Wer auf sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Instagram die Beiträge liest, könnte meinen, dass fast alle jungen Menschen in der Schweiz gegen Krieg sind. «No war, please!» Viele scheinen zudem klar Partei für die Ukraine zu nehmen, was sie mit Profilbildern zeigen, in die sie die Flagge des angegriffenen Landes einbinden.

Doch anderen jungen Menschen ist das offenbar egal; sie wollen an der Börse mit dem Krieg einfach Profit machen. Das ist aus Daten zum Aktienhandel bei der Bank Yuh abzulesen.

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Yuh gehört je zur Hälfte der Postfinance und der Online-Bank Swissquote. Gemäss einem Bericht des Schweizer Fernsehens bietet Yuh spielerischen Zugang zu Finanzmärkten. Sie zielt auf ein junges Publikum, was sich nicht nur daran zeigt, dass die Bank den 27-jährigen Sänger Luca Hänni als Influencer engagiert hat, sondern auch in der Werbung zu sehen ist: tanzende Menschen auf Discorollern, unterlegt mit coolem Sound – die Yuh-Kundinnen und -Kunden erledigen Finanzgeschäfte beim Gehen auf der Strasse und starren dabei so gebannt auf die App, dass sie fast in den nächsten Pfosten laufen. Offenbar ist die Werbung erfolgreich, denn die Bank, die erst im Mai 2021 gestartet ist, meldet bereits 50’000 Kunden und Kundinnen.

Das sind statistisch betrachtet mehr als genug Kunden, um von ihrem Verhalten auf den durchschnittlichen Kleinanlegenden zu schliessen. 

89 Prozent kaufen jetzt russische Aktien, nur 11 Prozent verkaufen

Eine Funktion, die der Kundschaft beim Börsenhandel mit Yuh zur Verfügung gestellt wird, ist die Anzeige des Verhältnisses von Käufen zu Verkäufen von Aktien auf der Plattform. Wer nun bei Lockheed Martin, einem der grössten Waffenhersteller der Welt Einblick nimmt, sah am Sonntagabend Folgendes: Die letzten Aufträge bei der Bank Yuh waren zu 84 Prozent Käufe und nur zu 16 Prozent Verkäufe. Ein Krieg hat begonnen – da könnten die Aktien von Waffenherstellern ja steigen: Das scheint die Überlegung dieser Käufer und Käuferinnen zu sein.

Lockheed Martin: Käufe und Verkäufe

Lockheed Martin: Käufe versus Verkäufe.

Quelle: Screenshot

Erst kürzlich hat die unabhängigen Finanzethikerin Dorothea Baur in einem Gespräch mit der «Handelszeitung» die ethischen Eckpunkte von Börsentransaktionen ergründet. «Zynisch wäre es, jetzt in Kriegsmaterialproduzenten zu investieren», sagte Baur. Genau das scheinen einige Kundinnen und Kunden von Yuh zu sein. Baur hat sich zu Investitionen in Fonds geäussert, die in einen breiten russischen Aktienindex abbilden: «Damit will man eine der beiden Kriegsparteien fördern – den Aggressor. Das ist ein politisches Statement.»

Genau dieses politische Statement scheinen die Anlegenden bei der Bank Yuh zu vertreten. Schaut man den Fonds auf dem Index der Russischen Blue Chips an, also den Korb der grössten börsenkotierten russischen Firmen, so waren von den letzten Transaktionen auf Yuh ganze 89 Prozent Käufe und nur 11 Prozent waren Verkäufe.

ETF

Russland-ETF: Käufe versus Verkäufe.

Quelle: Screenshot

Natürlich sind die Zahlen zu Verkäufen und Käufen bei Yuh interpretationsbedürftig. Wer die Ethik über monetäre Gewinne stellt, hatte wohl schon vorher keine Aktien von Lockheed Martin und kann jetzt auch keine verkaufen. Zudem ist die Frage, was die Prozentzahlen in absolute Zahlen umgerechnet ergeben. Die Bank Yuh schreibt dazu: «Die letzten Aufträge in der Yuh-Community beziehen sich auf die letzten 100 ausgeführten Aufträge des jeweiligen Produkts. In diesem Beispiel waren damit 84 der letzten 100 Aufträge Käufe, 16 waren Verkäufe.» 

Diese Zahlen von Yuh und deren Kundschaft rücken die Bank in ein ganz anderes Licht als noch vor wenigen Monaten. Damals hatte Yuh während der Black-Friday-Woche die Hälfte seiner Tradingeinnahmen an Caritas gespendet. Dabei kamen 41’400 Franken zusammen.

Die Bank Yuh hat reagiert, schliesst russische Aktien per sofort aus

Auf der Börsenhandelsplattform von Yuh können 218 Aktien (darunter der Waffenhersteller Lockheed Martin), 24 ETF (darunter der Fonds auf russische Blue Chips), 25 Trendthemen, 2 Anlagethemen und 26 Kryptowährungen gehandelt werden.

Es stellt sich die Frage, ob die Bank Yuh sich bereits unethisch verhält, weil sie Aktien von Waffenherstellern wie Lockheed Martin zum Handel anbietet. «Grundsätzlich entscheiden die Kundinnen und Kunden einer Bank selber, was sie kaufen», sagt die unabhängige Finanzethikerin Dorothea Baur. Aber die Bank Yuh werbe damit, ihrer Kundschaft 218 Trendaktien anzubieten. «Wenn eine davon Lockheed Martin ist, stellen sich schon ethische Fragen. Zumindest hat der Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK) Lockheed Martin von einer Investition ausgeschlossen», so Baur. Der Verein setzt sich aus den grossen Schweizer Pensionskassen zusammen.

Die Bank Yuh hat inzwischen reagiert und schreibt: «Solidarität und Menschlichkeit gehören zu unseren Werten, welche wir verfolgen. Aufgrund der Ereignisse der letzten Tage und unabhängig von den künftigen Entscheidungen im Bereich Swift haben wir uns dazu entschieden, den ETF MSCI Russia aus dem Produktportfolio von Yuh per heute Montagvormittag zu entfernen. Yuhser*innen können damit diesen ETF noch verkaufen, nicht mehr aber kaufen. Weitere russische Anlageprodukte finden sich im Produkteportfolio von Yuh nicht.» Die Aktien des US-Waffenherstellers Lockheed Martin können, die Yuhser* - so nennt die Bank ihre Kunden - weiter kaufen

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