Im Sommer 2020 griff die japanische Regierung zum letzten Mittel der Geldpolitik: Jeder Bewohner mit festem Wohnsitz erhielt 100 000 Yen – gut 900 Franken – aufs Bankkonto überwiesen. Das Helikoptergeld sollte die von der Pandemie gebeutelte Wirtschaft neu beleben und uns, die hier leben, endlich wieder konsumieren lassen.
Einkaufen auf Kosten des Staates
Für mich kam das Geschenk von oben im richtigen Moment. Soeben in eine neue Wohnung in Yokohama gezogen, kaufte ich mir von dem Handout der Regierung einen Fernseher von Sharp und eine Waschmaschine von Toshiba. Damit erfüllte ich ziemlich genau die Erwartungen, die der Ökonom Milton Friedman dem Helikoptergeld in den 1960er Jahren zugedacht hatte. Friedman glaubte nämlich, dass die Bürger das Geld ausgäben – und so der Konjunktur und Inflation auf die Sprünge helfen würden.
Mit meinem Einsatz für die japanische Volkswirtschaft stand ich nicht alleine da. Tatsächlich sagten in einer Umfrage im Sommer 38 Prozent der Befragten, sie wollten mit dem Geld die Lebenshaltungskosten decken. 19 Prozent wollten es für Reisen und Unterhaltung ausgeben, 13 Prozent planten, es zu investieren, für Bildung und kulturelle Bereicherung wollten es 10 Prozent einsetzen und 8 Prozent für den Fiskus. Hinzu kamen in der Umfrage, bei der Mehrfachnennungen möglich waren, viele Unentschlossene und 25 Prozent, die das Geld sparen wollten.
«Stimulus Checks» in Kryptowährungen investiert
Das grosse Problem des Helikoptergeldes ist, dass die Menschen das Geld nicht in die Wirtschaft zurückführen. In den USA sollen in den letzten Monaten viele Leute ihre «Stimulus Checks» in Kryptowährungen investiert haben.
Um solche falschen Anreize auszumerzen, war der zweite Teil der japanischen Kampagne zur Ankurbelung der Wirtschaft gezielter: Bei der nationalen «Go To Travel»-Kampagne übernahm der Staat 35 Prozent der Übernachtungskosten und verteilte Coupons im Gegenwert von weiteren 15 Prozent für Konsumausgaben im Ferienziel.
Das Geld blieb somit im Land – und sowohl die Menschen in den Touristenorten als auch die Gäste hatten etwas von der Kampagne. Wie beim Helikoptergeld richteten dabei auch hier die Konsumenten über die Weitergabe des Geldes. Sie entschieden mit den Füssen und dem Portemonnaie, welche Firma profitieren oder gar gerettet werden würde.
Japan ist in einer V-Formation durch die Krise gekommen
Natürlich sind die Verhältnisse in Japan anders als in der Schweiz. Eine Übertragung der Massnahmen ist weder möglich noch wünschbar – insbesondere angesichts der raschen Erholung in der Schweiz. Doch auch Japan schaffte mit dem Helikoptergeld eine V-förmige Erholung und erreichte die ersehnte Abschwächung des Yen gegenüber Dollar und Franken. Die Folge: Japans Exporte legten im März zweistellig zu. Und dies bei weit weniger tiefen Minuszinsen als denjenigen der SNB.
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