Was ist schon normal? Darüber können Psychologen und Mediziner lange streiten. Ist es normal, dass es Menschen gibt, die andere Menschen töten? Und wenn nicht; sind dann alle Mörder unzurechnungsfähig? Zum Glück bin ich Ökonom.

Auch in der Ökonomie gibt es so etwas wie Normalität. Wenn man vom täglichen Wahnsinn der Finanzmärkte absieht, scheint das auch ganz einfach zu definieren zu sein. Dabei helfen kann die Statistik, aber auch die Theorie.

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Als nicht normal gelten Beobachtungen, die nur ganz selten vorkommen und die als Folge eine instabile weitere Entwicklung erzeugen. Ökonomen lieben Durchschnitte und Stabilität.

Bestes Beispiel für «nicht normal» sind aktuell unsere Kapitalmarktzinsen. Zehnjährige Anleihen der Eidgenossenschaft rentieren heute bei weniger als 0,40 Prozent pro Jahr. So niedrige oder sogar tiefere Zinsen gab es seit 1955 zwar in etwas mehr als 10 Prozent der Zeit. Allerdings gab es so niedrige Zinsen nur von Ende 2014 bis Anfang 2022. Das war die Phase, in der der Franken zu extremer Stärke neigte und die Schweizerische Nationalbank eine ausschliesslich wechselkursgetriebene Politik betrieb.

Extrem wechselkursorientierte Politik heisst: Die Nationalbank hat das Bankensystem im Zuge von Devisenmarktinterventionen mit Liquidität überflutet. Aus knapp über 300 Milliarden Franken auf den Girokonten der Geschäftsbanken bei der SNB wurden deutlich über 600 Milliarden. Das war eine Zeit, in der unsere Inflation im Schnitt bei null Prozent gelegen ist.

Heute sieht die Welt anders aus. Die Inflation liegt über 1 Prozent und seit zwei Jahren hat die SNB die Liquidität im Markt um 250 Milliarden reduziert. Die SNB ist also wieder auf Inflation und nicht mehr auf den Wechselkurs fixiert. Die Kapitalmarktzinsen sind aber immer noch nicht im Normalbereich angekommen.

Das gilt nicht nur statistisch. Auch theoretisch sind wir in einer Situation der Instabilität und Nichtnormalität: Die Kapitalmarktzinsen liegen auf breiter Front unter der Inflationsrate und wohl auch unter den Inflationserwartungen. Das kann nicht gut gehen. Anleger verlieren in einer solchen Situation reale Kaufkraft. Sparen lohnt sich nicht mehr und Investieren wird, da es zu billig ist, arbiträr. Dem Immobilienmarkt droht die komplette Überhitzung.

Normal ist das nicht. Gesund auch nicht. Es ist Zeit, die Geldpolitik wieder zu normalisieren, um den Zustand zu beenden, in dem sich Junge keine Immobilien mehr leisten können und die Risiken der Finanzstabilität jeden Monat wachsen. Die Kapitalmarktzinsen sind zu tief.