Die Haltungen in der Debatte um aktive und passive Anlagestrategien sind meist ziemlich dogmatisch. Die rekordtiefen Risikoprämien für risikofreie Anlagen führten in den letzten Jahren dazu, dass vor allem das Kostenargument in den Fokus der Diskussion rückte. Bei der Vermögensallokation wird heute durch das Hervorheben der tiefen Vermögensverwaltungskosten zum Teil sogar suggeriert, dass erfolgreiche Anlagestrategien auf kostengünstigen Anlageinstrumenten basieren. Dabei wird unterschlagen, dass der aktive Entscheid, der für die Vermögensallokation nötig ist, vermutlich oft viel entscheidender für die Gesamtperformance des Portfolios ist als die Kosten der zugrunde liegenden Anlagebausteine.
Man sollte versuchen, den Fokus bei der Diskussion um aktive oder passive Anlagestrategien vom Kostenargument zu lösen. Dabei geht es grundsätzlich nicht darum, die beiden Ansätze gegeneinander auszuspielen und einen der beiden Ansätze kategorisch auszuschliessen. Es ist wichtig aufzuzeigen, dass aktive Anlagelösungen für gewisse Anlagekategorien – wie zum Beispiel Schweizer Anleihen – unter den richtigen Bedingungen durchaus sinnvoll sein können.
Die Liste von Research-Artikeln, die beschreiben, dass ein Grossteil der aktiven Anlagestrategien schlechter abschneidet als passive Lösungen, ist lang. Auffallend dabei ist, dass sich das zugrunde liegende Datenmaterial meistens auf Aktien beschränkt. Das kann zum falschen Eindruck führen, dass aktive Lösungen auch für andere Anlagekategorien wenig Sinn ergeben. Diese Verallgemeinerung lässt sich am Beispiel der Anlagekategorie der Schweizer Anleihen widerlegen.
Aktive Anlageansätze bei Schweizer Anleihen
Grundsätzlich basieren alle aktiven Anlagelösungen auf der Überzeugung, durch einen spezifischen Informationsvorsprung Mehrwert generieren zu können. In der Praxis ist es nicht bei allen Anlagekategorien möglich, den Informationsvorsprung gewinnbringend zu nutzen. Dies liegt daran, dass sich die Informationen abhängig von der Anlagekategorie unterschiedlich schnell in den Preisen widerspiegeln.
In grossen, liquiden Märkten, die sich in ihrer Zusammensetzung im Zeitablauf kaum verändern (geringes Rebalancing) und die viele ökonomisch motivierte, sprich renditegetriebene Investoren anziehen, fliessen neue Informationen in der Regel sehr schnell in die Preise ein. Es überrascht daher kaum, dass es gerade im Bereich der liquiden Aktien schwierig ist, mit einer aktiven Titelauswahl Mehrwert zu generieren.
Markus Thöny ist Leiter des Swiss Fixed Income Teams bei Lombard Odier Investment Managers (LOIM). Er ist seit Januar 2012 bei LOIM. Zuvor war er Portfoliomanager bei der Zürcher Kantonalbank, wo er von 2008 bis 2011 schweizerische, europäische und globale Rentenportfolios für institutionelle Anleger verwaltete und neue Produkte und massgeschneiderte Kundenlösungen entwickelte. Thöny erwarb 2001 einen Master in Mathematik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule. Darüber hinaus hat er einen Master-Abschluss in quantitativer Finanzwirtschaft der Universität Zürich.
Im Gegensatz zu den grossen und liquiden Aktienmärkten ist der Schweizer Anleihenmarkt ein Nischenmarkt. Aufgrund des monatlichen Rebalancings der Vergleichsindizes ändert sich die Zusammensetzung stetig. Der durchschnittliche jährliche Turnover liegt bei rund 25 bis 35 Prozent, wobei rund die Hälfte auf Neuemissionen entfällt. Zudem kann es infolge von Rating-Herab- respektive -Heraufstufungen zu unerwarteten Indexveränderungen kommen.
Aufgrund dieser vergleichsweise grossen Veränderung der Indexzusammensetzung über die Zeit haben aktive Anlageansätze im Anleihenbereich eine grössere Chance, den Informationsvorsprung gewinnbringend zu nutzen. Geht der aktive Anlageansatz zum Beispiel aufgrund der Fundamentalanalyse davon aus, dass ein Emittent zukünftig vom BB-Bereich in das BBB-Segment hochgestuft werden könnte (und somit Teil des Index wird), so kann er die Anleihen vor der Heraufstufung zu tieferen Preisen kaufen und im Nachgang vom Kaufzwang vieler indexgetriebener Investoren profitieren.
Unterschiedliche Interessen
Der Anleihenmarkt wird, anders als der Aktienmarkt, nicht von renditegetriebenen Investoren dominiert. So verwenden zum Beispiel Zentralbanken Anleihen zur Steuerung der Geldpolitik. Versicherungen wiederum haben primär die Deckung ihrer Verpflichtungen im Fokus und schauen deshalb bei Anlagen in Anleihen mehr auf die Buchrendite als auf die zwischenzeitlich potenziell realisierbare Rendite. Diese viel heterogeneren Investoreninteressen am Anleihenmarkt führen zu grösseren Verzerrungen in der Preisbildung, was die Opportunitäten für aktive Anlageansätze zusätzlich erhöht.
Letztlich sprechen auch die bekannten strukturellen Tilts an den Anleihenmärkten für aktive Anlageansätze. Ein Übergewicht der Kreditrisiken im Investment-Grade-Bereich führt mittel- bis langfristig dazu, dass ohne signifikante Zunahme der Ausfallrisiken eine höhere Kreditrisikoprämie abgeschöpft werden kann. Gleiches gilt für die Liquiditätsrisiken, falls keine tägliche Liquidität gewährleistet werden muss. Auch die Möglichkeit, ausserhalb des Index zu investieren, schafft zusätzliche aktive Anlagemöglichkeiten.
Aber: Erfolgreiches aktives Management hängt auch von zwei zentralen Faktoren ab, die nicht direkt mit den Eigenheiten der jeweiligen Anlagekategorie zusammenhängen. Erstens bedingt aktives Management einen vergleichsweise hohen Active Share. Die Portfoliopositionierung sollte im Zeitablauf deutlich von der Indexpositionierung abweichen. Zweitens, und fast noch wichtiger, ist die Erkenntnis, dass aktive Anlagelösungen viel Geduld und Vertrauen seitens der Investoren erfordern.
Bei der Geduld der Anleger geht es eher um den richtigen Anlagehorizont, und beim Vertrauen um die Höhe der zwischenzeitlich tolerierbaren Performancerückschläge. Die Frage des passenden Anlagehorizonts lässt sich am besten mit etwas Theorie erörtern.
Nehmen wir an, dass eine hypothetische aktive Anlagestrategie eine Information Ratio von 0,5 hat, die Renditevolatilität des aktiven Portfolios bei 4 Prozent und diejenige der Benchmark bei 3,5 Prozent liegt. Die Korrelation der Portfoliorenditen mit den Benchmarkrenditen beträgt 0,9. Nun stellt sich die Frage, wie lange es mit dieser hypothetischen Anlagestrategie dauern würde, bis die Benchmark mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent übertroffen würde. Die Antwort: rund sieben Jahre.
Die folgende Tabelle zeigt, wie sich diese Zeitdauer verändert, wenn unterschiedliche Werte für die Information Ratio unterstellt werden.
Aus diesen Zahlen wird ersichtlich, dass die Anlagehorizonte für aktive Anlagelösungen in der Praxis wohl eher zu kurz sind. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass es bei einem Anlagehorizont von zehn Jahren und einer Information Ratio von 0,5 theoretisch viele aktive Anlagestrategien gibt, welche die Benchmark übertreffen. Doch leider sind viele dieser Strategien in der Praxis nicht umsetzbar, weil die zwischenzeitlichen Performancerückschläge zu gross sind und in der Regel zu einem Vertrauensverlust mit einer entsprechenden Strategieänderung führen.
Rendite mit passivem Ansatz wird schwieriger
Gerade im Bereich der Anlagekategorie Schweizer Anleihen scheinen Investoren besonders sensibel betreffend negativer absoluter und relativer Performancezahlen zu sein. Das hat vermutlich damit zu tun, dass die Risikoprämien im Vergleich zu anderen Anlagekategorien generell geringer sind. Zudem haben passive Strategien in den letzten zwanzig Jahren von stetig fallenden Zinsen und länger werdenden Zinsrisiken profitiert und stattliche Performancezahlen generiert.
Vergleicht man jedoch die Risiken des SBI AAA-BBB Index im Jahr 2022 mit denjenigen im Jahr 2000, so fällt auf, dass dieser aktuell viel mehr Zins- und Kreditrisiken als im Jahr 2000 enthält. Hinzu kommt, dass diese Risiken aktuell viel schlechter entschädigt werden. Das reine Abschöpfen von Risikoprämien mit einem passiven Ansatz scheint deshalb im Bereich der Schweizer Anleihen in den kommenden Jahren schwieriger zu werden.
Aktive Anlageansätze bei Schweizer Anleihen sind sinnvoll und können in allen Marktsituationen umgesetzt werden. Für passive Investoren am Schweizer Anleihenmarkt könnte die Gelegenheit gekommen sein, den Anlageansatz zu überdenken, denn das oft erhoffte Diversifikationspotenzial gegenüber Aktien könnte in den nächsten Jahren selbst mit rein passiven Lösungen etwas niedriger ausfallen.