamerikanischen Raum angesiedelt. In den USA nutzen neun von zehn «Fortune 500»-Unternehmen einen Eigenversicherer zur Risikofinanzierung. Dabei spielen steuerliche Aspekte bei der Standortwahl eine wesentliche Rolle. Nebst den traditionell gesuchten Bermudainseln haben die Kaimaninseln, Guernsey, Luxemburg und Irland stark an Bedeutung gewonnen.

In der Schweiz zählt man rund 40 Captives, weltweit sind es über 5000.

Die grossen Weltkonzerne betreiben meist ein sogenanntes Single-Parent Captive. Damit finanzieren sie entweder ausschliesslich die eigenen Risiken oder übernehmen auch Drittrisiken, um mit dieser Diversifikation die Schätzrisiken zu minimieren. Der Eigenversicherer ermöglicht es, die international unterschiedlichen Steuergesetze und Regulierungen bei der Lenkung von Finanzströmen optimal zu nutzen. Zudem können via Captives die Risiken gezielter auf Rückversicherer überwälzt werden. Damit die Eigenversicherung effizient funktioniert, braucht es ein proaktives Risikomanagement im Unternehmen. Ziel ist, für die eingebrachten Risiken einen möglichst günstigen Schadenverlauf zu erreichen. Ein Captive bietet dem Konzern auch Vorteile als Kompetenzzentrum für ein erfolgreiches Schadenmanagement. Weil der Eigenversicherer meist als externes Profitcenter geführt wird, bemüht sich die Firmenleitung um eine günstige Schadenabwicklung und um Präventionsmassnahmen für wichtige Risiken.

Wichtiges Risikomanagement

Auch den kleinen und mittleren Unternehmen steht das Universum der Eigenversicherer zur Verfügung. Für ein eigenständiges Captive ist der Aufwand, nicht zuletzt in Sachen Regulierung, jedoch äusserst gross. Fachleute sehen deshalb die Mindestgrösse bei einem niedrigen dreistelligen Millionen-Franken-Umsatz. Solche Volumen sind ebenfalls bei Association Captives oder Industry Captives möglich, die etwa Risiken von Firmen des gleichen Wirtschaftszweiges abdecken. Verbreitet sind zudem Rent-a-Captives und Protected Cell Captives, bei denen Unternehmen eine Eigenversicherung mieten. Das ist vor allem eine attraktive Lösung für KMU, weil kaum Kapital zur Verfügung gestellt werden muss und die hohen Gründungskosten für ein Single-Parent Captive entfallen. Noch unverbindlicher ist für eine Kleinfirma das Captive Account. In diesem Fall wird lediglich ein separates Konto zum Beispiel für Prämien und Schadenanteile geführt.

Die Mindestgrösse liegt bei einem niedrigen dreistelligen Millionen-Franken-Umsatz.

Der Erfolg einer Eigenversicherung steht in enger Verbindung mit der laufenden Analyse sämtlicher Risiken. Meist geht in diesen Firmen das erhöhte Sicherheitsinteresse auch mit adäquaten Massnahmen zur Schadenverhütung einher. Mit Captives werden oft Versicherungsrisiken abgedeckt, die im Assekuranzmarkt nur teuer oder gar nicht erhältlich sind. Wenn kleine und mittlere Firmen eine Eigenversicherung abschliessen, können sie sich auf Intermediäre mit vertieften Marktkenntnissen stützen, die ihre Dienste beim Underwriting, bei Vertragserneuerungen, Fusionen und Liquidierungen anbieten. In der Praxis handelt es sich dabei vorwiegend um Schadenversicherungen, Haftpflichtversicherungen für die Mitarbeitenden und das Autogeschäft sowie für Berufshaftpflichtversicherungen. Jüngst sind vermehrt auch Organhaftpflichtversicherungen (D&O) dazugekommen, weil die Klagebereitschaft ganz allgemein zugenommen hat.

Geldanlage im eigenen Haus

Captives bieten dem Management andere Voraussetzungen für die Geldanlage als den traditionellen Versicherungsgesellschaften, die ihr Kapital meist in Obligationen mit einer langen Laufzeit halten und nur in kleinem Umfang auf Aktien, Hedgefonds oder Private Equity setzen. Studien zeigen, dass die Eigenversicherer ihre finanziellen Mittel zur Hälfte im Mutterhaus investieren. Dies geschieht mit ungesicherten Krediten, verbrieften Darlehen, Schuldverschreibungen und vereinzelt in Form von Fahrzeugflotten oder Lagern. Je nach Weltregion werden auch hohe Anteile in Bargeld gehalten. Daneben werden bis zu einem Drittel der Assets in Aktien angelegt.

Wichtig ist den Aufsichtsbehörden eine breite Diversifikation. Die Regulatoren achten zudem speziell bei den kleinen Captives darauf, dass sie nicht für andere Zwecke missbraucht werden, wie etwa als Rückhaltegefäss für Topmanager oder als Steuersparvehikel.

Dieser Beitrag ist erstmalig erschienen am 21. April 2022 im HZ Special Unternehmensversicherungen unter dem Titel "Captives für schwierige Risiken".