Unter Russlands Milliardären macht sich Panik breit. Für viele ist klar, dass Präsident Wladimir Putins Politik in der Ukraine das Land ins globale Abseits und in den wirtschaftlichen Ruin treibt. Sie fürchten daher um ihr Geld.
Der Westen geht beim Abschuss der Boeing 777 von Malaysia Airlines von prorussischen Separatisten als Täter aus und plant neue Sanktionen. Putin riskiere, zum Paria zu werden wie Weissrusslands Diktator Alexander Lukaschenko, beklagt sich ein anonymer Milliardär gegenüber der Nachrichtenagentur «Bloomberg». «Was passiert, ist schlecht für die Wirtschaft und schlecht für Russland».
Angst vor Repression
Aus Angst vor Repressalien getraue sich zwar kaum jemand Putins Politik offen zu kritisieren, erklärt Igor Bunin vom russischen Think Tank Center for Political Technology. «Doch in der Wirtschaftselite herrscht Panik.»
Die Angst der Reichen scheint begründet. Schon die Sanktionsrunde nach der Krim-Annexion hat die russische Wirtschaft schwer getroffen. Investoren haben im ersten Halbjahr 2014 insgesamt 74,6 Milliarden Dollar aus dem Land abgezogen. Und als die USA vergangene Woche die Sanktionen verschärften, fiel der russische Leitindex RTS, auf den niedrigsten Stand seit Anfang Mai.
Während sich die EU-Staaten zum Schutz ihrer eigenen Wirtschaft bisher noch zurückhielten, dürfte dass Mass nun voll sein. Insbesondere die Niederlande und Grossbritannien werden auf härtere Sanktionen drängen. Unter den 298 Opfern des Malaysia-Airlines-Fluges MH17 waren 193 Holländer und 10 Briten.
Besonders in den Niederlanden ist die Verbitterung gross. Viele Medien machen Wladimir Putin indirekt verantwortlich für den Abschuss des Passagierflugzeugs und die chaotischen Zustände bei den Bergungsarbeiten.
Wirtschaft könnte kollabieren
Das Verhalten des russischen Präsidenten im Nachgang des MH17-Absturzes ist ein Steilpass für die Befürworter härterer Sanktionen. «Wir müssen die gegenwärtige Empörung nutzen, um weiter an der Sanktionsschraube gegen Russland zu drehen», verkündete der neue britische Aussenminister Philip Hammond am Samstag auf «Sky News».
«Die Gefahr von Sanktionen gegen ganze Sektoren der Industrie ist nun sehr real», lässt sich der ehemalige russische Premierminister Michail Kassjanow auf «Bloomberg» zitieren. Die Folgen könnten fatal sein, so der heutige Oppositionspolitiker: «Falls Sanktionen gegen den Finanzsektor ergriffen werden, kollabiert die Wirtschaft innert sechs Monaten.»
Sanktionen treffen die Reichen hart
Auf der Sanktionsliste der USA gegen den «inneren Zirkel» von Putins Macht sind auch Milliardäre wie Gunvor-Gründer Gennadi Timtschenko und die Brüder Boris und Arkadij Rotenberg. Alleine der Gasproduzent Novatek, an dem Timtschenko beteiligt ist, verlor seit der Verschärfung der Sanktionen am vergangenen Mittwoch acht Prozent seines Wertes oder rund drei Milliarden Dollar.
Ob sich Putin von den düsteren Aussichten für seine reichen Unterstützer beeindrucken lässt, ist indes offen. Seit der Annexion der Krim ist der Präsident im Volk populärer denn je. Das Lewada-Zentrum, ein unabhängiges Meinungsforschungsinstitut in Moskau, kam kürzlich auf eine Zustimmungsrate von 86 Prozent für den ehemaligen KGB-Offizier.