In Grossstädten wie Frankfurt, New York oder London sind die Preise für Büroimmobilien massiv gesunken. Wieso haben die Büroimmobilien in den Schweizer Zentren nicht in gleichem Mass an Wert verloren?

In der Schweiz sind die Grundlagen der Büroimmobilien in den grossen Städten solid. Die Leerstandsquoten sind in absoluten Zahlen nach wie vor niedrig, was die Spitzenmieten stützt. 

Während der Pandemie herrschte eine im Vergleich zu anderen Weltstädten höhere Mobilität, was dazu beitrug, dass die Angestellten früher und in grösserer Zahl ins Büro zurückkehrten. Dies wurde durch kürzere Pendelzeiten beeinflusst. Wir haben Daten aus unserem Hauptsitz in Zürich, die diese Trends bestätigen.

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Hinzu kommen weitere Faktoren: Auf den Kapitalmärkten war der Zinsschock in der Schweiz nicht so ausgeprägt wie in anderen Teilen Europas oder in den USA. Zudem kam es nicht zu Zwangsverkäufen von Büroimmobilien. Die Stimmung der Investoren ist bei weitem nicht so negativ.

Welche europäischen Immobilienmärkte sind derzeit besonders attraktiv, und bei welchen Märkten raten Sie von Investitionen ab?

Wir legen grossen Wert auf moderne Logistikstandorte, bei denen der Grundstückswert durch alternative Nutzungsmöglichkeiten untermauert wird. 

Weiter mögen wir das Segment der erschwinglichen Mietwohnungen und bevorzugen dort Neubauten, denn die sind tendenziell weniger reguliert. Zudem interessieren uns auch alternative Wohnformen wie Studentenwohnheime oder Mikroapartments. Solche Angebote nehmen zu. Bei Investitionen in Büros bleiben wir vorsichtig – obwohl wir nicht an den Niedergang des Büros glauben.

Auch Investitionen in den Einzelhandel kommen für uns infrage, da die Kundenfrequenzen nach der Pandemie robust sind und überflüssige Flächen umgenutzt werden.

Und wie fällt Ihr Urteil zur Entwicklung in den einzelnen Ländern aus?

Europäische Märkte wie Deutschland, Österreich, die Niederlande und die Iberische Halbinsel haben für uns Priorität. In Grossbritannien haben sich die zuvor hohen Immobilienpreise in den letzten zwei Jahren stark und schnell angepasst. Auch die Preise in London sind wieder attraktiv. Und durch die Pleitewellen von Immobilienentwicklern in Deutschland oder Schweden ergeben sich Chancen.

Portraitaufnahmen Andrew Angeli, Zurich Versicherung, Köln am 27.06.2023.

Andrew Angeli ist ein Kenner der globalen Immobilienmärkte: Von London aus analysieren der Global Real Head Real Estate Research & Strategy und sein Team die Entwicklung in den verschiedenen Ländern. Vor seinem Wechsel zu Zurich war er in leitender Funktion beim Immobiliendienstleister CBRE tätig.

 

Quelle: ZVG

Wie interessant ist der Schweizer Immobilienmarkt aktuell im europäischen Vergleich? 

Aus Sicht unserer Bilanz ist das sehr interessant! Unser Engagement im Heimmarkt hat die Performance unseres globalen Immobilienportfolios in den letzten zwei Jahren unterstützt.

Der Schweizer Immobilienmarkt profitiert von geringen Renditeschwankungen. Finanzierungen sind weiterhin verfügbar. In Zeiten globaler Marktturbulenzen ist er auch ein liquider Markt. Wir konnten im Jahr 2023 gut an verschiedene Käufer verkaufen.

Europäische Investorinnen und Investoren finden die Schweiz vielleicht schwierig zu handhaben. Diese Einschätzung erachte ich als unfair, es kommt auf den richtigen Partner an. Zudem hat der Schweizer Markt nicht im gleichen Ausmass korrigiert wie andere europäische Märkte, so dass mancher Investor in Zukunft anderswo bessere Renditen erzielen könnte. Dennoch sehen wir hier nach wie vor Chancen.

Wagen wir eine Prognose: Wie wird künstliche Intelligenz die Nachfrage nach Büroflächen verändern?

KI kurbelt die Unternehmensinvestitionen an und führt zu Innovationen. Dies dürfte die Schwäche der technologieorientierten Büronachfrage, die wir in den letzten Quartalen beobachtet haben, etwas abmildern. KI-Zentren wie die San Francisco Bay Area, Toronto, Berlin, London und Peking dürften davon profitieren. 

Angesichts der Ungewissheit über die langfristigen Auswirkungen der KI werden die Nutzer von Gewerbeimmobilien jedoch wahrscheinlich mehr Flexibilität bei ihren Flächenanforderungen verlangen. Für Büroflächen bedeutet dies kürzere Mietverträge mit Spielraum für Erweiterungen und Verkleinerungen.

Das Immobilien-Interview der Handelszeitung

Die «Handelszeitung» gibt der Immobilienbranche das Wort: Jeden Freitag nimmt eine Expertin oder ein Experte Einschätzungen zu den wichtigsten Entwicklungen im Markt vor. Lesen Sie hier einige der Gespräche aus den vergangenen Wochen:

Immobilien sind ein Pfeiler der Schweizer Wirtschaft – die «Handelszeitung» macht sie zu einem Schwerpunkt in der Berichterstattung.

Der Zusammenbruch des Signa-Konzerns von René Benko schlägt immer noch Wellen auf dem Immobilienmarkt. Wie lassen sich solche Skandale künftig verhindern?

Weitere aktuelle Beispiele für Schwierigkeiten von Immobilienunternehmen sind Wework und die in Schweden börsennotierte SBB. Aus diesen Fällen lassen sich wichtige Erkenntnisse gewinnen. Alle drei Unternehmen waren entweder zu sehr auf billiges Geld angewiesen, um ihr Wachstum zu unterstützen und ihre Bewertungen zu rechtfertigen. Oder sie hatten Laufzeiten für ihre Schulden, die letztlich zu ihrem Nachteil ausgelegt wurden. 

Zweitens ist die Unternehmensführung wichtig. Investorinnen und Investoren sollten komplizierte Unternehmensorganigramme und unkonventionelle Verschuldungs- und Eigenkapitalstrukturen skeptisch betrachten. Wenn beides schwer zu verstehen ist, wird die Geldrückforderung erschwert. 

Gilt es weitere Lehren zu ziehen?

Drittens ist Diversifikation wichtig. Diversifizierung bedeutet, die Laufzeiten der Schulden, das Branchenengagement und die Expertise des Managements zu berücksichtigen.

Welche Spezialimmobilien sind im Moment besonders interessant?

Vertikale Landwirtschaft! Es handelt sich um ein aufstrebendes Immobiliensegment mit spannendem Potenzial. Die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung ist angesichts der Auswirkungen des Klimawandels, der geopolitischen Konflikte und schwindenden Anbauflächen eine grosse Herausforderung. 

Innovationen in der Lebensmittel- und Agrartechnologie sind gefragt. Immobilieninvestorinnen und -investoren spielen dabei eine entscheidende Rolle, denn sie stellen letztlich die Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung. 

Schauen Sie sich Ihr bestehendes Portfolio an, um zu sehen, ob es ein ausreichend leistungsfähiges Gebäude gibt, das für vertikale Landwirtschaftsbetriebe geeignet ist. Der Fokus sollte auf dicht besiedelten, wohlhabenden Städten liegen, die einen hohen Anteil an Lebensmitteln importieren.

Elektroautos benötigen Lademöglichkeiten. Sind Investorinnen und Investoren bereit, für Gebäude mit Ladestationen einen Aufpreis zu bezahlen, oder ist diese Infrastruktur bereits zum Standard geworden?

Elektrische Ladestationen sind nur ein Beispiel für moderne Annehmlichkeiten, die sich Mieterinnen und Mieter wünschen. Unternehmen können damit ihren Kunden und Mitarbeitern einen verbesserten Service bieten. Darüber hinaus können sie den Nachhaltigkeitszielen des Unternehmens entsprechen. Um Ladestationen Mietern schmackhaft zu machen, müssen Investorinnen Investitionen tätigen. Es wird zu einem Muss.

Andrew Angeli beantwortete die Fragen schriftlich.