In Anlegerkreisen sind GMO-Gründer Jeremy Grantham und Staranalyst James Montier Legenden. Die beiden Briten gelten als ausgesprochen pessimistisch, was die Zukunft der Finanzmärkte angeht. Im Jargon ist von Perma-Bären die Rede. Montier hat in seinem jüngsten Interview mit der «Handelszeitung» erneut auf die Weisheit von Pu dem Bären hingewiesen. In seinen Worten klingt das dann so: «Wenn es nichts Gescheites zu tun gibt, dann tue nichts». Tom Hancock hingegen schwärmt von Alphabet und sieht insgesamt viel Kurspotenzial für Technologietitel – vor allem für die aus den USA.
Herr Hancock, Sie setzen mehr auf Qualität als auf Value bei Ihren Anlageentscheiden. Können Sie den Unterschied zwischen Value und Qualität kurz erklären?
Tom Hancock: Um Charlie Munger zu zitieren, es geht es darum, grossartige Unternehmen zu einem guten Preis zu finden, Value-Investoren suchen hingegen nach guten Unternehmen zu einem grossartigen Preis.
Die beiden Investitionsstile haben auch viele Parallelen?
Richtig. Auch ich achte auf langfristig ausgerichtete Geschäftsmodelle und vor allem auch auf die Fundamentaldaten. Es geht mir nicht darum zu raten, zu was für einer Bewertung die Aktie XY künftig gehandelt wird. Die beiden Investitionsstile sind verwandt, in etwa so wie es Cousins sind.
Was dann aber doch erstaunt, ist, dass Sie amerikanische Technologieaktien empfehlen. Sind die nicht insgesamt viel zu teuer bewertet?
Einige Aktien bestimmt, aber viele andere nicht. Die Titel, die wir besitzen, weisen alle relativ moderate Bewertungen auf.
Alphabet ist Ihr Lieblingstitel?
Ja. Alphabet hat eine sehr starke Machtstellung in vielen Bereichen. Dazu zählen die Bereichen Suchmaschinen, Youtube, personalisierte Digitalwerbung und so weiter. Alphabet ist letztlich eine digitale Werbevermarktungsplattform. Von dort stammt jedenfalls ein Grossteil des Erlöses. Und diesen Markt teilt sich Alphabet in der westlichen Welt eigentlich nur mit Facebook.
Was stimmt Sie so zuversichtlich, dass Alphabet auch langfristig erfolgreich bleiben wird?
Alphabet ist es in der Vergangenheit gelungen, die Ausgaben in die Forschung direkt in Reingewinn umzumünzen. Werden die Entwicklung der Forschungsausgaben und die des Gewinns auf einem Zeitstrahl dargestellt, sieht das aus wie zwei übereinandergelegte Treppen – oberhalb der Reingewinn, unterhalb die Forschungsausgaben.
In Amazon hingegen sind sie nicht investiert.
Wer Amazon zur aktuellen Bewertung kauft, muss an sehr viele, sehr positive Annahmen glauben. Da scheint mir Alphabet ein wesentlich einfacheres und überzeugenderes Geschäftsmodell zu verfolgen. Wir bei GMO betrachten die Ausflüge von Amazon in den Gesundheitsbereich oder in den Detailhandel mit dem Kauf von Whole Foods mit Sorge.
Das können doch auch Chancen sein?
Das hart mit Webservices verdiente Geld wird so einfach in alles Mögliche investiert. Dieser Umgang mit Kapital gefällt uns nicht.
Aber Alphabet investiert doch auch in viele verschiedene Geschäftsfelder?
Es ist schon seltsam. Alphabet investiert tatsächlich in Bereiche, die nicht zum Kerngeschäft zählen wie autonomes Fahren und Gesundheit. In diesem Fall kritisieren viele Anleger den verschwenderischen Umgang mit Geld. Obwohl es verhältnismässig geringe Beträge sind. Ganz anders die Wahrnehmung von Amazon. Investiert Amazon in ein neues Geschäftsfeld, dann jubeln alle und meinen bereits die nächste Branche zu erkennen, die disrumpiert wird. Dafür sind sie dann bereit, eine hohe Prämie zu bezahlen.
Wieso ist die Wahrnehmung der Anleger von Amazon so positiv?
Nun, Amazon hat in ihrer Firmengeschichte mehrfach gezeigt, dass sie in der Lage sind, einzelne Branchen aufzumischen. Von Büchern über Retail zu Webservices. Ich stand diesen Abenteuern immer eher skeptisch gegenüber. Aber Amazon hat unbestritten grosse Erfolge erzielt. Erfolg indes kann zu Hochmut führen und zu Fehlern verleiten.
Jeff Bezos wird mittlerweile beinahe wie ein Messias verehrt.
Jeff Bezos hat Grosses geleistet - keine Frage. Aber kein Mensch ist ein so viel grösseres Genie als alle anderen zusammen. Deshalb sollte ihm für die erzielten Erfolge nicht zu viel Ehrerbietung erwiesen werden.
Charismatische Firmenlenker sind nach dem Geschmack von Wallstreet, wird sich das je ändern?
Wallstreet wird immer von Charisma betört sein. Erinnern wir uns an Jack Welch von GE. Er war ein ganz anderer Typ als die heutigen Unternehmerstars. Und in 10 Jahren dürften uns nochmals ganz andere Charaktere die Börse beeindrucken. Aber es gibt auch Schattenseiten. Stars werden seltener kritisiert, ihre Entscheide nicht in Frage gestellt. Oft darben Unternehmen nach dem Ausscheiden von starken Persönlichkeiten an der Unternehmensspitze.
Doch auch Sie investieren in Facebook – mit Mark Zuckerberg an der Spitze, der mittlerweile ziemlich abgehoben wirkt.
Uns gefällt sein langfristiges Engagement, aber klar, bezüglich Governance ist Facebook alles andere als vorbildlich. Alphabet hat das viel besser gelöst, hat Eric Schmidt geholt und das Management professionalisiert. Die Gründer sind zwar noch engagiert im Konzern, aber ihr Einfluss ist nicht erdrückend.
Halten Sie Facebook eigentlich wegen oder trotz Facebook? Sind andere Dienste wie Instagram und WhatsApp nicht vielversprechender als das Kerngeschäft selbst?
Bezüglich Wachstum bestimmt. So gesehen ist unser Engagement in Facebook etwas risikoreicher als das in Alphabet und das in Microsoft.
Sie konzentrieren sich stark auf amerikanische Technologietitel. Gibt es wirklich nur dort spannende Anlagechancen?
Wir investieren nicht ausschliesslich in US-Titel. So halten wir auch Taiwan Semiconductors und SAP. An SAP gefällt uns besonders, dass es sehr schwer ist für Mitbewerber in die Kerngeschäftsfelder von SAP einzudringen. Das Geschäftsmodell von SAP ist im IT-Bereich eine Art Goldstandard.