Ein Amt für Härtefallhilfe gibt es bis heute nirgends. Von Sitten bis St. Gallen müssen Kantonsregierungen momentan gesetzliche Grundlagen schaffen, die eine Auszahlung von Wirtschaftshilfen erlauben.
Sie müssen darüber hinaus mit Hochdruck Finanzbeschlüsse durchs kantonale Parlament peitschen. Und sie müssen im Eiltempo eine Beamten- und Expertenkolonne organisieren, die es schafft, innert ein paar Tagen Dutzende bis Tausende Gesuche – ja nach Kantonsgrösse – zu bewilligen.
Es geht ein regelrechter Ruck durch die Kantone. Dies zeigt eine umfangreiche Recherche der «Handelszeitung» in 21 Deutschschweizer Kantonen. Die allermeisten Stellen geben sich grosse Mühe, wie die zahlreichen Antworten belegen.
Es ist dies derzeit die einzige Übersicht: Weder die Wirtschaftskommission des Bundes noch Finanzminister Ueli Maurer noch das Staatssekretariat für Wirtschaft verfügen über eine solche Auflistung.
Am Limit der Rechtsstaatlichkeit
Damit Wirtschaftshilfe so schnell möglich wird, agieren die meisten Kantone am Limit der Rechtsstaatlichkeit. Sie kramen alte Gesetze hervor, etwa Wirtschaftsförderungsgesetze, oder sie tun dies mittels Notbeschlüssen und Notkrediten knapp unter der gesetzlichen Grenze, um kantonale Abstimmungen zu umgehen. Denn: Käme es zur Volksabstimmung, wäre die Wirtschaftshilfe sechs bis neun Monate blockiert, sprich wirkungslos.
Besonderes Lob haben neun Kantone verdient: Ab sofort können Firmen Gesuche im Aargau, in Appenzell Innerrhoden, Freiburg, Schaffhausen, Basel-Stadt und in Glarus beantragen. In den nächsten Tagen stossen Zug, Luzern und das Wallis zur Spitzengruppe.
- Bundesrat: Keine Härtefall-Hilfen für Kleinstunternehmen. Mehr hier.
- Finanzspritzen mit vielen Hürden: Für viele Firmen wird die Wirtschaftsunterstützung im Corona-Winter zum Bürokratiemonster. Mehr hier.
Dies ist möglich, weil diese Kantone entweder bisherige Wirtschaftshilfen vom Frühjahr verlängert haben oder kreative Speziallösungen installierten, darunter Zug und Luzern. Sie lassen notleidenden Firmen auf Antrag Soforthilfe aus dem Lotteriefonds zukommen.
Zügig unterwegs sind auch Baselland, Zürich, Schwyz. Sie haben wichtige Vorarbeit geleistet, damit die Härtefallhilfe bald greifen kann.
Private Stiftungen zahlen Nothilfe
In drei Kantonen spielen wiederum private Stiftungen eine Rolle. Sie zahlen Nothilfe, die der Kanton gesetzlich nicht sofort leisten kann. Dies gilt für Luzern, Appenzell Ausserrhoden und Nidwalden. In Luzern gründete ein früherer Unternehmer diese Stiftung. In Nidwalden ist es ein privat geäufneter Fonds.
Unsere Umfrage zeigt auch, wo die Kantone das grösste Problem sehen: Wie soll ein kantonales Gremium innert ein bis zwei bis vier Stunden Prüfarbeit je Dossier aus der Ferne entscheiden, ob eine Firma gewinnträchtig und zukunftsfähig ist? Nur solch ein Unternehmen darf gemäss Bundesregeln Härtefallhilfe erhalten.
Hier lauern Konfliktpotenzial und fette Schlagzeilen. Doch dieses Examen haben sich die Kantone nicht gewünscht. Die bürgerliche Mehrheit in Bundesbern hat es ihnen aufs Auge gedrückt, als sie im September die Härtefallhilfe beschloss. Die Idee war: So wenig Wirtschaftshilfen wie möglich verteilen. Ob das gut kommt?