Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht vor einer wichtigen geldpolitischen Entscheidung. Die Verantwortlichen müssen abwägen, ob sie eine der letzten verbleibenden Zinssenkungen vor Erreichen der Nullmarke einsetzen. Während Investoren und die meisten Analysten eine Senkung des Leitzinses um 25 Basispunkte auf 0,25 Prozent erwarten, bleibt die Entscheidung aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheiten unvorhersehbar. Die Ökonomen der UBS sprechen gar von einer «Münzwurf-Entscheidung».
Für eine Beibehaltung des aktuellen Zinsniveaus sprechen die moderate Inflation, das solide Wirtschaftswachstum, ein schwächerer Franken sowie der begrenzte geldpolitische Spielraum. Andererseits könnte die angespannte weltweite Handelssituation, verschärft durch die von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle, eine Zinssenkung erforderlich machen.
Die schwierige Lage macht die SNB-Entscheidung zur spannendsten unter den Industrienationen in dieser Woche. Während die US-Notenbank (Fed) und die Bank of England voraussichtlich keine Änderungen vornehmen, bleibt das Vorgehen der SNB ungewiss. Seit Mitte 2022 hat sie Investoren mit unerwarteten Zinsanpassungen immer wieder überrascht.
Ein wesentliches Argument für Senkung
Laut Claude Maurer, Chefökonom von BAK Economics in Basel, ist die trübere globale Wachstumsperspektive das einzige wesentliche Argument für eine weitere Zinssenkung. Er gehört zu einer Minderheit von Analysten, die in einer Bloomberg-Umfrage keine Änderung erwarten. Die Mehrheit rechnet mit einer Senkung um 25 Basispunkte, und die Märkte sehen eine Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent für dieses Szenario.
«Wir erwarten, dass eine Nullzinspolitik vermieden wird, auch wenn eine gewisse Flexibilität für weitere Lockerungen bestehen bleibt», sagt der Ökonom Jean Dalbard.
Die SNB ist bekannt für unerwartete geldpolitische Massnahmen. In der Vergangenheit sorgte sie für Überraschungen, etwa mit der Einführung einer Franken-Obergrenze 2011 und deren abruptem Ende 2015. Auch in den letzten Jahren fiel sie mit plötzlichen Zinsanpassungen auf: Eine unerwartete Erhöhung um 50 Basispunkte im Juni 2022, gefolgt von einer kleineren als erwarteten Erhöhung um 75 Basispunkte, was Analysten ins Schwanken brachte. Es folgten eine Zinspause im September 2023, eine unvorhergesehene Senkung im März des vergangenen Jahres und eine stärkere Reduzierung im Dezember.
Neue Handelskonflikte unter Trump könnten eine weitere Zinssenkung erforderlich machen. Besonders seine geplanten Zölle auf Pharmaerzeugnisse würden die exportorientierte Schweizer Wirtschaft treffen. Pharmaexporte machten 2023 rund 35 Prozent der Gesamtausfuhren aus.
Die Sache mit der Inflation
Ein weiteres Argument für eine Zinssenkung ist die niedrige Inflationserwartung. Laut Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, kann die SNB nicht zufrieden sein mit einer Prognose von nur 0,7 Prozent Inflation für das dritte Quartal 2027. «Mit einer Zinssenkung können die Entscheidungsträger sicherstellen, dass sie ihr Ziel erreichen», so Junius. «Falls sie pausieren, können sie nur hoffen, ihr Ziel zu erreichen.»
Taktische Überlegungen sprechen jedoch gegen eine Zinssenkung. Da die SNB nur quartalsweise tagt, wäre eine erneute Anpassung erst im Juni möglich. Ex-SNB-Präsident Thomas Jordan betonte 2022, dass ausserplanmässige Schritte nur bei einer fundamentalen Veränderung der Inflationslage erfolgen würden.
Da der geldpolitische Spielraum begrenzt ist, könnte die SNB vorsichtig bleiben. Zwar hat Nationalbank-Präsident Schlegel Negativzinsen nicht ausgeschlossen, doch er betrachtet sie nur als letzte Option.
Gegen eine Zinssenkung sprechen auch die jüngsten Inflationsdaten. Die Teuerungsrate liegt im Rahmen der SNB-Prognosen, und das Schweizer Wirtschaftswachstum hat sich Ende 2024 beschleunigt und das höchste Niveau seit fast zwei Jahren erreicht. Dies wurde durch eine Abschwächung der Frankenstärke begünstigt, die lange als Problem für Exporteure galt.
Franken unter Druck
Seit Dezember hat der Franken real um rund 3 Prozent gegenüber einem Währungskorb nachgegeben und ist auch gegenüber dem Euro um diesen Wert gesunken. Die Ankündigung Deutschlands, seine Staatsausgaben zu erhöhen, hat die Märkte verändert und den Franken auf den niedrigsten Stand seit Juli gedrückt. Sollte die EZB im April eine Zinspause einlegen, könnte dies den Zinsunterschied stabilisieren und den Druck auf den Franken bis zur nächsten SNB-Sitzung im Juni verringern.
Die Investoren werden die Entscheidung der SNB genau verfolgen. Laut Gian Luigi Mandruzzato, Chefökonom der EFG Bank in Zürich, könnte das beste Vorgehen sein, nichts zu tun. «In Zeiten hoher Unsicherheit kann es manchmal klug sein, abzuwarten und die Entwicklungen zu beobachten», so Mandruzzato.
(bloomberg/cash)