In ihrer Strategie zur Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft forderte die Europäische Kommission die Europäischen Aufsichtsbehörden (EBA, EIOPA und ESMA – die ESAs) auf, eine einmalige «Fit-for-55»-Klimaszenarioanalyse durchzuführen, die sich auf Banken, Versicherungen, betriebliche Pensionsfonds und Investmentfonds konzentrierte.
Im breiteren Kontext des Fit-for-55-Pakets, das darauf abzielt, die Emissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu reduzieren, bestand das Ziel darin, die Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors gegenüber Klima- und makrofinanziellen Schocks zu bewerten.
Das Ergebnis: Nach den untersuchten Szenarien ist es unwahrscheinlich, dass allein die Übergangsrisiken die Finanzstabilität gefährden, teilte die EIOPA mit. Wenn jedoch Übergangsrisiken mit makroökonomischen Schocks verbunden sind, können sie die Verluste für Finanzinstitute erhöhen und zu Störungen führen. Dies erfordert nach Ansicht der Aufsichtsbehörde einen koordinierten politischen Ansatz zur Finanzierung des grünen Übergangs und die Notwendigkeit, dass Finanzinstitute Klimarisiken umfassend und rechtzeitig in ihr Risikomanagement integrieren.
Drei Szenarien
Der Klimastresstest wurde anhand von drei Szenarien durchgeführt, die vom Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) mit Unterstützung der EZB entwickelt wurden. Die Szenarien berücksichtigen sowohl Übergangsrisiken als auch makroökonomische Faktoren:
- Im Basisszenario wird das Fit-for-55-Paket in einem wirtschaftlichen Umfeld umgesetzt, das die Prognosen des ESZB vom Juni 2023 widerspiegelt, wobei weiterhin zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit dem grünen Wandel anfallen.
- Im ersten negativen Szenario treten die Risiken des Übergangs in Form von «Run-on-Brown»-Schocks ein, bei denen Investoren Vermögenswerte kohlenstoffintensiver Unternehmen abstossen. Dies behindert den grünen Wandel, da «braune» Unternehmen nicht über die erforderlichen Finanzmittel verfügen, um ihre Aktivitäten umweltfreundlicher zu gestalten.
- Im zweiten negativen Szenario werden die «Run-on-Brown»-Schocks durch andere makrofinanzielle Standard-Stressfaktoren verstärkt. Um die Auswirkungen der Szenarien auf die jeweiligen Finanzsektoren zu messen («Erstrundeneffekte») und das Potenzial für Ansteckungs- und Verstärkungseffekte im gesamten Finanzsystem («Zweitrundeneffekte») zu bewerten, verwendeten die ESAs und die EZB Top-down-Modelle.
Die Schätzungen werden auf der Grundlage granularer Daten erstellt und berücksichtigen einen Zeithorizont von 8 Jahren (von 2022 bis 2030). Die Modelle der ESAs und der EZB decken Kredite an Nichtfinanzunternehmen (NFCs), Eigenkapital, Schuldtitel (einschliesslich Staatsanleihen) und Positionen in Fonds ab, die von einer Stichprobe von Finanzinstituten gehalten werden, die sich aus 110 Banken, 2'331 Versicherern, 629 Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (IORPs) und rund 22'000 in der EU ansässigen Fonds zusammensetzt.
Begrenzte Auswirkungen
Die Ergebnisse des Klimastresstests haben laut EIOPA gezeigt, dass die geschätzten Verluste, die sich aus einem «Run-on-Brown»-Szenario ergeben, nur begrenzte Auswirkungen auf das EU-Finanzsystem haben. Über den 8-Jahres-Horizont liegen die Gesamtverluste der ersten Runde in jedem Sektor zwischen 5,2 Prozent und 6,7 Prozent der anfänglichen Risikopositionen. Die Verluste der zweiten Runde sind vor allem für Investmentfonds relevant und belaufen sich auf 11,2 Prozent der anfänglichen Risikopositionen.
Finanzsystem kann Schocks absorbieren
Das Zusammenspiel von negativen makrofinanziellen Entwicklungen und Übergangsrisikofaktoren könnte den sich entwickelnden Übergang stören und die Verluste der Finanzinstitute erheblich erhöhen, wodurch ihre Finanzierungskapazität beeinträchtigt würde. Dies wird im zweiten negativen Szenario bewertet, in dem die «Run-on-Brown»-Schocks mit negativen makroökonomischen Bedingungen gekoppelt sind.
In diesem Szenario liegen die Verluste der ersten Runde, die von Banken, Versicherungen, betrieblichen Pensionsfonds und Investmentfonds verzeichnet werden, je nach Sektor zwischen 10,9 Prozent und 21,5 Prozent. Obwohl diese Verluste beträchtlich sind, wird erwartet, dass sie durch Faktoren wie die Einnahmen der Banken, die Verbindlichkeiten der Versicherungen und betrieblichen Pensionsfonds sowie die Bargeldbestände der Investmentfonds, die nicht in die Bewertung einbezogen wurden, abgemildert werden. (pd/hzi/bdw)