Sie zwängt sich durch die engen Sitzreihen, begrüsst jeden der zwanzig Wirtschaftsjournalisten mit Namen und Handschlag, dann besteigt sie das Podest mit dem Ems-Logo und legt los: Das nächste Jahr, das werde noch härter, noch herausfordernder, lautet die wiederkehrende Botschaft an der Bilanzpressekonferenz. Obwohl das makroökonomische Umfeld volatil ist, der Franken überbewertet und der Wettbewerb knüppelhart, eilt Ems-Chemie unter Magdalena Martullo-Blocher von Rekord zu Rekord – garstiges Umfeld hin oder her.

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Ihr anhaltender Geschäftserfolg wird von der Leserschaft der «Handelszeitung» honoriert: Sie hat die Ems-Chefin in einer Abstimmung zur «Unternehmerin des Jahres 2017» gekürt. Die Abstimmung wure von der «Handelszeitung» und der Schweizer Kader Organisation «SKO» durchgeführt. Es ist das erste Mal, dass die Zürcher Industrielle ganz oben steht. Eine weitere Novität aus dem Jahr 2017: Zum ersten Mal haben es hinter Martullo-Blocher gleich zwei weitere Unternehmerinnen aufs Podest geschafft: Auf Rang 2 figuriert Lea von Bidder, Co-Gründerin der Medtech-Firma Ava, und auf Rang 3 Eva Jaisli, Chefin der Instrumentenfirma PB Swiss Tools. Erst nach diesem Trio folgt Nick Hayek, Chef der Swatch Group.

Das Blut des Unternehmens

Doch die höchste Ehre gebührt dieses Jahr Martullo-Blocher. Kaum ein börsenkotierter Konzern ist so erfolgreich wie ihre Ems-Chemie. Die Aktie hat in den letzten zwölf Monaten um 29 Prozent zugelegt, doppelt so viel wie der SMI-Leitindex. Ihr Erfolgsrezept: «Mit unseren innovativen Hochleistungskunststoffen können die Kunden Kosten und Gewicht einsparen.» Das sei gerade bei hoch beanspruchten Bauteilen etwa in Autos, Smartphones oder Industrieapparaten ein Trumpf. Und davon werden weltweit immer mehr abgesetzt.

Der Fokus auf Innovation, der bringts. Seit sie 2004 vom Vater übernommen hatte, hat sich der Wert der Firma fast versiebenfacht. Die Mehrheitsaktionärin und ihre Mitaktionäre freut es. Sie profitieren vom Höhenflug und kassieren eine Dividende plus eine Sonderdividende, die stets erhöht wird. «Das Ergebnis ist das Blut des Unternehmens», lautet der erste Führungsgrundsatz der Chefin. Der Zweite: «Jeder EMSer ist ein Ergebnisbringer.» Das hat mittlerweile jeder begriffen, der bei der Chemiefirma angestellt ist. Die Geschäftsleitung habe die kurz-, mittel- und langfristige Zielerreichung sicherzustellen. Am Firmensitz in Domat/Ems GR wird nichts dem Zufall überlassen. Die Chefin sagt: «Businesspläne müssen hinterfragt, Zwischenziele kontrolliert und bei Bedarf Korrekturen angebracht werden.»

Frankenschock überwunden

Der Erfolg im «Handelszeitung»-Ranking ist keine Eintagsfliege. Martullo-Blocher und ihre Ems-Chemie etablierten sich in den letzten Jahren stets in den ersten fünf Rängen, die drittklassierte Eva Jausli figurierte stets in den Top 10. Die beiden Industriellen haben den Frankenschock vom 15. Januar 2015 weggesteckt und ihre Unternehmen mit sicherer Hand durch Finanzkrise und Europaflaute navigiert. «Jammern bringt nichts», lautet Martullo-Blochers Mantra.

So tickt auch Jaisli, die PB Swiss Tools aus dem Emmental seit zwanzig Jahren führt. «Wir treiben Neuentwicklungen voran und stärken so unseren Anspruch als Innovationsführer.» Ein Viertel des Umsatzes wird ins – gänzlich schuldenfreie – Familienunternehmen gesteckt. Es rechnet sich, denn so werden Betriebsabläufe gestrafft und die Produktion im Berner Hinterland wird sichergestellt. Jaisli sieht sich als Unternehmerin verantwortlich für faire Anstellungsbedingungen, eine sinnstiftende Firmenkultur und ebenfalls die Vergabe von Aufträgen in der Region. «Es ist meine tiefe Überzeugung, dass herausragende unternehmerische Leistung langfristig nur in gegenseitiger Loyalität von Arbeitgebenden und -nehmenden möglich ist», so die Unternehmerin. Anerkannt wurde die Burgdorferin Jaisli dafür von vielen Seiten. Etwa von der Universität Bern, von der sie den Ehrendoktortitel erhielt.

Devise: Nicht jammern

Passend zur weiblichen Vorherrschaft auf der diesjährigen Liste der erfolgreichsten Unternehmer und Unternehmerinnen des Jahres ist auch Jaislis Anliegen, den Frauenanteil in ihrer Firma hoch zu halten. Bei PB Swiss Tools sind es inzwischen 30 Prozent auf sämtlichen Produktions- und Hierarchiestufen, obwohl der Bereich Werkzeugtechnik eine Männerdomäne ist. Auch hier gilt die Devise: Nicht jammern, sondern ändern.
Zwischen die beiden Industrie-Schwergewichte Martullo-Blocher und Jaisli hat sich in der Gunst des Publikums die erst 27-jährige Lea von Bidder geschoben. Die Zweitrangierte ist eine Unternehmerin der nächsten Generation.

Sie beschreibt sich selber als «extrem ambitioniert» und agil. Mit 22 Jahren gründete sie gemeinsam mit einer Studienkollegin eine Schokoladenmarke in Indien und zog für zwei Jahre nach Bangalore, anschliessend wirbelte sie in China. Nun lebt sie im Silicon Valley, wo sie mit Kollegen den Hormon-Tracking-Armband-Hersteller Ava gründete; das Armband soll Frauen beim Kinderwunsch weiterhelfen. In der Startup-Szene ist die Zürcherin ein Star. Eine hundertköpfige Fachjury der «Handelszeitung» hat ihre Firma Ava zum Startup des Jahres 2017 gekürt. Kürzlich setzte sie das US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» auf die angesagte Liste «30 under 30» im Bereich Healthcare. Was ihr diese Ehre einbrachte: «Forbes» spürt weltweit die hellsten Jungunternehmer, Innovatoren und Game Changer auf. Zu ihnen gehört auch von Bidder.

Vor kurzem wurde im Jungunternehmen das tausendste Ava-Baby gefeiert, also ein Neugeborenes, das dank dem Hormon-Tracking-Armband zur Welt kam. Momentan ist von Bidder mit dem Management des Firmenwachstums beschäftigt: Märkte analysieren, Teams vor Ort aufbauen, Vertriebskanäle testen. Ihr Antrieb ist das Gefühl, «an etwas zu arbeiten, das wirklich wichtig ist».