Kaum ein anderes Studienresultat dürfte in diesem Jahr in der Pharmaindustrie für so viel Aufsehen sorgen: Im zweiten Halbjahr wird Roche die Ergebnisse der klinischen Studien zu seinem Alzheimer-Wirkstoff Gantenerumab publizieren.
An den Resultaten hängen potenziell Milliardenumsätze. Sollten sie positiv sein, so könnte der Pharmakonzern ein gewaltiges therapeutisches Feld neu aufrollen. Alle drei Sekunden wird weltweit bei einem Menschen Alzheimer diagnostiziert. 2019 waren 50 Millionen Patientinnen und Patienten an Alzheimer erkrankt, bis 2050 dürfte ihre Zahl nach Schätzungen von Alzheimer’s Disease International auf 152 Millionen steigen.
Roche-Pharmachef: «Wir brauchen Klarheit»
Wie auch immer die Resultate aussehen werden, klar ist bereits: Bei Roche wird es keinen zweiten Fall Biogen geben. Das amerikanische Biotech-Unternehmen hatte bei der US-Arzneimittelbehörde FDA eine Zulassung für sein Medikament Aduhelm beantragt, obwohl es in den klinischen Studien nicht hatte beweisen können, dass es einen medizinischen Nutzen für die Patienten bringt.
Aduhelm führte zwar dazu, dass sich die Eiweiss-Ablagerungen, die sich in den Gehirnen von Alzheimer-Kranken finden, zurückbildeten. Dass das Medikament auch den kognitiven Zerfall stoppt oder verlangsamt, konnte Biogen aber nicht zweifelsfrei zeigen.
«Alle brauchen Klarheit, die Patienten, die Ärzte und diejenigen, die für die Behandlung aufkommen», sagt Roche-Pharmachef Bill Anderson der «Handelszeitung». Roche werde nicht auf Basis eines Biomarkers – eben des Abbaus der Ablagerungen – eine Zulassung beantragen.
Bis jetzt nur 3 Millionen Dollar Umsatz bei Biogen
Ein Fiasko wie bei Biogen soll es also nicht geben. Der Wirkstoff, den die Amerikaner zusammen mit der Zürcher Forschungsfirma Neurimmune entwickelt haben, ist zwar auf dem Markt; die Umsätze aber kommen kaum vom Fleck. Gestern rapportierte das in Massachusetts basierte Unternehmen Verkäufe über 1 Million Dollar im vierten Quartal. Gleichzeitig beliefen sich die Vermarktungskosten auf 155 Millionen Dollar.
Seit der Zulassung in den USA im Juni vergangenen Jahres setzte Biogen 3 Millionen Dollar mit Aduhelm um. Die Aktie gab um 5,5 Prozent nach, der Schlusskurs lag bei 220 Dollar. Nach dem Zulassungsentscheid war er auf mehr als 400 Dollar geklettert.
Das Unternehmen kämpft in den USA mit Akzeptanzproblemen bei den Ärztinnen und Ärzten. Zudem wird Aduhelm von den öffentlichen Krankenkassen nur sehr restriktiv vergütet. In Europa wurde das Medikament nicht zugelassen. Der Entscheid der Schweizer Zulassungsbehörde Swissmedic steht noch aus.