- Die Studie «Vorsorgedialog 2024» zeigt, dass nur ein Drittel der Befragten ein besseres Vorsorgewissen hat, vor allem ältere Personen und solche mit Hochschulabschluss.
- Das Wissen über das Vorsorgesystem ist besser als das über die eigene Vorsorge, doch viele überschätzen ihr Wissen, was zu Fehlentscheidungen bei der Altersvorsorge führt.
- Wichtig ist, die Menschen für die Bedeutung eines grundlegenden Vorsorgewissens zu sensibilisieren, um persönliche Fehler und uninformierte politische Entscheidungen zu vermeiden.
Wie gut ist das Wissen um die Vorsorge in der Schweizer Bevölkerung, und welche Personen haben in der Tendenz eher ein besseres Wissen? Diesen Fragen geht die jährlich erhobene Studie «Vorsorgedialog 2024» der Hochschule Luzern nach. Die Ergebnisse basieren auf Daten einer repräsentativen Umfrage bei 1245 Arbeitnehmenden zwischen 20 und 65 Jahren der gesamten Schweiz. Der Wissensstand ist anhand von zehn Fragen ermittelt worden. Als «besser» wird dieser bezeichnet, wenn mehr als die Hälfte aller Fragen korrekt beantwortet wurden.
Prof. Dr. Yvonne Seiler Zimmermann, Dozentin und Projektleiterin, Hochschule Luzern – Wirtschaft, Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ).
Die Ergebnisse fallen bescheiden aus. Das ist zwar schon im Rahmen der letztjährigen Studie festgestellt worden, aber gegenüber dem Vorjahr sind die Resultate nochmals signifikant gesunken: Nur gerade ein Prozent der Befragten hat alle Fragen richtig beantwortet. Vier Prozent konnten auf keine der Fragen eine korrekte Antwort geben. Mehr als die Hälfte aller Fragen korrekt beantwortet hat lediglich ein Drittel der Befragten. Diese Personen verfügen damit gemäss Definition der Studie über ein «besseres Vorsorgewissen».
Kein Unterschied zwischen Frauen und Männern
Mittels statistischer Modelle kann analysiert werden, welche Personen mit welchem soziodemografischen Profil in der Tendenz eher über ein besseres Vorsorgewissen verfügen. Es zeigt sich, dass das erwartungsgemäss bei älteren Personen eher der Fall ist. Ebenso verfügen Personen mit einem Hochschulabschluss und solche mit einer Finanzschulung eher über ein besseres Vorsorgewissen. Bei jüngeren Personen sowie Personen mit einem tiefen Haushaltsvermögen mangelt es hingegen an Kenntnissen.
Erwartungsgemäss hat die eigene Einschätzung bezüglich Finanz- und Vorsorgewissens einen wesentlichen Einfluss darauf, ob das Vorsorgewissen eher besser oder schlechter ist: Bei Personen, die ihr Wissen als gut einschätzen, steigt die Chance auf ein besseres Vorsorgewissen deutlich. Interessant ist jedoch, dass das Interesse an der Vorsorge und das Vertrauen in diese keinen Einfluss auf den Wissensstand haben. Ebenfalls keinen Einfluss hat das Geschlecht. Das gilt jedoch nur, wenn alle anderen soziodemografischen Faktoren wie insbesondere Bildung und Alter kontrolliert werden. Ohne den Einbezug dieser Faktoren verfügen Männer statistisch signifikant häufiger über ein gutes Vorsorgewissen als Frauen. Das zeigt, wie wichtig bei solchen Analysen die Berücksichtigung möglichst vieler soziodemografischer Faktoren ist.
Vorsorgewissen bei der eigenen Vorsorge tief
Das Wissen zum Vorsorgesystems als Ganzem – etwa wer in der zweiten Säule versichert ist oder was der Umwandlungssatz bedeutet – ist besser als das Wissen rund um die eigene Vorsorge. Zudem fällt auf, dass der Anteil der falschen Antworten bei fast allen Fragen höher ist als jener der «Weiss nicht»-Antworten. Das heisst konkret: Viele überschätzen ihr eigenes Wissen. Der Anteil derjenigen, die fälschlicherweise meinen, die Antwort zu kennen, liegt je nach Frage zwischen 16 Prozent und 52 Prozent. So beantwortete beispielsweise über die Hälfte der Befragten die Frage, ob alle Personen in die Säule 3a einzahlen können, falsch. Zur Erinnerung: Einzahlungsberechtigt sind nur erwerbstätige Personen. 56 Prozent derjenigen, die diese Frage falsch beantwortet hatten, waren fälschlicherweise der Meinung, dass alle Personen zur Einzahlung berechtigt sind. Dies hat negative Folgen für die eigene Vorsorge: Ist sich jemand dessen nicht bewusst, entscheidet sich diese Person möglicherweise für einen Erwerbsunterbruch oder -abbruch, ohne zu wissen, dass er oder sie dann nicht mehr in die Säule 3a einzahlen kann. Hätte die Person das gewusst, hätte sie womöglich früher zusätzlich für die Altersvorsorge gespart oder den Erwerbsunterbruch oder -abbruch nicht vorgenommen.
Vermeintliches Wissen ist das Problem
Daraus folgt: Problematisch ist nicht bloss die Tatsache, dass Personen die Fragen mit «weiss nicht» beantworteten. Diese Personen sind sich bewusst, dass sie etwas nicht wissen, und können sich entsprechend informieren. Problematischer sind vielmehr die vielen falschen Antworten: Ist sich eine Person nicht bewusst, dass ihr Wissen falsch ist, wird sie sich auch nicht informieren, und es kommt unweigerlich zu Fehlentscheidungen, was sich negativ auf die Vorsorge auswirkt.
Damit es zu keinen Fehlentscheidungen und damit negativen Auswirkungen bei der eigenen Vorsorge kommt, ist eine Sensibilisierung für die Wichtigkeit eines minimalen Kenntnisstands zu dieser Thematik zentral. Allerdings ist ein solcher auch notwendig, um verantwortungsvolle politische Entscheidungen als Stimmbürger oder Stimmbürgerin treffen zu können.
Dieser Beitrag ist Teil des am 19. September 2024 erschienenen HZ-Insurance-Print-Specials «Vorsorge».