Facebook leidet spätestens seit Bekanntwerden seiner Verwicklungen in den Datenskandal rund um Cambridge Analytica während der US-Wahlen unter einem massiven Vertrauensproblem. Erst im Juli verdonnerte die US-Verbraucherschutzbehörde Facebook wegen seiner zahlreichen Datenschutzverstösse zu einer Geldbusse von fünf Milliarden US-Dollar. Da verwundert es doch sehr, dass die Verantwortlichen des sozialen Netzwerks mit der Ankündigung der Libra-Lancierung ein derart schlechtes Gespür für das richtige Timing an den Tag legen. Immerhin soll Libra den globalen Zahlungsverkehr revolutionieren.
Libras Mission
Offiziell will Facebook mit Libra eine globale Währung schaffen, die allen Menschen die Teilnahme am Finanzsystem ermöglicht. Insbesondere jenen, die heute entweder keinen direkten Zugang dazu haben oder sich die teuren Gebühren der Finanztransaktionen nicht leisten können. Ein Markt, der von Facebook auf immerhin 1.7 Milliarden Menschen geschätzt wird. Ein nobler Ansatz – wenn diese Initiative nicht ausgerechnet von Facebook lanciert worden wäre. Dass an den Transaktionen selbst kaum Geld zu verdienen ist, scheint offensichtlich. Welches Ziel verfolgt Facebook dann? Denn Libra ist nicht als Non-Profit Organisation geplant.
Facebook’s Interessen
1. Facebook ist das grösste soziale Netzwerk und gleichzeitig einer der grössten Sammler von Nutzerdaten. Libra ermöglicht Facebook Einblick in eine komplett neue Welt. Weiss Facebook, wofür die Nutzer ihr Geld ausgeben, können sie die Werbung noch gezielter einsetzen, teurer verkaufen und damit die Erträge steigern.
2. Die Digitalwährung Libra soll eins zu eins mit Fiatgeld gedeckt werden. Will man Libra kaufen, muss man Euro, US-Dollar oder andere Währungen an die Libra Gesellschaft übertragen. Diese Gelder werden von Libra sicher angelegt und die erzielten Zinseinnahmen an Facebook und die weiteren beteiligten Gesellschaften ausgezahlt.
3. Libra hat das Potenzial, auf Anhieb zu einem der grössten Vermögensverwalter der Welt aufzusteigen. Durch das Halten von Staatsanleihen in grossem Umfang könnte Libra diese Assets als Druckmittel einsetzen, um seine eigenen politischen Interessen global durchzusetzen.
Gegenwind von Politikern und Zentralbanken
Dass die Pläne von Facebook so hohe Wellen schlagen, liegt am möglichen Umfang des Einstiegs in den Kryptomarkt. Mit 2.7 Milliarden Facebook-Nutzern würde Libra bei einem durchschnittlichen Engagement von 10 US-Dollar je Nutzer auf Anhieb eine Marktkapitalisierung in der Grössenordnung von Bitcoin (Stand: 17.7.2019) erreichen. Steigt dieser Betrag auf durchschnittlich 100 US-Dollar je Nutzer, wäre die Marktkapitalisierung bereits so gross, wie der gesamte Kryptowährungsmarkt. Während Bitcoin mit weltweit etwa 30 Millionen Wallets von den Zentralbanken noch als Randerscheinung gesehen wird, hat Libra das Zeug, zu einer ernstzunehmenden Bedrohung für das internationale Zentralbank- und Währungssystem zu werden. Es verwundert also kaum, dass der Gegenwind von Seiten der Politiker und der Zentralbanker gross ist.
Die ursprüngliche Euphorie über die Libra-Ankündigung ist mittlerweile auch beim Bitcoin wieder verflogen. So schnell der Bitcoin kurz nach der Ankündigung von knapp 9’000 auf nahezu 14’000 US-Dollar geschossen ist, so schnell ist der Kurs auch wieder abgestürzt und handelt aktuell nahezu auf seinem Ausgangsniveau. Die Performance des Bitcoins dürfte eng an die weitere Entwicklung von Libra geknüpft sein. Die Deutlichkeit der Aussagen seitens der Politiker und der Zentralbanker sind ernst zu nehmen. Die Wahrscheinlichkeit einer international weitreichenden Regulierung des Kryptosegments dürfte deutlich zugenommen haben und betrifft nicht nur Libra, sondern den gesamten Kryptowährungsmarkt.
Facebook dürfte mit Libra dem Kryptomarkt somit einen Bärendienst erwiesen haben.
*Christos Maloussis ist Market Analyst und Premium Client Manager bei der IG Bank.