Noch hat sich der Sommer nicht verabschiedet. In Aigle, Kanton Waadt, sorgen die warmen Strahlen der Septembersonne für zufriedene Gesichter bei den lokalen Cornichonproduzenten. Die Hitzetage im Juli und August und das sommerliche Wetter Anfang September haben eine üppige Cornichonernte beschert. Auf knapp 45 Tonnen beläuft sich der diesjährige Ertrag des Walliser Produzenten, der gerade seine Ware geliefert hat. Wie er liefern noch zehn weitere Erzeuger aus der Region ihre Cornichons an Reitzel, den Schweizer Spezialisten für Pickles.
Von Aigle aus, dem einzigen Schweizer Produktionsstandort der Firma, versorgt das Unternehmen den Schweizer Markt. Die Schweiz gilt mit 44 Prozent des Jahresumsatzes als wichtigster Absatzmarkt der Gruppe. Danach folgen Frankreich und Indien – die zwei anderen grössten Absatzregionen der Reitzel-Gruppe. In der Anlieferungszone von Reitzel reihen sich grosse Lkw aus Osteuropa an die kleinen Lieferwagen der lokalen Produzenten. Einer Lieferung folgt die nächste. Von der benachbarten Fabrik, in der die Produktionsstrassen auf Hochtouren laufen, weht ein leichter Essigduft herüber.
Bernard Poupon, CEO der Reitzel-Gruppe, sitzt in seinem Büro. Auch er hat ein Strahlen in seinem sonnengebräunten Gesicht. Man sieht, dass es ihm gut geht. Trifft dies auch auf das Unternehmen zu? «Die Lage hat sich deutlich entspannt. Wir freuen uns sehr darüber, dass sich das Geschäftsjahr 2018 zu unseren Gunsten entwickelt hat.» Man muss wissen, dass hinter der Gruppe drei schwierige Jahre liegen, «was allerdings», so Bernard Poupon, «mehrere Gründe hat. Durch die Aufhebung des Euro-Mindestkurses 2015 war es für unsere ausländischen Konkurrenten sehr einfach, in den Schweizer Markt einzusteigen. Aus subjektiven oder psychologischen Gründen begannen die grossen Schweizer Einzelhändler, ihre Waren im Ausland einzukaufen. Das hat uns nicht gerade geholfen.»
Im Jahr darauf setzte sich die Pechsträhne fort. «Als sich die russische Währung 2016 abschwächte», erklärt Bernard Poupon, «brach uns ein grosser internationaler Absatzmarkt weg. Und im letzten Jahr schliesslich führte die lange Dürreperiode in Indien zu einer schlechten Cornichonernte. Indien ist für uns ein bedeutender Hauptlieferant von Cornichons für den französischen und den internationalen Markt. Keine Cornichons, kein Umsatz. Wir hatten also drei sehr angespannte Jahre. Zum Glück hat sich das Blatt 2018 gewendet.» Dass die 1909 gegründete Gruppe mit Widrigkeiten zu kämpfen hat, ist nichts Neues, auch wenn der CEO von Reitzel heute einräumt, dass 2015 das schlechteste Jahr war, das er in seiner 30-jährigen Zeit an der Spitze des Unternehmens erlebt hat.
Reitzel ist seit einem Jahrhundert im Waadtländer Chablais angesiedelt und produziert an ihrem Standort in Aigle sogenannte Pickles, in Aromaessig eingelegtes Gemüse (Cornichons, Mais, Essiggurken). Die hier erzeugten Produkte sind fast ausschliesslich für den Schweizer Markt bestimmt und machen mehr als 70 Prozent des in der Schweiz generierten Umsatzes aus. Das Sortiment umfasst aber auch Salatsaucen, Mayonnaise, Ketchup und Senf, die weitere 20 Prozent zum Umsatz beitragen.
In erster Linie ist Reitzel aber ein Exportunternehmen. 1990 beteiligt es sich an der türkischen Firma Zey-Tur-San. Fünf Jahre später folgt in Frankreich die Übernahme der Konservenfabriken in Béziers und weitere fünf Jahre später der Gesellschaft Briand.
Doch der Expansionshunger dauert an: Im Jahr 2005 betritt Reitzel den indischen Markt und gründet eine Tochtergesellschaft in Bangalore. So stellt der Konzern die Versorgung mit Cornichons im Winter sicher, wenn in Europa (Schweiz, Deutschland, Polen, Rumänien, Mazedonien und Ungarn) die Erntesaison vorüber ist. Der französische Markt macht heute 41 Prozent des Umsatzes (der Anteil der Schweiz beträgt 44 Prozent) der Gruppe aus, die mehr als 450 Mitarbeitende beschäftigt, davon rund 100 in Aigle. Die Gruppe ist folglich für ihre Importe und Exporte stark vom Ausland abhängig. Womit sich die Durststrecke der vergangenen drei Jahre erklären lässt. Doch wie kam es dazu?
«Die Herausforderung von Reitzel ist nicht primär der Dollar, sondern der Euro.»
Am 15. Januar 2015 hebt die SNB den Euro-Mindestkurs auf. Die Aufwertung des Schweizer Frankens 2015 lässt den Umsatz von Reitzel einbrechen und zieht Währungseffekte nach sich, die es zu bewältigen gilt. Die Gruppe muss in der Tat schnell reagieren, um der Konkurrenz durch die Importprodukte zu begegnen, deren Preise über Nacht um rund 20 Prozent gefallen sind.
Als Reitzel im April 2016 ihr Ergebnis für das Geschäftsjahr 2015 präsentiert, gibt die Firma einen Rückgang ihres Umsatzes von 13,6 Prozent in Schweizer Franken bekannt. Das entspricht knapp 40 Millionen Franken. In Euro beträgt die Minderung lediglich 1,6 Prozent. «Der Umsatzrückgang ist nur ein Aspekt», berichtet Bernard Poupon. «Das wahre Problem liegt in der Aufhebung des Mindestkurses 2015, die für ein schwieriges Umfeld gesorgt hat. Die grossen Einzelhändler haben zu verstehen gegeben, dass die Schweiz zu teuer geworden ist.»
Dieses Problem betrifft aber nicht nur Reitzel, sondern alle Exportunternehmen in der Schweiz. Dabei gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, um sich gegen das Währungsrisiko abzusichern. Die verschiedenen Instrumente zur Risikoabsicherung werden im Fachjargon als Hedging bezeichnet. Vom Cancellable Forward über Termingeschäfte bis hin zum Risk Reversal bietet beispielsweise UBS Schweizer KMU sechs Möglichkeiten an, Währungsrisiken abzusichern. Denn für Schweizer Import- und Exportunternehmen kann jede noch so kleine Schwankung grosse Auswirkungen nach sich ziehen. Ein einfaches Absicherungsgeschäft allein reicht allerdings nicht. Ziel beim Hedging ist es, eine langfristige Strategie zu definieren.
Gegen Währungsrisiken absichern, so funktionierts:
Weitere Informationen zu Währungsabsicherung unter ubs.com/fx
Zunächst werden die Risiken identifiziert. Sie können aus verschiedenen Quellen stammen wie Geldflüssen in Fremdwährung, Angeboten in Fremdwährung oder aus Devisenbeständen. So ein Schritt dient dazu, Risiken einzuschätzen, die besondere Aufmerksamkeit erfordern, und so die Entwicklung der Devisenmärkte über einen definierten Zeitraum zu antizipieren. Das erleichtert es den Unternehmen, Währungsrisiken einzudämmen oder auszuschliessen.
Bleiben noch die Restrisiken. Es gilt, zu klären, inwieweit das Unternehmen diese tragen kann. Das macht die Auswahl des richtigen Absicherungsinstruments essenziell. In einem letzten Schritt wird die Performance der Absicherung gemessen. Eine systematische Analyse der Währungseffekte und der Absicherungsmassnahmen liefert wertvolle Hinweise für künftige Entscheide. Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die SNB ist die Absicherung des Währungsrisikos für import- und exportabhängige Schweizer KMU unerlässlich geworden.
Die Entscheidung der SNB hat die Volatilität an den Devisenmärkten erhöht. Nach einigen Jahren ohne Volatilität erkennen nicht alle Unternehmenschefs die Notwendigkeit einer Absicherung. Anders sieht das CEO Bernard Poupon. Die Reitzel-Gruppe gliedert sich in drei Unternehmen. Reitzel Schweiz sei wegen ihrer grossen Abhängigkeit von den Cornichonimporten aus Mitteleuropa (darunter Mazedonien, Bosnien, Ungarn) besonders stark betroffen gewesen, erklärt er. Gefolgt von Frankreich mit zwei Standorten und Indien, wo Reitzel India die kleinen Cornichons für den Export nach Deutschland, Grossbritannien und in die USA produziert.
«Eine zuverlässige Dollarprognose hat einen hohen Stellenwert für uns. Diese Risiken steuern wir mit guten Absicherungsinstrumenten.»
Um die Swissness-Anforderungen zu erfüllen, werden Schweizer Cornichons für den Schweizer Markt unter der Marke Hugo produziert und vertrieben. «Die Frankenstärke erschwert den Absatz dieser Produkte im Ausland», so Bernard Poupon. Doch wie steht es um die anderen Unternehmen der Gruppe? «In der Schweiz verkaufen wir in Schweizer Franken, während der Einkauf überwiegend in Euro stattfindet. Die Herausforderung von Reitzel Schweiz ist somit nicht primär der Dollar, sondern der Euro», betont der CEO. «Der Berater von UBS unterstützt uns bei der Absicherung. Zurzeit sichern wir uns immer auf drei Monate ab. Bei einem potenziellen Risiko wählen wir eine längere Absicherung. Damit sind wir erst einmal geschützt. Der Franken hängt stark von internationalen Ereignissen ab. Niemand weiss, wie er sich über einen Zeitraum von sechs Monaten entwickeln wird. Aktuell basiert unsere Absicherung auf einem Budgetkurs von 1,17, den wir für unsere Ein- und Verkäufe anwenden.»
Der Euro ist nicht die einzige Währung, mit der Bernard Poupon jonglieren muss. Auch der Dollar zählt dazu. «Bei unseren Auslandsgeschäften verkaufen wir viel in Dollar», berichtet er. «Die indische Rupie ist eng an den US-Dollar-Kurs gekoppelt. Deshalb besitzt eine zuverlässige Dollarprognose einen hohen Stellenwert für uns. Diese Risiken steuern wir mit guten Absicherungsinstrumenten, doch Währungsschwankungen sind naturgemäss weltweit alle Unternehmen ausgesetzt.»
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