Der Druck durch die Vincenz-Affäre ist zu gross geworden: Raiffeisen-CEO Patrik Gisel wird Ende Jahr zurücktreten. Seit Wochen wird über mögliche Nachfolger spekuliert, Gisels Abgang vom Chefposten war erwartet worden. Verschiedene Medien brachten Hans-Ulrich Meister ins Spiel, Präsident von Implenia und früherer Chef der Vermögensverwaltung der Credit Suisse.

Als mögliche Kandidaten gelten laut dem Finanzblog «Inside Paradeplatz» auch der frühere Schweiz-Chef der Bank HSBC, Franco Morra, Migros-Bank-Chef Harald Nedwed und die UBS-Topmanagerin Christine Novaković. Der Zürcher-Kantonalbank-Chef Martin Scholl und Credit-Suisse-Spitzenbanker Alexandre Zeller werden gemäss «Blick» ebenfalls als valable Nachfolger gehandelt. Vielleicht macht aber auch ein Kandidat oder Kandidatin von Raiffeisen das Rennen, auch hierzu sind Namen im Gespräch.

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Harald Nedwed: Seit 2003 ist der Basler CEO der Migros-Bank.

Quelle: Keystone

Interessant ist vor allem der Name Harald Nedwed. Als einer der dienstältesten Bankchefs der Schweiz verfügt er über Erfahrung und einen Leistungsausweis. Das sind Eigenschaften, welche der neue Chef der drittgrössten Schweizer Bankgruppe mitbringen sollte. Als Mann mit grosser Ausstrahlung gilt Nedwed zwar nicht – in einem früheren Porträt der «Handelszeitung» wird er als «distanziert» und «kühl» beschrieben. Vielleicht ist ein zurückhaltender Chef aber genau das, was Raiffeisen sucht, um sich von der Ära des charismatischen Pierin Vincenz’ zu distanzieren.

Das Profil der Migros Bank gleicht dem von Raiffeisen. Die Migros Bank setzt ebenfalls auf das Hypothekargeschäft. Nedwed weiss zudem, wie man sich in Umfeld einer Genossenschaft bewegt. Er hat das Finanzinstitut des Migros-Genossenschaftsbunds erfolgreich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Bei Raiffeisen würde der 58-jährige Basler eine Genossenschaftsbank führen, die aus Sicht der Finanzmarktaufsicht auch eine Umwandlung in eine AG prüfen sollte.

Nedwed war im Verwaltungsrat mit Vincenz

Allerdings sucht Raiffeisen nach der Ära Vincenz/Gisel einen Neuanfang. Und just Nedwed hat eine Verbindung zum Finanzdienstleister Aduno – das Unternehmen, welches im Skandal um Pierin Vincenz eine Schüsselrolle spielt. Nedwed ist als Vertreter der Migros Bank seit Jahren Verwaltungsrat bei Aduno. Das Gremium wurde bis Frühling 2017 von Ex-Raiffeisen-Chef Vincenz präsidiert. Aduno hat wegen möglicher Verfehlungen Strafanzeige gegen den ehemaligen Präsidenten eingereicht. Es ist denkbar, dass Nedwed im Verwaltungsrat das Vorgehen von Präsident Vincenz kritisch hinterfragte.

Gegen die Wahl Nedweds spricht zudem sein Alter und die Firmentreue: Der Ökonom ist bereits 58-jährig und hat seine Karriere fast ausschliesslich bei der Migros Bank verbracht, seit 2003 leitet er das Institut.

Pierin Vincenz

Pierin Vincenz: Der Ex-Raiffeisen-Chef war bis Frühling 2017 Präsident von Aduno.

Quelle: Keystone

Ob Nedwed in seinem Alter noch Lust auf einen grossen Karriereschritt hat ist offen – wie auch die Frage, ob er es überhaupt in die engere Auswahl schafft. Raiffeisen steht unter Druck, schnell einen Nachfolger für Gisel zu präsentieren. Heute wurde die Forderung laut, dass Gisel noch vor Ende Jahr zurücktritt.

Gantenbeins Zukunft bei Raiffeisen ist offen

Die Zeit drängt auch, weil für November eine ausserordentliche Delegiertenversammlung angesetzt ist. Die Delegierten werden wissen wollen, wer die Bank künftig führt. Bis dann muss sich auch klären, ob Interimspräsident Pascal Gantenbein das Amt behalten darf. Möglicherweise will die Bank die Führungsspitze komplett neu besetzen. Die Kandidatensuche bei Raiffeisen läuft auf Hochtouren.