Reto Roffler, Schneider mitten im Züricher Bankenviertel, akzeptiert keine Zahlungen mit Karte. Wer in seinem Geschäft einkaufen will, wo ein Anzug 6000 Franken kosten kann, muss entweder überweisen, oder bar bezahlen. «Neulich hatte ich einen amerikanischen CEO hier, der in einem Hotel in der Nähe wohnte und dem eine Tasche gefiel, und ich sagte ihm, dass wir keine Karten nehmen», sagt Roffler, dessen Laden nur einen kurzen Fussweg von der Hauptniederlassungen von UBS und Credit Suisse entfernt liegt. «Zwanzig Minuten später kam er wieder und zahlte bar.»

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Die Schweizer mögen zu den wohlhabendsten und technologisch fortgeschrittensten Gesellschaften gehören, aber wenn es um Geld geht, bevorzugen sie Bares. In Dollar gerechnet liegt der Betrag von Banknoten und Münzen, die pro Person im Umlauf sind, in der Schweiz am höchsten, wie aus Zahlen für 2014 von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hervorgeht. Demnach liegt die Summe in der Schweiz etwa fünf Mal so hoch wie in Kanada und doppelt so hoch wie im Euroraum. Zugleich ist die Kartennutzungsquote eine der niedrigsten in Westeuropa und liegt bei weniger als einem Drittel der schwedischen und weniger als der Hälfte der britischen.

Die Bargeldkultur ändern

Mit einem revidierten Geldwäschegesetz versucht die Schweizer Regierung vorsichtig, die Bargeldkultur zu verändern. Ab Januar gelten für Einzelhändler Sorgfaltspflichten bei Käufen über 100'000 Franken. So müssen sie zum Beispiel die Identität des Käufers überprüfen. Damit will die Schweiz vermeiden, auf eine Schwarzen Liste zu kommen, was dem Bankensektor schaden würde.

Bei diesem Limit kann man immer noch einen Jaguar F-Type oder eine Rolex-Uhr Modell Oyster Perpetual Day-Date 40 mit einem Bündel Banknoten bezahlen. Kritiker zweifeln daher den Nutzen der Regelung an - so etwa der Geldversorgungs-Experte Charles Goodhart. Der hatte die Schweizerische Nationalbank dieses Jahr bereits als «schamlos» bezeichnet, weil sie 1000- Franken-Scheine ausgibt, die seiner Meinung nach Kriminellen das Leben leicht machen. Die 100'000-Franken-Grenze liege viel zu hoch, argumentiert er.

«Ich kann das nur einen Witz nennen», erklärt Goodhart, ein ehemaliger Geldpolitiker der Bank of England, im Telefoninterview mit Bloomberg. «Hätten sie sie auf 10'000 gesenkt, würde ich anfangen zu denken, dass sie es vielleicht ernst meinen.»

Strengere Regeln in anderen europäischen Ländern

Auch in anderen europäischen Ländern gibt es Regeln für Barzahlungen, allerdings in manchen Fällen sehr viel strengere. In Griechenland zum Beispiel sind Barzahlungen von 1500 Euro oder mehr verboten, in Italien gilt ab Januar eine neue Grenze von 3000 Euro. Schwedische Unternehmen müssen die Identität von Kunden nachweisen, wenn eine Transaktion - oder mehrere, die vermutlich miteinander in Verbindung stehen - 15'000 Euro überschreitet. Auch Österreich fordert von Juwelieren und anderen Verkäufern bestimmte Sorgfaltspflichten.

«Die Grenze müsste sehr viel niedriger liegen», sagt Nikos Passas, Professor für Strafrecht an der Northeastern University in Boston, USA. «Man kann mit sehr viel weniger grossen Schaden anrichten, vor allem, wenn es um die Terrorismus-Finanzierung geht.»

Legitime Gründe für hohe Summen

Doch die Schweizer Regierung sieht auch legitime Gründe für hohe Summen. So teilt das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen per E-Mail mit, es könne für Summen unter 100'000 Franken durchaus Gründe geben, die nicht unmittelbar auf Geldwäsche schliessen liessen.

Die Vorliebe der Schweizer für Bargeld rühre von einem angeborenen Vertrauen in die Landeswährung her, erklärt Michael Hermann, Politikwissenschaftler und Leiter des Forschungsinstituts Sotomo in Zürich. «Das Vertrauen in Bargeld und in den Franken ist gross und die Menschen sind stolz", erklärt er im Interview. «Es gibt eine bodenständige, konservative Haltung unter Schweizern. Sie mögen es solide. Die ganze Wirtschaft beruht auf diesem Grundsatz - das Präzise, das Handgemachte, das Solide.»

Nach dem Ende des Bankgeheimnisses bei Offshore-Konten erklärten Gegner des Gesetzes, es sei ein weiterer Sargnagel für eine Kultur, die den Schutz der Privatsphäre, Diskretion und solides Finanzgebaren gross schreibe.

«Bespitzelung der Bürger»

«Bargeld ist ein legales Mittel. Ich sehe nicht ein, wieso das begrenzt werden soll», sagte Pirmin Schwander von der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei 2014 im Radiosender SRF. Es gehe «um einen Schnüffelstaat, es geht um Bespitzelung der Bürger». Schwander antwortete nicht auf eine Interviewanfrage.

Den Züricher Schneider Roffler lässt all das ziemlich kalt. Viele seiner Kunden leben in der Schweiz, wo Banküberweisungen üblich sind. «Das ist kein Problem», erklärt er. «Aber grundsätzlicher gesehen finde ich es problematisch, dass wir überprüfbar sein müssen.»

(bloomberg/ccr)