Er werde an den Wochenenden jeweils nach Hause fahren zu seiner Familie, sagt Ueli Maurer mit der fraglosen Selbstverständlichkeit, als ob er immer noch Geschäftsführer des Volg-Ladens im Dorf wäre. Bundesrat Mauer hat seine Wurzeln in Hinwil im Zürcher Oberland und ist geprägt von den familiären Strukturen einer ländlich-bäuerlichen Kindheit. Sein Vater war Pächter eines 20-Hektar-Hofes der Milchwirtschaft. Seine Mutter verbot ihm, in den «Arbeiterkonsum» (Coop) zu gehen: «Ein Bauer kauft nicht bei den Sozis ein.» Weil er aus der ärmsten Familie im Dorf kam, musste er der Beste in der Schule sein. Die Lehrerin schlug ihn fürs Gymnasium vor – chancenlos. Er war ein schüchterner Bub, überwand seine Angst mit Klettern und Skispringen. «Warum musst du immer so auffallen?», entsetzte sich seine Mutter jeweils, wenn er als SVP-Präsident einen seiner Brachialauftritte hatte.
«Ueli der Pächtersohn» (Eigenwerbung 1991) ist sich treu geblieben. Seine Frau Anne-Claude, eine Sozialpädagogin, hält er konsequent aus dem Rummel um seine Person heraus; die sechs Kinder Ueli, Beni, Ursina, Björn, Sidonia und Corsin können mitmachen, wenn sie das wollen. «Ich stehe nicht gern im Rampenlicht», sagt Ueli Maurer – und eilt von einem Interviewtermin zum anderen.
Die Wegbereiter
Der Spruch ist legendär. «Ueli, du musst in die Hosen», soll Christoph Blocher, damals Präsident der Zürcher SVP, seinem Vizepräsidenten Ueli Maurer verordnet haben. Das war im Januar 1996, und es ging um das Präsidium der SVP. Andere Kandidaten wie der Berner Samuel Schmid hatten zuvor abgesagt, also musste Maurer übernehmen. Der unermüdliche Chrampfer zeigte, was in ihm steckt: Zusammen mit Parteisekretär Gregor Rutz hat er 600 neue Sektionen gegründet, die SVP-Fraktion im Bundeshaus wuchs von 34 auf 71 Mitglieder. Zu einer engen Freundschaft zwischen dem Bergbauernsohn und dem Pfarrerssohn kam es hingegen nie. Zu Maurers kleinem Freundeskreis gehören Bruno und Rösli Zuppiger. Letztere versteht sich sehr gut mit Anne-Claude Maurer. Zuppiger und Maurer waren zusammen im Gemeinderat von Hinwil, dann im Kantonsrat und schliesslich im Nationalrat. Auf der beruflichen Schiene gehört Carl Bertschinger, Alt-Kantonsrat und Landwirt in Pfäffikon ZH, zu Maurers Förderern. Sie machten gemeinsam in diversen bäuerlichen Organisationen mit. Und als sich Ueli Maurer zwischen Volg-Geschäftsführung und Nationalratsmandat entscheiden musste, fand Bertschinger für ihn den Ausweg zum Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbandes.
Seine Widersacher
Mit der nationalpatriotischen Grundeinstellung der SVP hat sich Maurer wirtschaftspolitische Gegner eingehandelt. Durch das Nein zur Personenfreizügigkeit – er plädierte zwar für Stimmabstinenz – etwa die Exponenten von Economiesuisse, Präsident Gerold Bührer und Direktor Pascal Gentinetta. Angeführt vom Parteikollegen und Thurgauer Bahnunternehmer Peter Spuhler, hat sich ein Pro-Komitee mit 24 National- und Ständeräten gebildet. Im Clinch mit Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard ist Maurer, der noch im April das Präsidium des Verbandes Schweizerischer Gemüseproduzenten übernommen hat, beim für 2012 vorgesehenen Thema Agrarfreihandels-Abkommen mit der EU. Rosmarie Zapfl, die frühere CVP-Nationalrätin aus Zürich, entlarvte sich im «Club» als bissige Kritikerin des früheren SVP-Präsidenten. Obschon Ursula Gut 2006 dank namhafter Unterstützung der SVP zur Regierungsrätin gewählt wurde, sprach sie sich ein Jahr später gegen die Ständeratskandidatur von Ueli Maurer aus.
Sein Frauen-Fanclub
Oft hat sich Ueli Maurer als frauenpolitischer Hardliner geoutet: In den achtziger Jahren bekämpfte er das neue Eherecht, 2002 die Fristenlösung, 2003 die Mutterschaftsversicherung, heute die staatliche Unterstützung von Kinderkrippen. Dennoch ist die Liste jener Frauen lang, die stets einen guten Draht zu ihm hatten. Allen voran die früheren SP-Präsidentinnen Ursula Koch und vor allem Christiane Brunner: «Ich habe ihn als Menschen erlebt, der viel Humor hat, der über sich selbst lachen kann und bescheiden ist.» Aber auch die CVP-Nationalrätin Brigitte Häberli rühmt, er gehe «stets korrekt mit den Frauen im Parlament um». Jacqueline Hofer, die Präsidentin der Zürcher SVP-Frauen, gibt zu Protokoll: «Ueli fördert uns, wo er nur kann.» Rita Fuhrer durfte das erleben: Bei ihrer Wahl in den Zürcher Regierungsrat 1995 wurde sie von Maurer massgebend unterstützt.
Seine Hobbys
Ueli Maurer hat das Zeug, zum skurrilsten Mitglied der Landesregierung seit langem zu werden. Mit seinen Kindern hat er sich jeweils am Sonntagmorgen auf den Boden gehockt und mit Kühen gespielt. Noch heute fährt der Naturfreak regelmässig auch im Winter in den Wald, um im Zelt und bei offenem Feuer zu übernachten. Irgendeinmal begann er Gräser zu kauen, inzwischen kann er 40 Gräsersorten auseinanderhalten. Als Major der Militärradfahrer machte er das Velofahren zu seinem Lieblingssport, im Eishockey ist er Fan von Ambri-Piotta, im Fussball von YB. Sein Lieblingsessen ist Gschwellti mit Käse, zu den Lieblingsbüchern gehört «Heidi».
Seine Militärkameraden
Der neue Vorsteher des VBS ist ein Vertreter des militärisch-landwirtschaftlichen Gefüges: Bauer und Soldat ist ein Konnex mit langer Tradition. Zu seinen Dienstkameraden gehörte Georg Staub, Direktor von Swiss Staffing. Er war mit Maurer zur selben Zeit im selben Regiment Kommandant eines Radfahrerbataillons. Regimentskommandant der Radfahrer war Heinz Keller, der als Direktor des Bundesamtes für Sport von 1985 bis 2005 fünf Bundesräte erlebte. Auch einen Draht zu den Medien konnte Maurer im Militär aufbauen: Nik Niethammer, Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten», war Anfang neunziger Jahre Oberleutnant in Maurers Bataillon.