Was den Charme angeht, kann es Eric Holder (60) mit seinem Chef Barack Obama durchaus aufnehmen. Doch Holder agiert mit eiserner Faust und missionarischem Eifer, wenn ihn der Jagdtrieb gepackt hat – wie im Steuerstreit mit den Schweizer Banken. Seit Jahren setzt sein Ministerium dabei auf Eskalation und schreckt auch vor drastischen Drohgebärden nicht zurück.
Die Amerikaner zeigen wenig Geduld und misstrauen allem, was die Durchsetzung ihres Willens verzögern könnte. Holder gefällt sich in Sachen Bankgeheimnis in seiner Rolle als Mann auf dem Kriegspfad – und triumphiert entsprechend, wenn er seine Beute erlegt hat: Als die Credit Suisse Ende 2009 eine Busse von 536 Millionen Dollar akzeptierte, um der Strafverfolgung zu entgehen (die CS hatte mit Ländern geschäftet, welche von den USA sanktioniert werden), verkündete Holder stolz: Die Busse werde sicherstellen, dass sich die CS «nicht erneut über das Gesetz hinwegsetzen wird».
Holder gilt als dem linken Flügel der Demokraten zugehörig, als jemand, der von der «gerechten Sache» beseelt ist. Und manchmal übers Ziel hinausschiesst: Kürzlich warf er dem Iran die Planung eines Anschlages auf die Botschaften Saudi-Arabiens und Israels vor. Beweise fehlten ihm jedoch. Später mussten Holders Beamte zurückrudern.
Die Freunde
Eric Holder machte nie ein Hehl aus seinen Sympathien für Barack Obama. Die beiden freundeten sich so weit an, dass Holder zusammen mit Caroline Kennedy das Team führte, das potenzielle Vizepräsidenten überprüfte. Doch zu enge Vertrautheit zu einem Präsidenten wurde für ihn auch schon einmal zum Problem. In den letzten Tagen seiner Regierung wollte Bill Clinton noch Gnadengesuche von Marc Rich durchdrücken. Der Rohstoffhändler hatte Steuerschulden in Millionenhöhe angehäuft, er war in heikle Deals verwickelt, das FBI jagte ihn. Rich flüchtete in die Schweiz. Doch seine Ex-Frau hatte viel Geld für die Clintons gespendet, der Präsident wollte ihn begnadigt sehen.
Holder, damals Vizejustizminister, prüfte oberflächlich und winkte die Begnadigung durch. Auch unter Obama geriet Holder schon in Loyalitätskonflikte. So setzte er sich für eine intensive Untersuchung der umstrittenen Bush-Foltermemos ein und wollte sogar den ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney belangen. Doch der Präsident liess die Vergangenheit ruhen: «Wir müssen nach vorn schauen, nicht zurück.» In solchen Momenten holt sich Holder gerne Rat bei Janet Reno, einer engen Vertrauten und ehemaligen US-Justizministerin.
Die Gegner
Beim iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad und bei dessen Uno-Botschafter Mohammad Khazaei dürfte sich Eric Holder zuletzt keine Freunde gemacht haben, als er sie eines Plans für Anschläge auf die Botschaften Saudi-Arabiens und Israels bezichtigte. Senatoren wie John Cornyn aus Texas nehmen Holder regelmässig wegen seiner angeblich zu liberalen Überzeugungen ins Kreuzfeuer.
Richtiggehend zusammengeprallt ist Holder häufig mit Rahm Emanuel, dem ehemaligen Stabschef des Weissen Hauses. So, als Emanuel riet, Terrorverdächtige vor Militärtribunale und nicht vor ordentliche Gerichte zu stellen. Obama folgte seinem Justizminister und ordnete für den 9/11-Drahtzieher Sheikh Mohammed einen Zivilprozess in New York an. Später krebste man zurück – eine politische Pleite.
Die Verfolgten
Der Finanzindustrie und besonders den Schweizer Banken gilt das Augenmerk Holders. Ins Visier gerieten die ehemaligen CS-Mitarbeiter Renzo Gadola, Christos Bagios, Emanuel Agustoni und ein halbes Dutzend weitere Banker. Im September setzte das US-Justizministerium den Schweizer Banken ein Ultimatum. Credit Suisse, Julius Bär, Bank Wegelin, Zürcher und Basler Kantonalbank gerieten ins Fadenkreuz des US-Justizministers.
Bereits vor zwei Jahren musste die UBS unter ihrem VR-Präsidenten Kaspar Villiger die Namen von 4500 US-Kontoinhabern nennen und eine Strafe von 750 Millionen Franken zahlen. Im Steuerstreit gab es 2009 erstmals Kontakt auf Regierungsebene. Damals wollte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf in Washington Holder treffen. Doch daraus wurde nichts: Holder hatte sich in Sachen UBS für befangen erklärt, weil er als Rechtsanwalt früher für die UBS tätig gewesen war.
Der bislang grösste Coup gelang Holder mit der Verurteilung von Bernard Madoff: Der heute 73-Jährige wurde 2009 zu 150 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er 65 Milliarden Dollar ergaunert hatte.
Die Vorgänger
Das US-Justizministerium an der Constitution Avenue trägt eine lateinische Inschrift über dem Eingang, die besagt: Wer hier arbeitet, kämpft für Justitia und die Verfassung. Kritiker prangern an, dass diese Werte während George W. Bushs Präsidentschaft wiederholt und vorsätzlich verletzt wurden. Unter seinem ersten Justizminister, John Ashcroft, einem Erzkonservativen, wurde die Ausweitung der präsidialen Vollmachten im «Kampf gegen den Terror» so eklatant, dass selbst konservative Juristen wie Jack Goldsmith aus Protest den Rücktritt einreichten.
Bush ersetzte Ashcroft schliesslich durch Alberto Gonzales, einen Vertrauten aus den Zeiten in Texas. In dessen Ära ereignete sich der Skandal um gefeuerte US-Staatsanwälte, die klagten, aus politischen Gründen entlassen worden zu sein.
Die Familie
Eric Holder wurde 1951 in New York City geboren. Die familiären Wurzeln seiner Eltern weisen nach Barbados in der Karibik. Seine Familie hielt Holders Vater Eric als Immobilienmakler über Wasser. Der zukünftige Justizminister wuchs im New Yorker Stadtteil Queens in einer vor allem von Afroamerikanern bewohnten Gegend auf. Zu Holders Nachbarn zählten Louis Armstrong, Dizzy Gillespie, Willie Mays und Malcolm X.
Heute lebt Holder mit seiner Frau, der Ärztin Sharon Malone, und seinen drei Kindern in Washington. Seine Liebe zum Basketball ist legendär, so bewunderte er immer Jeff Malone, den Neffen seiner Frau, der bei den Washington Bullets Karriere machte.